Hamburger Hundeführer arbeiten in einem Pilotprojekt mit Gebirgsschweißhunden, die vermisste Menschen finden sollen.

Hamburg. Lautes Schnauben ist meist das erste Zeichen, aufgeregt wedelt der Schwanz hin und her, die Schnauze versinkt fast im Gras. Die Spürnase ist kaum mehr zu halten, die typische, unüberhörbare Atmung ist die einzige Geräuschquelle auf der Wiese. Die Schlappohren hängen unbeteiligt herunter - aber der Geruchssinn arbeitet auf Hochtouren. Zielgerichtet zieht Trude ihr Herrchen auf dem großen, mit sattem Gras bewachsenen Trainingsgelände in eine Richtung.

Ihr Herrchen ist Sönke Schroth, Fachlehrer der Diensthundeschule in Altengamme. Sein Job ist es, dem Hund, den er wie einen Kollegen behandelt, auf Schritt und Tritt zu folgen. Denn wenn Trude an der Leine zieht, steckt meist etwas dahinter.

Wenn Personen verschwinden und die Angehörigen die Hoffnung eigentlich schon aufgeben, beginnt ihre Arbeit als Personenspürhund der Hamburger Polizei. Der Hund nimmt dank seines hervorragenden Geruchssinns auch bis zu einer Woche nach dem Verschwinden meist die richtige Fährte auf. International wird das "Mantrailing" genannt. Der Spürnase entgeht nichts; selbst in überlaufenen Straßen in der Innenstadt oder an Bushaltestellen findet sie die gesuchte Person. Seit gut zwei Jahren läuft ein Pilotprojekt in Hamburg, bei dem Hund und Herrchen im Einsatz zeigen sollen, wie sie bei der Suche nach verschollenen Menschen helfen können.

+++ Kollege Hund +++

Die Hunde schnüffeln dabei jedem Vermissten nach. Menschen, die aus einem Seniorenheim verschwunden sind, oder Kindern, die sich im Flughafen verirrt haben. Sie kommen zum Einsatz, wenn sich Räuber in der Nähe eines Tatorts versteckt halten oder eine Leiche gesucht wird. Erst am Dienstag führten die Spürnasen die Polizei bei einer Vermisstensuche zum Goldbekufer, wo die Spur jedoch verloren ging.

Jeder Mensch hat einen Individualgeruch, der für einen Hund so eindeutig ist wie für einen Ermittler der Fingerabdruck. Bei derart geschärften Sinnen ist das kein Wunder: Hunde verfügen über rund 250 Millionen Riechzellen - Menschen dagegen gerade mal über fünf Millionen.

Damit der Hund die Fährte, auch Trail genannt, aufnehmen kann, genügt dem Hundeführer ein Stofffetzen, Blut oder Speichel der verschwundenen Person. Die "Jagd" beginnt dort, wo der oder die Vermisste zuletzt gesehen worden ist. "Dieser Job ist so spannend", sagt Schroth. Schließlich wisse man bei der Suche nie, wohin es geht. "Wir können ja die Spur nicht riechen." Das mache die Arbeit mit den Tieren so schwer. Oft führe der Geruch in abgelegene Gassen, manchmal auch ins Nichts, gibt der Hundeführer zu. Wer die Signale des Hundes nicht deuten könne, komme auch nicht zum Erfolg. So zeige die Körperhaltung des Tieres an, wie zielstrebig es gerade einer Fährte folgt.

"Wenn Trude aber einem Vogel hinterherschaut, weiß ich, dass sie abgelenkt ist", sagt Schroth. Mensch und Hund müssen sich blind vertrauen, anders geht es nicht. "Fingerspitzengefühl im Umgang mit den Tieren ist extrem wichtig", betont der Fachlehrer. Es sei allein die Spürnase, die den Weg vorgebe. Kadergehorsam wie bei anderen Polizeihunden gebe es nicht. Allenfalls kleine Korrekturen durch die Hundeführer seien möglich. "Manchmal muss man lauter werden oder etwas an der Leine ziehen, um die Kollegin daran zu erinnern, dass sie zu arbeiten hat", sagt der 40-Jährige. Für Trude sei das nicht selten eine Art zusätzliche Motivation. "Dann plustert sie sich auf und will unbedingt weitersuchen", sagt Schroth.

Dem Einsatz geht eine intensive Ausbildung voran, in der Hund und Mensch zu einem Team zusammenwachsen. Erstmals bildet die Polizei in Hamburg Personenspürhunde aus. Schroth, der das Projekt leitet, hat sich mit seinen Kollegen Nicole Counradi, 43, und Dirk Müller, 48, freiwillig für den Versuch gemeldet und bereits vier Hundewelpen aufgezogen. Die Polizisten setzen dabei auf Bayerische Gebirgsschweißhunde, die für ihren exzellenten Geruchssinn bekannt sind. Ursprünglich setzten Jäger diese Rasse zum Suchen der Beute ein. Heute leisten die mittelgroßen Tiere mit den langen Schlappohren häufig der Polizei wertvolle Dienste.

Vor zweieinhalb Jahren kamen die Welpen im Alter von acht Wochen nach Hamburg. Neben der zierlichen Hündin Trude waren das Beppo, der mit Counradi ein Team bildet, sowie Müllers Schützlinge Liesl und Yosi. Die zweijährige Lehrzeit ist anspruchsvoll. "Anfangs haben wir Geradeauslaufen geübt, später folgten die Tiere einem Spielkameraden", erklärt Schroth die ersten Schritte. Bis die Hunde echten Trails folgen konnten, verging mehr als ein Jahr. Wichtig sei, die Hunde immer zu belohnen, damit sie Gefallen an ihrem neuen Job finden. "Selbst jetzt im Alter von zweieinhalb Jahren ist der Lernprozess noch nicht abgeschlossen, obwohl die Tiere bereits eine Prüfung abgelegt und bestanden haben", sagt der Hundeführer.

Nach der Arbeit geht das Team gemeinsam nach Hause. "Auch Trude hat Feierabend", sagt Schroth. Sie sei dann wie jeder andere Familienhund sehr verschmust und müde. Auf diese Weise gewöhnen sich die Spürnasen an ihre Herrchen. Und umgekehrt die Herrchen an ihre begabten Schützlinge. "Unsere Kollegen sind ja immer noch nicht ausgewachsen", erklärt Schroth.

Wie die Hunde lernen auch die Polizisten - schließlich haben die Beamten mit dem Projekt Neuland betreten. "So etwas hatte ja vorher noch keiner von uns gemacht", sagt Schroth. Deshalb holten sich die Hamburger Polizisten Hilfe von bayerischen Hundebesitzern und aus der Schweiz, um von der 15-jährigen Erfahrung der Hundeführer zu profitieren.

Wie es mit dem Projekt weitergeht, steht noch nicht fest. "In einem halben Jahr wollen wir uns deshalb noch einmal zusammensetzen", sagt Schroth. Bislang hatten die Hundeführer pro Woche gut zwei bis drei Einsätze, von denen allerdings noch keiner als Erfolg verbucht werden konnte. Das liege auch daran, dass in der Stadt viele andere Hundebesitzer nicht genügend Rücksicht auf die Spürnasen nehmen, merkt der 40-Jährige an. "Wenn wir einer Fährte folgen und andere Hunde nicht angeleint sind, ist das sehr ablenkend für unsere Tiere", beschreibt er die Problematik. "Ein paar Vermisste sind aber auch einfach wieder aufgetaucht."

Ihre speziellen Namen haben die Hunde übrigens ihrem Herkunftsort zu verdanken. Trudes, Beppos oder Liesls gibt es sonst wohl nur in Bayern.