Hamburg. Zwei Hauptgerichte zum Preis von einem oder ein kostenloser Aperitif? Die Gründer der App „NeoTaste“ haben das Gutscheinbuch weiterentwickelt und ins digitale Zeitalter übergeführt. Durch günstige Spardeals sollen Restaurant- oder Cafébesucher das kulinarische Angebot ihrer Stadt entdecken und die Gastronomen von neuer Kundschaft profitieren. Das Start-up kann sich über das rasante Wachstum ihrer Unternehmung freuen: In insgesamt 13 deutschen Großstädten ist „NeoTaste“ mittlerweile vertreten, und allein in Hamburg finden sich knapp 400 Deals teilnehmender Gastronomiebetriebe.
Restaurants Hamburg: Was die Rabatt-App kostet
Gutscheinbücher nutzen Gastronomen schon seit Jahrzehnten um Neukunden anzuwerben – mehr als fünf Millionen davon werden in Deutschland pro Jahr verkauft. Die Gründer von „NeoTaste“, Hendrik Sander und Tobias Düser, hielten diese Zettelwirtschaft allerdings für überholt. Sie erkannten die Idee, all das zu digitalisieren. Mit der Motivation einen Ort zu schaffen, wo Menschen mal wieder rausgehen und nicht nur in ihrer Stammkneipe abhängen, brachten die beiden die App im September 2021 in Hannover auf den Markt. Von dort aus konnten sich die Unternehmer schnell in weiteren Großstädten durchsetzen, seit kurzem auch in Hamburg.
In der App können die Nutzer die Restaurants in ihrer Umgebung – samt Fotos, Öffnungszeiten und Speisekarten – aufrufen. Um die Deals und Rabatte auf der interaktiven Stadtkarte freizuschalten, zahlt man monatlich 4,99 Euro, im Jahresabo sind es 2,99 Euro monatlich. Der Restaurant- oder Cafébesitzer hingegen zahlt keinen Cent, um auf der Karte angezeigt zu werden.
Nutzer haben dank der App im eigenen Viertel neue Cafés entdeckt
Obwohl Nutzer eigentlich gewohnt sind, Apps kostenfrei zu nutzen, halten die meisten das für einen fairen Deal. „Durch die App habe ich in meinem Viertel einige Cafés entdeckt, von denen ich bisher nichts wusste, und kann gleichzeitig für wenig Geld die Gastronomiebranche unterstützen“, sagt eine Nutzerin. Das bestätigen auch die durchgehend lobenden Rezensionen auf den Download-Plattformen von Apple und Android.
Die kostenlose Nutzung lohnt sich vor allem für solche Gastronomen, die geringe Einkaufs- und Produktionskosten haben. Einer davon ist Tristan Wagenbach, der das Eimsbütteler Café Third Room in Eigenregie betreibt. Er berichtet von etwa 40 bis 50 mehr Kunden, die pro Monat über die App zu ihm finden. „Wenn ich dieselbe Anzahl an Kunden über etablierte Werbekanäle wie Google Ads gewinnen möchte, müsste ich etwa 4 Euro pro Kunde einpreisen, das wären dann etwa 200 Euro“ rechnet er vor, da sei „NeoTaste“, wo er nur die Kaffeebohne und heißes Wasser zahlt, für ihn natürlich viel rentabler.
Nachteil: Auch Stammkunden zahlen nun teilweise weniger
Ihm ist allerdings auch schon aufgefallen, dass mehrere seiner Stammkunden, die sowieso kommen würden, Gutscheine einlösen. Da schade die App dann mehr als sie helfe. Und er gibt zu bedenken, dass sich die Gutscheinlösung kaum für Restaurants lohnen dürfte, denn die hohen Einkaufskosten bekomme man dann mit der App nicht refinanziert, vermutet er.
In der Tat steht das Gaststättengewerbe unter enormem Druck. Laut einer Umfrage des Deutschen Hotel- und Gaststätten-Bundesverbandes (Dehoga) liegt der Umsatz im Gaststättengewerbe immer noch unter dem Vorkrisenniveau im Jahr 2019. Zwar konnte sich die Branche im Vergleich zur akuten Pandemiephase deutlich erholen, dennoch kämpfen die Betriebe mit den steigenden Kosten, insbesondere den hohen Energie- und Lebensmittelpreisen. Daher bestehe grundsätzlich die Chance, über Tools wie „NeoTaste“ auf Angebote aufmerksam zu machen und neue Gäste zu gewinnen. Andererseits müssten die Gastronomen im Angesicht des hohen Kostendrucks genau kalkulieren, ob sich solche Deals für ihren Betrieb lohnen. „Da sei wenig Spielraum für Preisnachlässe“, sagt Pressesprecherin Stefanie Heckel.
Wie ein Gastronom im Portugiesenviertel das Angebot sieht
Diese Erfahrung hat auch Klaus Bothe, Betreiber des italienischen Restaurants Ciao Ana im Hamburger Portugiesenviertel, gemacht. Zuerst war er überrascht, wie viele Kunden über die App Angebote bei ihm nutzen. Vor allem im Winter, wenn die Tische bei ihm nicht besetzt sind, lohne sich das Tool für ihn sehr. Inzwischen hat er aber eine geteilte Meinung zu „NeoTaste“.
Denn wenn bei ihm im Sommer die Tische ohnehin bis zum Anschlag belegt sind und dann Kunden eine kostenlose Pizza und ein kostenloses Dessert beanspruchen, gehe er eher ins Minus, sagt er. Dennoch werde er die Sparangebote für sein Restaurant weiterlaufen lassen, denn es gehe hier ja vor allem um Marketing, das koste so oder so, meint er und sagt: „Einen Tod muss man eben sterben.“
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Und so verwundert es auch nicht, dass bei Nutzung der App an erster Stelle bekannte Systemgastronomen und Franchiseunternehmen als Suchergebnisse angezeigt werden. Etwa zehn Prozent der Teilnehmer sind Gaststätten wie Peter Pane, Hans im Glück oder Sausalitos – Unternehmen, die Kosten einfacher umlegen können und von besonders günstigen Verträgen mit „NeoTaste“ profitieren.
Restaurant Hamburg: App kann Werbung und Marketing ersetzen
Genau das ist für die Gründer wichtiger Bestandteil des Geschäftskonzepts, denn je größer das Angebot in der App sei, desto mehr Aufmerksamkeit lasse sich damit generieren, und so profitiere auch die Individualgastronomie, teilt das Unternehmen auf Anfrage des Abendblatts mit. Auch ansonsten sieht sich das Start-up nicht als Teil des Problems, sondern als Teil der Lösung.
Man sei sich der angespannten Lage der Branche bewusst, allerdings zeichne sich „NeoTaste“ gerade dadurch aus, dass Gastronomen im Vergleich zu anderen Marketing-Werkzeugen nur ihre eigenen Kosten tragen müssten. Sie könnten auf Verlosungen, Werbekampagnen und Ähnliches verzichten und rein mit der Qualität ihrer Produkte Neukunden gewinnen. Zudem sehe man keine Gefahr, dass Besucher oder Stammkunden das Angebot ausnutzen, denn die Spardeals und Gutscheine seien nur einmal einlösbar und dann je nach Entscheidung des Gastronomen für 90 oder 180 Tage gesperrt.
Kein Grund zur Sorge also für die Gründer, die ihr Konzept als Win-win-Situation für Kunden und Gastronomen bezeichnen. Die derzeitige Version von „NeoTaste“ ist für sie nur der Startschuss, in naher Zukunft soll man die App in jeder deutschen Großstadt nutzen können; und langfristig stelle man die Weichen in Richtung einer Full-Service-Plattform für die Gastronomie, so die Gründer.
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