Hamburg. Acht Menschen wurden bei dem Amoklauf in Alsterdorf getötet. Schilder, Kerzen und Blumenmeer am Tatort. Die Entwicklungen.

"Es ist eine grauenvolle Tat – und es ist eine grausame Tat“, sagt Hamburgs Innensenator Andy Grote (SPD) zu dem Amoklauf, der am Donnerstagabend in Alsterdorf stattgefunden hatte. Im Königreichssaal der Zeugen Jehovas an der Deelböge sind sieben Personen von dem mutmaßlichen Schützen Philipp F., einem ehemaligen Mitglied der Gemeinde, getötet worden – darunter auch ein sieben Monate alter Fötus. Der Amokläufer erschoss sich anschließend selbst.

Weitere acht Menschen wurden bei der Tat teils lebensgefährlich verletzt. Als Extremist war der 35-jährige Philipp F. nach Angaben aus Sicherheitskreisen nicht bekannt. Seit dem 12. Dezember sei er im legalen Besitz einer halbautomatischen Pistole gewesen, sagte Polizeipräsident Ralf Martin Meyer. Dabei habe es sich um die Tatwaffe gehandelt. Der Amoktäter hatte insgesamt mehr als 100 Mal geschossen.

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Amoklauf: Bischöfin Fehrs betet für die Opfer von Alsterdorf

Die evangelische Bischöfin Kirsten Fehrs hat am Sonntagvormittag während des Gottesdienstes im Lübecker Dom Fürbitte für die Opfer des Amoklaufs im Alsterdorfer Gemeindehaus der Zeugen Jehovas gehalten. „Tief erschüttert stehen wir vor den Ereignissen am vergangenen Donnerstag in Hamburg. Trauer und Schmerz, Klage und Entsetzen – all das bewegt uns zutiefst“, sagte die Bischöfin im Sprengel Hamburg und Lübeck. „Voller Mitgefühl denken wir an all jene, die in der Tatnacht ihre Lieben verloren haben“, sagte Fehrs.

Die Hamburger Bischöfin Kirsten Fehrs betet für die Opfer des Amoklaufs von Alsterdorf.
Die Hamburger Bischöfin Kirsten Fehrs betet für die Opfer des Amoklaufs von Alsterdorf. © Daniel Bockwoldt/dpa/Archivbild

Neben den Opfern schloss sie auch deren Angehörige und Freunde in ihr Gebet ein sowie jene, die durch die Gewalttat an Leib und Seele verletzt wurden. Fehrs sprach von einem „lebenszerstörenden Hass“, der sich Bahn gebrochen habe. Ebenfalls in ihre Fürbitte schloss die Bischöfin jene Menschen ein, die nach dem Anschlag geholfen und getröstet haben: Polizei und Feuerwehr, Kriseninterventionsteams und Notfallseelsorger.

Nach Amoklauf: Linke fordert Aufklärung vom Senat

Nach der Amoktat fordert die Linke Aufklärung vom Hamburger Senat. Der Senat müsse den Innenausschuss über offene Fragen in Bezug auf den Amoklauf vollständig aufklären, sagte Deniz Celik, innenpolitischer Sprecher der Linksfraktion in der Hamburgischen Bürgerschaft, in einer am Sonntag verbreiteten Mitteilung.

„Nach den neuesten Erkenntnissen muss die Frage, ob der Amoklauf hätte verhindert werden können, neu gestellt werden. Die auf der Homepage und im Buch vertretenen kruden Thesen zeichnen das Bild eines wirren, religiösen Extremisten“, sagte Celik. Da zum Zeitpunkt des anonymen Hinweises Informationen über den Täter öffentlich zugänglich waren, hätte eine Prüfung durch die Waffenbehörde zu dem Ergebnis führen müssen, dass erhebliche Bedenken gegen die persönliche Eignung von Philipp F. zum Besitz einer Waffe vorliegen, erläuterte der Oppositionspolitiker.

Deniz Celik, innenpolitischer Sprecher der Linksfraktion in der Hamburgischen Bürgerschaft.
Deniz Celik, innenpolitischer Sprecher der Linksfraktion in der Hamburgischen Bürgerschaft. © picture alliance/dpa | Daniel Bockwoldt

Hamburgs Polizeipräsident Ralf Martin Meyer hatte am Freitag bei einer Pressekonferenz gesagt, im Januar habe ein anonymer Hinweisgeber die Waffenbehörde auf die „besondere Wut auf religiöse Anhänger, besonders gegenüber den Zeugen Jehovas“ von Philipp F. aufmerksam gemacht. Nur einen Monat vor dem Hinweis hatte der 35-Jährige die Waffenbesitzkarte erhalten und sich eine halbautomatische Pistole gekauft. Der Tippgeber aus dem Januar sorgte sich offenbar, befürchtete eine psychische Erkrankung.

„Trauer und Wut“: Schilder, Kerzen und Blumenmeer am Tatort

Vor dem Königreichssaal der Zeugen Jehovas an der Deelböge erinnern am Sonnabendmittag viele Kerzen an den schrecklichen Amoklauf. Außerdem wurden Blumen, Kuscheltiere und Schilder mit Aufschriften wie "Groß Borstel trauert mit euch" oder "Trauer und Wut über das fehlende Waffenverbot" vor dem Zaun des Gebäudes abgelegt.

Blumen, Kerzen und Kuscheltiere erinnern vor dem Gebäude der Zeugen Jehovas an den schrecklichen Amoklauf.
Blumen, Kerzen und Kuscheltiere erinnern vor dem Gebäude der Zeugen Jehovas an den schrecklichen Amoklauf. © Marcelo Hernandez / FUNKE Foto Services

Nach Amoklauf: Stiftungen warnen vor Spekulationen zum Tatmotiv

Nach dem Amoklauf in Hamburg haben zwei Stiftungen ihre Solidarität mit den angegriffenen Zeugen Jehovas bekundet. Zugleich warnten sie davor, über einen Zusammenhang zwischen der Glaubensgemeinschaft und den Motiven des Täters zu spekulieren. Die Opfer dürften nicht zur Erklärung der Taten eines Verbrechers missbraucht werden, erklärten die Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas und die Arnold-Liebster-Stiftung am Sonnabend gemeinsam in Berlin.

Bei Jehovas Zeugen handle es sich um eine friedliebende, der Gewaltlosigkeit verpflichtete christliche Gemeinschaft, für die Antirassismus seit Jahrzehnten gelebte Wirklichkeit sei, heißt es in der Stellungnahme: „Es verbietet sich, dieses schreckliche Verbrechen als Anlass für vorurteilsbeladene Berichterstattung oder Kommentare über Jehovas Zeugen zu missbrauchen.“

Die Ermittlungen müssten abgewartet und die Würde der Opfer gewahrt werden, betonten die Stiftungen. Politik, Gesellschaft und Medien in Deutschland hätten eine historische Verantwortung gegenüber Jehovas Zeugen. Angesichts der Amoktat mit mehreren Toten dürften sich jahrzehntelang gepflegte Vorurteile nicht Bahn brechen.

Ministerium: Kein Eintrag zu Drogendelikten bei Hamburger Amoktäter

Bei dem Amoktäter von Hamburg gibt es laut bayerischem Innenministerium keine Hinweise auf eine frühere Drogenauffälligkeit. Das teilte ein Sprecher des Ministeriums am Sonnabend auf mit.

Es gebe keinen entsprechenden Eintrag bezüglich Drogendelikten. Zuvor hatte es Berichte über einen möglichen Drogenmissbrauch von Philipp F. in der Vergangenheit gegeben. Der 35-Jährige stammt aus Memmingen in Bayern.

Amoklauf in Hamburg: Vier Opfer schweben weiterhin in Lebensgefahr

Zu der Amoktat in Hamburg-Alsterdorf bei den Zeugen Jehovas hat es zunächst keine neuen Informationen zum Zustand der Verletzten oder der Tat gegeben. Zuletzt waren acht Menschen verletzt, vier von ihnen schwebten in Lebensgefahr, wie die Polizei Hamburg am Sonnabend mitteilte. Bei dem Amoklauf am Donnerstagabend erschoss der 35-jährige Philipp F. acht Menschen, darunter sich selbst.

Faeser will Entwurf zum Waffenrecht noch einmal auf Lücken prüfen

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) will nach der Amoktat von Hamburg den Entwurf zur Änderung des Waffengesetzes noch einmal prüfen. Man müsse sicherlich noch mal „an das Gesetz gehen und schauen“, ob es noch Lücken gebe, sagte sie am Freitag den ARD-„Tagesthemen“.

Im Waffengesetz solle beim Antrag auf eine Waffenbesitzkarte künftig überprüft werden, „ob jemand psychologisch geeignet ist“. Dazu brauche man mit den Gesundheitsbehörden eine Überprüfung, so Faeser. „Wir wollen vor allen Dingen eine bessere Vernetzung zwischen den Behörden.“ Das sei zum Beispiel bei einem Wohnortwechsel wichtig.

Bei der ersten Erteilung einer solchen Karte solle es ein ärztliches Attest geben. Alle Sportschützen in Deutschland ohne Hinweise regelmäßig zu untersuchen, wäre aus Faesers Sicht aber sehr schwierig. „Es sollte natürlich in Maßnahmen auch verhältnismäßig sein.“ Die furchtbare Tat in Hamburg zeige aber, wie notwendig Änderungen im Waffengesetz seien.

Tschentscher spricht von "größter Trauer und Entsetzen"

Nach der Amoktat hat Hamburgs Erster Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) von „größter Trauer und Entsetzen“ gesprochen. Gemeinsam mit der Zweiten Bürgermeisterin Katharina Fegebank (Grüne) und Innensenator Andy Grote besuchte er am Freitagabend den Tatort und legte einen Kranz nieder. Sie verweilten still in einer Schweigeminute. „Persönlich, im Namen des Senats, im Namen der Bürgerinnen und Bürger unserer Stadt, spreche ich den Angehörigen der Opfer unser tiefes Mitgefühl und unser Beileid aus“, sagte Tschentscher anschließend.

Wegen des schrecklichen Vorfalls hatte der Bürgermeister seinen Urlaub abgebrochen und war am Freitag aus Österreich eingeflogen.

Amoklauf in Hamburg – Nancy Faeser: „Es ist kaum in Worte zu fassen"

Am Freitagnachmittag sprach Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) den Angehörigen und Freunden der Opfer bei einem Besuch am Tatort das tief empfundene Mitgefühl der Bundesregierung aus. „Es ist kaum in Worte zu fassen, was hier Furchtbares passiert ist. Was ein Täter mit dieser Amoktat anrichten konnte, ist wirklich grauenvoll.“ Sie sei tief bewegt, sagte die Ministerin. Sie kündigte an, den Entwurf zur Verschärfung des Waffengesetzes noch einmal auf Lücken zu prüfen.

Video: Pressekonferenz nach tödlichen Schüssen in Hamburg-Alsterdorf

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