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Richtig ausmisten: Expertin gibt Tipps gegen Chaos im Keller

| Lesedauer: 8 Minuten
Regina Weber hilft ihren Kunden seit 2017 als „Ordnungskomplizin“ beim Aufräumen – und hat schon zahlreiche Keller ausgemistet.

Regina Weber hilft ihren Kunden seit 2017 als „Ordnungskomplizin“ beim Aufräumen – und hat schon zahlreiche Keller ausgemistet.

Foto: Roland Magunia

Ordnungscoach Regina Weber kennt einfache Tricks und weiß, welche Frage beim nervigen Aufräumen Wunder bewirkt.

Hamburg.  Es gibt Reflexe, die für einen ordentlichen Haushalt tödlich sein können. Dieser Satz zum Beispiel: „Das kann erstmal in den Keller.“ Regina Weber weiß, was daraus am Ende werden kann: Eine Rumpelkammer, vollgestopft mit Dingen, die ohnehin nie jemand haben wollte oder schon lang nicht mehr braucht.

„Grundsätzlich ist ein Keller natürlich dafür da, Dinge zu lagern, die im Wohnraum keinen Platz haben“, sagt Aufräumexpertin Weber, die sich 2017 als „Ordnungskomplizin“ selbstständig gemacht hat. Wenn ein Teil davon garantiert wieder gebraucht werde, so wie beispielsweise das Fondue-Set jedes Jahr zu Silvester, mache der Satz vollkommen Sinn. Oder für Dinge, die schon auf einer Verkaufs- oder Verschenkeplattform angeboten würden und bald wegkommen sollen.

Aufräumen: Chaos im Keller – die besten Tipps zum Ausmisten

„Für alles andere kann dieser Satz zum ,Kellerdesaster’ führen: Vollgestopft bis oben hin, und das, was tatsächlich noch gebraucht wird, verschwindet in der Masse der Dinge“, sagt die 53-Jährige. „Ich sehe den Stauraum in Keller, Garage und auf dem Dachboden als erweiterten Wohnraum – und wenn dieser verschlackt ist, fühlt es sich ähnlich unangenehm an wie in den Wohnräumen.“

Doch gerade diese Extra-Räume, in denen man sich nicht permanent aufhält, laufen eben besondere Gefahr, zu überdimensionierten Abstellkammern zu verkommen. Regina Weber kennt die Leichen, die so viele im Keller (oder auf dem Dachboden) haben: ausgemusterte Koffer, Gehhilfen, seit Jahren nicht ausgepackte Kisten mit geerbten, aber ungeliebten Dingen, Blumenübertöpfe, Farbreste.

Aufräumcoach Regina Weber ordnet Haushalt ihrer Kunden

In nicht nur für das Auto genutzten Garagen finde sie vor allem nicht mehr oder noch nie benutzte Sportgeräte, alte und kaputte Fahrräder und Felgen. Bei älteren Kunden auch gerne: Kisten mit Dingen der Kinder, die schon vor 20 Jahren ausgezogen sind, die sie aber nicht in ihrer eigenen Wohnung haben wollen.

Regina Weber kümmert sich als Aufräumcoach um den gesamten Haushalt, auf Wunsch ihrer Kunden geht sie von Küche bis Keller alles gemeinsam durch. Für das Abendblatt gibt sie aber speziell Tipps für diese Räume, in denen sich die Dinge sprichwörtlich bis unter die Decke stapeln können – und wo es vielen Menschen besonders schwer fällt, für Ordnung zu sorgen. Denn selbst, wenn man sich überwunden hat, hier auszumisten, wartet ja noch ein anderer fataler Satz: „Vielleicht brauche ich das doch noch mal“.

Wer ausmisten will, sollte sich entscheidende Frage stellen

„Ich würde diesen Satz immer mit folgender Frage ersetzen: ,Wie wahrscheinlich ist es, dass ich das Ding in den nächsten drei Jahren benutze?’, sagt Regina Weber, die ursprünglich Hotelfachfrau gelernt, als Geschäftsführerassistenz in verschiedenen Branchen gearbeitet und nach der Geburt ihres zweiten Kindes ein Fernstudium im Bereich Raumausstattung und Innenarchitektur absolviert hat.

Drei Jahre seien für die meisten Dinge ein großzügig bemessener Zeitraum, der je nach Kategorie auch verkürzt oder verlängert werden könne. „Da ist schonungslose Ehrlichkeit mit sich selbst gefragt“, sagt die Expertin. „Wenn man schon das dritte Jahr in Folge nicht Ski gefahren ist, weil der Rest der Familie lieber in die Sonne fährt, dann ist die Skiausrüstung eventuell überflüssig.“ Falls man sich doch wieder für einen Skiurlaub entscheide, gefalle der Skianzug ohnehin nicht mehr und die Skier seien technisch überholt.

Gerade in Kellern, Garagen und auf Dachböden würden wir Dinge horten, weil wir uns vornehmen, etwas zu tun, was zu unserem idealen Selbstbild führen würde: den Hula-Hoop Reifen für die schlanke Taille, die Surfausrüstung für den jugendlichen Touch, die Literaturklassiker fürs intellektuelle Image. Aber all diese Dinge lebten nur von ihrer Benutzung, so Regina Weber. Sie bestärke ihre Kunden darin, sich selbst so zu akzeptieren, wie sie sind. Und loszulassen. Die allermeisten Dinge seien ja auch leicht wiederzubeschaffen und würden auf Verkaufsplattformen kein Vermögen kosten.

Tipp vom Profi: Jedes Teil in die Hand nehmen

Grundsätzlich gehe es aber auch darum, achtsamer zu konsumieren. Die meisten ihrer bislang mehr als 100 Kunden hätten zu viel Besitz gehabt. „Manche verlieren dabei den Überblick und kaufen Sachen neu, die sie eigentlich schon besitzen, aber nicht finden“, sagt Weber. „Meist denken sie über den Kauf neuer Schränke und Regale nach – nach unserer Zusammenarbeit ist ohne Neuanschaffung sogar noch freie Schrankfläche übrig.“

Aber wie geht man einen vollgestellten Keller am besten an? „Wenn es räumlich möglich ist, alles komplett ausräumen und dann nur wieder einräumen, was wirklich benötigt wird“, sagt Ordnungsprofi Weber. „Jedes Teil dabei in die Hand zu nehmen erleichtert die Entscheidung.“ Dabei solle man sich oben erwähnte Drei-Jahres-Frage stellen.

Und zusätzlich nach folgender Devise entscheiden: Würde ich dieses Ding zum jetzigen Zeitpunkt genau so wie es ist wieder kaufen? Wenn nicht, passe es nicht mehr ins Leben, so Weber, die dazu rät, Aussortiertes schnellstmöglich zu verschenken oder zu spenden. „Verkaufen dauert fast immer lange, und der ersehnte Erfolg eines aufgeräumten Raumes lässt damit auf sich warten.“

Schöne Souterrainzimmer verkommen als Abstellkammer

Und diesen könne man – abhängig von den räumlichen Gegebenheiten – so viel besser nutzen, als ihn vollzumüllen: als Bastel-, Gäste- oder Yogazimmer zum Beispiel. „In meinem Altbaukeller wäre nichts davon umzusetzen, aber ich sehe manchmal die schönsten Souterrainzimmer, die als Abstellkammer fungieren, was natürlich schade ist“, sagt die Eppendorferin.

Jetzt darf man nur nicht wieder schwach werden, siehe eingangs erwähnter Reflex. „Ohne regelmäßige Zuwendung ist das leider nicht zu schaffen“, weiß Regina Weber, die ihr Coaching-Honorar individuell nach Aufwand berechnet. „Einmal im Jahr sollte man die Regale durchgehen und sich die Drei-Jahres-Frage stellen.“ Und: Nichts in den Keller oder Dachboden räumen, was man nicht später wieder verwenden möchte. Dinge nur zu behalten, weil sie mal teuer waren, mache uns zu Sklaven unseren Besitzes.

Wer keinen Keller hat, ist sogar im Vorteil

Helfen können auch die richtigen Stauraumsysteme: Stabile, höhenverstellbare Regale sind laut der Ordnungsexpertin ein Muss für einen Abstellraum, der Spaß machen soll. Möglichst mit einer Tiefe von rund 50 Zentimetern, um auch größere Kartons gut drin verstauen zu können. Um Dinge vor Verschmutzung zu schützen, seien Boxen mit Deckel die beste Wahl. Darin sollten die Dinge immer nach Kategorien sortiert werden, wie zum Beispiel Weihnachtsdeko, Fahrradzubehör, Gartenparty oder Campingausstattung.

Und was tun alle, die weder Keller noch Dachboden oder Garage haben? Wohin dann mit Koffern, Gartenmöbeln und Werkzeug? Regina Weber stellt zunächst klar: „Mangelnder Stauraum bewahrt einen davor, zu viele Dinge aufzubewahren. Ist also ordnungstechnisch gesehen ein Vor- und kein Nachteil.“

Allen Kellerlosen rät sie, den Raum unter dem Bett, dem Sofa oder dem Couchtisch als Stauraum nutzen und zu gucken, ob in Nischen zusätzliche Regale oder im Flur sogar ein Kofferboden eingezogen werden könne. Bei Koffern sollten immer Modelle gewählt werden, die ineinander passen. Gartenmöbel sollten wetterfest sein, sodass sie das ganze Jahr über draußen stehen können.

Tipp von Aufräumcoach Weber aus Hamburg: Lieber leihen als besitzen

Für Werkzeug könne man ein Schrankfach im Wohn- oder Schlafzimmer frei machen – grundsätzlich biete es sich aber an, nur das Allernötigste vorrätig zu haben und sich Geräte wie die Bohrmaschine lieber auszuleihen. „Im Ausnahmefall kann man auch einen Lagerraum anmieten“, sagt Weber. „Das gilt aber nur für Dinge wie Omas Küchenbuffet, dass unbedingt später im Familienheim stehen soll, aber in der Studentenbude keinen Platz hat.“

Weitere Informationen: ordnungskomplizin.de

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