Hamburg. Tech-Gigant kündigt beim OMR Festival Kooperation mit der Stadt an. Und Autor Sascha Lobo findet Künstliche Intelligenz wichtig.

Gleich und gleich gesellt sich gern: Das hätte man zumindest beim Anblick der 70.000 Besucherinnen und Besucher meinen können, die sich am Dienstagmorgen zum diesjährigen OMR-Festival begaben. In einem inoffiziellen Dresscode von weißen Turnschuhen, magentafarbenen Hosenanzügen und schwarzen Schlüsselbändern mit bunten OMR-Elementen um den Hals behangen, machten sich am Dienstag Zehntausende überwiegend per Bus und Bahn auf den Weg zu „der Messe für das digitale Universum“, um vor allem eines zu finden. Ja, was eigentlich?

Bei einem Ticketpreis von 400 Euro und Hotelzimmerpreisen von gut und gerne 1000 Euro pro Nacht, kann man sich schon mal fragen, was genau die, wie der Publizist und Autor Sascha Lobo sie nannte, „komplette deutsche Kommunikationsbranche“ eigentlich nach Hamburg lockt.

Hört man aber einigen der insgesamt 1000 Ausstellern aus der Digitalwirtschaft zu und schaut sich an wie Tausende in die sogenannte „Conference Hall“ (Konferenzhalle) strömen, um Menschen wie Sascha Lobo auf einer der größten Bühnen Europas vor fünf riesigen Bildschirmen über einen deutschen „KI-Ruck“ philosophieren zu hören, ergibt sich die Antwort fast von allein.

OMR Festival: 70.000 Besucher in Hamburg

„Wir müssen schauen, wie wir die veränderten Bedürfnisse unserer Kundinnen und Kunden erfüllen können und online mit offline verknüpfen“, sagt etwa Valentina Wehr, Sprecherin der Baumarktkette Obi, die in diesem Jahr das erste Mal auf dem Festival vertreten ist.

Obi findet seine Antwort aktuell darauf etwa durch eine digitale Plattform namens „Hey Obi“, mit der Kundinnen und Kunden ihren Einkauf bereits online tätigen können und die Produkte anschließend nur noch in einem Obi-Markt ihrer Wahl abholen müssen. Ebenso biete die Baumarktkette bereits digitale Beratung per App für die Gartenplanung an. Und das kommt offenbar gut an: „Fünfzig Prozent aller Kundinnen und Kunden nutzen dieses Angebot bereits“, sagt Wehr.

Wie online mit offline verknüpfen und dabei das bestmögliche für alle herausholen? Das fragt sich auch der Techgigant Google, der mit seiner deutschen Zentrale in Hamburg sitzt und auf dem Festival die Nachricht verkündete, den Hamburger Straßenverkehr mit seinem Projekt „Greenlight“ entlasten zu wollen.

Mithilfe eines KI-Tools, das Fahrtrends an ausgewählten Kreuzungen misst und Empfehlungen entwickelt, um das Timing von Ampelschaltungen zu optimieren, will der Techgigant in Zusammenarbeit mit der Behörde für Verkehr und Mobilitätswende ab sofort den sogenannten Stop-and-Go-Verkehr reduzieren. Konkret übermittelt Google hierfür Daten seiner Navigationsapp „Maps“ anonymisiert an die Behörde.

OMR Festival: Google mit Innovation für Hamburg

Doch bei allen Vorteilen, welche die digitale Welt bietet: Wie umgehen mit realen Risiken und welche Gefahren drohen durch Digitalisierung und KI überhaupt? Autor und Publizist Sascha Lobo plädierte „für das Gute zu kämpfen“ und eine KI-Revolution in Deutschland anzustoßen, da das Schlechte sich ohnehin immer „ganz von allein“ entwickle.

Lobo zufolge habe sich die deutsche Wirtschaft „viel zu lange“ ausgeruht und sich gegen neue digitale Entwicklungen wie etwa den Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) immun gezeigt. Das werde sich rächen, werde die digitale Revolution in deutschen Unternehmen nicht massiv vorangetrieben, mahnte Lobo.

„Ich glaube, wir befinden uns mit der Digitalisierung und der Entwicklung von KI bereits in einer neuen Epoche gemäß der Größenordnung der Industrialisierung.“ Wolle Deutschland noch hinterherkommen und nicht komplett von Ländern wie etwa China, das im Gegensatz zu Deutschland und den USA bereits massenhaft über Nutzerdaten aus allen erdenklichen Bereichen verfüge, abgehängt werden, seien es nun die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Kommunikationsbranche die diese Entwicklung vorantreiben müssen.

„Ihr müsst die KI-Transformation in die Unternehmen bringen. Wer soll es sonst tun?“, sagte Lobo. Dass dies klappen könne, habe sich bereits durch die Nutzung von Social Media gezeigt. Deutschland und Europa stünde sich vor allem mit der Handhabung beim Thema Datenschutz oftmals selbst im Weg. Lobo habe deshalb auch bereits einem seiner beiden Kinder mit gerade einmal 18 Monaten ein Handy geschenkt.

OMR Festival: Sascha Lobo spricht über KI

Dass das Thema Sicherheit im Internet aber dennoch eine wichtige Rolle spielt, thematisierte die Video-Sharing-App TikTok, die durch ihren Umgang mit dem Thema Datenschutz in der Kritik steht. Mithilfe digitaler Screens konnten Besucherinnen und Besucher ihr Wissen über die Handhabe von Datenschutz am Stand des Ausstellers testen und ebenso live mitverfolgen, welche aktuellen Videotrends gerade viral gehen.

Mit dem Hashtag „booktok“ lägen vor allem Buchbesprechungen sowie Kochvideos hoch im Kurs, so TikTok-Sprecherin Andrea Rungg. Doch neben der Entertainmentbranche entdeckten auch immer mehr Unternehmen die App für ihre Fachkräftegewinnung. So etwa die Supermarktkette Edeka oder kleinere Sparkassen, die mehr Aufmerksamkeit suchten. Auf lange Sicht, so Rungg, wolle der Konzern jedoch eine Entertainmentplattform bleiben.

Auch Jonas Andrulis vom Software-Entwickler Aleph Alpha setzte sich vor dem OMR-Publikum mit der Zukunft der Künstlichen Intelligenz (KI) auseinander und wagte einen Blick in die Zukunft: „Allgemeine Intelligenz hat keine Obergrenze“, sagte er.

Sie höre künftig nicht länger bei der menschlichen Intelligenz auf. KI könne eines Tages noch nicht ausgesprochene Texte immer besser voraussagen und vorschreiben. In den nächsten 50 Jahren würden wir in unserem Tun nicht mehr allein durch menschliche Fähigkeiten gebremst. Bisher seien Innovationen allein durch den menschlichen Verstand getrieben. Das werde KI ändern.

Fritz-Kola-Gründer beim OMR Festival

Auf der großen Konferenzbühne gab sich am späten Nachmittag die Sängerin, Autorin und Werbevideo-Produzentin Katja Krasavice die Ehre. Die 26-Jährige, die jüngst einem breiten TV-Publikum durch ihre Jury-Tätigkeit bei der RTL-Show „Deutschland sucht den Superstar“ bekannt wurde, stellte sich den Fragen von TV-Moderator Kai Pflaume.

Sie sprach offen darüber, wie ungewohnt und unangenehm es für sie als junger Online-Star anfangs war, ständig heimlich von Fans fotografiert zu werden. Doch mittlerweile habe sie einen anderen Blick darauf: „Ich habe mir diesen Weg ausgesucht. Und ich muss für das Interesse der Menschen an meiner Person dankbar sein“, sagte sie. Das gehöre einfach dazu.

Zugleich verwies Krasavice, die mit der Sängerin Elif den erfolgreichen Pop-Song „Highway“ veröffentlicht hat, auf ihre nächste Tour. Leider sei ihre erste Tournee durch die Corona-Pandemie unterbrochen worden. Nun werde sie aber zum neuen Album wieder eine Tour machen. „Und da werden wir auf die Kacke hauen.“

Dass die Marketingbranche sich immer mehr mit dem Thema Verantwortung auseinandersetzen muss, wird Fritz-Kola Gründer und OMR-Sponsor Mirko Wiegert am Mittwoch in einer sogenannten „Masterclass“ thematisieren. Über „Haltung im Marketing“ wird Wiegert als Experte darüber sprechen, inwiefern Unternehmen geschäftliche Interessen und gesellschaftliches Engagement zusammenbringen können und was es dazu bedarf. Auch Fritz-Kola arbeite kontinuierlich an seiner Tech-Strategie und beschäftige mittlerweile sechs Mitarbeiter in einem sogenannten „Tech Team“. Das OMR Festival zu unterstützen, und „nativer Teil dieser Umgebung zu sein“, sei für Wiegert als Hamburger Unternehmen darüber hinaus unabdingbar.

Als weiterer Redner tritt am Mittwoch zudem Boris Becker auf, der 1999 mit der Kampagne „Bin ich schon drin?“ für den einfachen Zugang zum Internet warb.