Die schwulen Fußballer Ballboys treffen sich einmal pro Woche zum Kicken. Ein Ortstermin vor dem Hamburger Christopher Street Day.

Hamburg. Das Fußballtraining war anstrengend. Der Großteil der Mannschaft sitzt bereits bei einem Bier zusammen. "Wir gehen mal duschen", sagt Tom Brauner, 26, und zieht mit einem seiner Mitspieler in Richtung Kabine ab. "Na dann viel Spaß", tönt es aus der Gruppe. Zugegeben, kein besonders einfallsreicher Witz. Trotzdem hätte er auf einem anderen Platz zur Beleidigung werden können. Aber hier zeigen die Jungs Humor statt Homophobie.

40 Spieler sind bei der Hobbymannschaft Ballboys angemeldet. Um die 20 kommen jeden Montag zum Training am Mittleren Landweg. Fast alle haben zwei Dinge gemeinsam: Sie sind schwul und lieben Fußball - oder sich gegenseitig. So wie Tom Brauner und sein Partner, die in wenigen Wochen sogar heiraten werden. Damit passen sie perfekt zum Motto des Christopher Street Days (CSD) 2012: "Ehe 2.0 - Nach den Pflichten jetzt die Rechte". Deshalb schmücken die beiden auch die Kampagnenkarten, die die Ballboys zum Christopher Street Day verteilen wollen. In Trikots stehen sie sich gegenüber, kurz bevor sich die Lippen zum Kuss berühren. "Fußball verbindet", steht unter dem Bild.

+++ Das Programm der Pride Week +++

+++ Schwul - und die Raute im Herzen +++

Ende 2010 kam der Antrag. "Ich musste gar nicht lange überlegen und habe sofort Ja" gesagt", sagt Brauner. "Es ist uns wichtig, dass wir so zeigen können, was wir einander bedeuten", sagt sein Verlobter. Dabei geht es ihnen nicht darum, der Welt zu zeigen, dass auch Schwule heiraten können. "Das ist eher für uns", sagt Brauner. "So eine Verbindlichkeit." Dennoch gebe es, was die Ehe angeht, noch viel zu viele Unterschiede zwischen Homos und Heteros. "Das betrifft besonders Themen wie Steuern und Erbschaftsrecht", sagt Brauner. Denn bei aller Toleranz, eine richtige Ehe soll die eingetragene Partnerschaft dann doch nicht sein. "Wir müssen immer alles Schritt für Schritt erstreiten und einklagen." Da wäre zum Beispiel die Adoption. "Da ist Deutschland ein bisschen paradox", sagt Brauner. So dürfe zwar ein auf dem Papier lediger Mann ein Kind adoptieren, ein verheiratetes männliches Paar jedoch nicht. Noch ist das ein sehr theoretisches Thema für die Verlobten, aber später können sie sich Kinder gut vorstellen. "Hoffentlich ist das Problem bis dahin gelöst."

Seit Herbst 2009 spielt Brauner bei den Ballboys, sein Verlobter folgte ihm 2010 ins Team. "Ich wollte, als ich frisch nach Hamburg gezogen war, irgendwo Sport machen", sagt Brauner. Auf einem CSD lernte er die schwulen Fußballer kennen. Das Team des Vereins Startschuss gibt es bereits seit fast 20 Jahren. "Ich fand das Konzept sehr sympathisch." Kein Wettkampfbetrieb, keine Trainingspflicht, unterschiedliches sportliches Niveau. Es gibt Turniere mit anderen schwulen Mannschaften wie "Manndecker Frankfurt" und "Vorspiel Berlin", aber auch Freundschaftsspiele gegen Heteros. "Wr haben schon gegen ein katholisches Team gespielt und versuchen derzeit ein Match gegen Muslime zu organisieren." Auch internationale Spiele gibt es - mit vielen Parallelen zum Ligabetrieb. "Die Engländer hauen einen auch mal um, wenn sie den Ball wollen", sagt Brauner.

Fußball und Schwule - nicht für jeden eine Selbstverständlichkeit. "Das ist nun mal der Volkssport und für viele fast schon ein Heiligtum", sagt Brauner. Er selbst lebe in einer Metropole wie Hamburg ja schon in einer sehr offenen Umgebung. "Aber auf dem Land ist es in manchen Köpfen vielleicht einfach noch nicht angekommen, dass schwule Fußballer ganz normal sind."

Oder im Profisport. "Das ist ein heikles Thema", sagt Martin Aechter, 29, der vor seiner Zeit bei den Ballboys bei zwei Mannschaften im Liga-Betrieb spielte - einmal sogar mit Ambitionen in die Bezirksliga. "Aber man muss bei Profis immer daran denken, dass die vom Sport leben", sagt Aechter. "Und im Durchschnitt nur etwa 15 Jahre populär sind." Da steht bei einem Outing weit mehr auf dem Spiel als nur ein Hobby. Außerdem sei die Reaktion der gegnerischen Fans nicht zu unterschätzen. "Ich kann es nachvollziehen, wenn man sich als Profi nicht outet."

Aechter hat sich getraut. Zunächst sprach er mit zwei engen Freunden über die unerwarteten Gefühle für Männer. "Kann ich mir gar nicht vorstellen, aber okay", sagte der eine. "Probier es aus", meinte der andere. Eine große Ansprache vor dem ganzen Team gab es nicht, dennoch machte die Neuigkeit schnell die Runde. "Es gab eigentlich kein negatives Feedback", sagt Aechter. Das Problem fand viel mehr in seinem Kopf statt. "Ich war unkonzentriert und hatte das Gefühl, nicht mehr reinzupassen."

Er verlor seinen Stammplatz. Hatte der Trainer doch Wind von der Sache bekommen? Warum spricht ihn keiner offen auf seine Homosexualität an? Und warum sagte ein Gegenspieler beim Angriff einmal "Schwuchtel"? "Das hätte er zu jedem einfach so dahinsagen können", sagt Aechter. "Aber ich habe da immer viel hinein interpretiert. Er wollte solche negativen Gedanken nicht mehr, hatte er doch genug damit zu tun, sich zu finden - und hörte auf. "Das war ein schwerer und langer Prozess."

Martin Aechter bereut nichts. "Ich habe meine innere Mitte gefunden und weiß, dass ich angekommen bin." Auch bei den Ballboys. "Wir sind wie eine kleine Familie, die auch mal aneckt. Nur viel humorvoller." Außerdem werde jeder aufgenommen, wie er ist - egal, wen er liebt und wie gut er spielt.