Mobile Zukunft? Was ist mit Menschen mit Behinderung - Bislang gibt es keine gemeinsame Zielsetzung

Die Überlegungen für ein Bergedorfer Verkehrskonzept lösen ein geteiltes Echo aus: Auf Zustimmung stößt die Erkenntnis, dass Planungen nicht an Landesgrenzen Halt machen dürfen, und Einzelmaßnahmen weder aktuelle noch künftige Probleme lösen. Jenseits der Idee eines integrierten Verkehrskonzeptes treten jedoch Differenzen auf, zu Detailfragen aber auch zur Zielsetzung.

So bemängelt etwa Norbert Fleige, der Entwurf berücksichtige nicht die Wende in der Verkehrsentwicklung. Seit 20 Jahren sei der Anteil des motorisierten Individualverkehrs gesunken, sagt der Grüne: "Statt diese Entwicklung zu fördern, soll das Konzept den Verkehrsfluss fördern."

Eher auf Stillstand setzt er auch beim Thema Park & Ride. Während Politiker anderer Parteien und Bürger auf der jüngsten Infoveranstaltung diskutierten, ob weitere P & R-Plätze am Stadtrand, im Umland oder auch, wie von den Verkehrsbetrieben Hamburg-Holstein (VHH) vorgeschlagen, an großen Bushaltestellen entstehen sollten, kritisierte Fleige die hohen Kosten von bis zu 25 000 Euro - je Stellplatz im P & R-Haus.

Vertreter des Allgemeinen Deutschen Fahrrad Clubs (ADFC) verlangten eine deutliche Bevorzugung des Radverkehrs mit dem Ziel, "den motorisierten Verkehr zu verdrängen". Die Forderungen reichten von mehr Platz auf den Straßen bis zu schnelleren Ampelschaltungen speziell für Radler, um deren Anteil am Bergedorfer Verkehr über acht Prozent zu steigern.

Dezente Hinweise, dass die Politik kaum die 92 Prozent anderer Verkehrsteilnehmer den Wünschen der Radfahrerlobby unterordnen werde, verfingen zunächst nicht. Als jedoch Julian Kilian als Vertreter der Bergedorfer Behinderten Arbeitsgemeinschaft (BAG) Kritik an der Diskussion und dem Konzept übte, wurde deutlich, dass Partikularinteressen zurückstehen müssen: "Es fällt auf, dass das Konzept bislang nur extrem mobile Menschen berücksichtigt", bemängelte der Rollstuhlfahrer. "Es müssen aber auch die Bedürfnisse der steigenden Zahl immobiler Menschen Eingang finden."

Das Verkehrskonzept lässt sich in fünf Themenfelder gliedern. Tatsächlich spielt die weitaus größte Gruppe, die Fußgänger, bislang eine untergeordnete Rolle. Ganze zwei Seiten werden ihnen im gut 40-seitigen Konzeptentwurf zugebilligt. Notwendig seien etwa klarere Wegeverbindungen, mehr Schilder und Sitzmöglichkeiten. Kernsatz: "Um ein Fußverkehrsnetz entwickeln zu können, müssen zunächst Grundlagen erhoben werden." Dazu zählen Fußgängerzählungen, Analysen der Wegewahl und Analysen des Unfallgeschehens.

Radverkehr behandelt das Verkehrskonzept auf acht Seiten. Velorouten und das Radwegekonzept Vier- und Marschlande sind ebenso Gegenstand der Betrachtungen wie Konflikte mit Fußgängern und Kraftverkehr und die Abstellmöglichkeiten für Fahrräder. Zur Förderung wird unter anderem die Entwicklung eines Radverkehrskonzepts empfohlen, die vermehrte Freigabe von Einbahnstraßen und die Prüfung der Frage, wo Radverkehr vermehrt auf der Straße rollen kann. Tatsächlich gibt es in Bergedorf jedoch nur noch eine Handvoll Radwege, für die eine Benutzungspflicht gilt.

Mit drei Seiten wird dem ruhenden Verkehr nur wenig Raum gegeben. Einzig Bergedorf-Süd wurde bislang eingehender untersucht. Für die Zukunft nennt das Verkehrskonzept eine bessere Parkraumbewirtschaftung sowie die vermehrte Überwachung des Lieferverkehrs in der City, die Sanierung beziehungsweise Modernisierung von Parkhäusern (Sachsentor und Neuer Mohnhof), besser erreichbare Parkplätze für Kunden des östlichen Sachsentors und die "Verbesserung der Parkraumsituation für Anwohner".

Der ÖPNV nimmt breiten Raum im Konzept ein. Neben einer U-Bahnanbindung für Lohbrügge und Bergedorf und Prüfung einer Schienenverbindung nach Geesthacht werden auch eine verbesserte Taktdichte der S-Bahnen S2/21 sowie bessere Busverbindungen genannt. "Damit nicht 22 Tonnen Altmetall zwei Fahrgäste durch das Landgebiet fahren, wollen wir auf den Einsatz kleinerer Busse drängen", sagt Verkehrsausschusschef Bernd Schrum (SPD). Geprüft werden soll ein kostengünstiges "City-Ticket Bergedorf", mehr Überwachungskameras sollen zudem Sicherheit und Sauberkeit an und in den Bahnhöfen erhöhen.

Für den Kraftverkehr fordert das Konzept den Durchgangsverkehr zu verlagern, die Südumgehung zu realisieren und eine Ostumfahrung Hamburgs zu prüfen, außerdem die Optimierung der Ampelschaltungen. Dass Wohngebiete für Wirtschaftsverkehr gesperrt werden, zugleich der Lkw-Verkehr aber gefördert werden soll, stößt auch bei manchen Politikern auf Widerspruch. So forderte etwa der SPD-Bezirksabgeordnete Horst Schramm Aufklärung: Hat denn niemand bemerkt, dass immer mehr Lastverkehr durch Lohbrügge zur K80 rollt, die Wohngebiete als Verbindung zwischen den Autobahnen genutzt werden?