Universitätsklinikum Eppendorf

UKE ehrt eine Hamburger Pionierin der Wissenschaft

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Rahel Liebeschütz-Plaut (1894–1993) als junge Frau.

Rahel Liebeschütz-Plaut (1894–1993) als junge Frau.

Foto: Johndhall CC BY-SA

Ein Hörsaaal wird nach der jüdischer Wissenschaftlerin Rahel Liebeschütz-Plaut benannt. Dafür reisen auch Angehörige aus England an.

Hamburg. Sie war eine Pionierin der Wissenschaft in Hamburg, und nun kommt ihr endlich die hoch verdiente Ehrung zu: Im kommenden Februar wird der Hörsaal der Physiologie des Universitätsklinikums Eppendorf (UKE) im Rahmen einer Feierstunde offiziell nach Rahel Liebeschütz-Plaut (1894 bis 1993) benannt. Das Besondere: Die Hörsaal-Benennung wird am 23. Februar 2023 erfolgen – auf den Tag genau 100 Jahre nach der Antrittsvorlesung der damaligen Rahel Plaut.

Wie Prof. Philipp Osten, Direktor des Medizinhistorischen Museums Hamburg, dem Abendblatt sagte, werden voraussichtlich 20 Familienmitglieder aus Großbritannien anreisen, um bei der Ehrung dabei zu sein.

UKE: Ärztin Plaut erste habilitierte Frau in Hamburg

Die aus einer wohlhabenden Familie stammende 29 Jahre alte Ärztin Plaut hatte ihre Antrittsvorlesung im damals neuen Gebäude der Pathologie gehalten. Sie war die erste und für viele Jahrzehnte einzige habilitierte Frau an der medizinischen Fakultät Hamburg und erst die dritte habilitierte Ärztin überhaupt in Deutschland. Die schriftliche Einladung zu dem Vortrag hat die Stürme der Zeit überstanden. Darin wurde angekündigt: Am 23. Februar 1923 „vorm. 9 ¼ Uhr“ spricht „Fräulein Rahel Plaut aus Leipzig“ zum Thema „Die Wärmeregulation bei Mensch und Tier“.

Doch Anerkennung und kollegiale Unterstützung währten nicht lange. Die Jüdin Rahel Plaut wurde ein Jahr nach ihrer Antrittsvorlesung entlassen, als sie den Lehrer Hans Liebeschütz heiratete. Das geschah aber (noch) nicht aufgrund ihrer Abstammung, sondern weil damals ein sogenannter Doppelverdiener-Paragraf verheirateten Frauen die Anstellung im Staatsdienst verbot.

Liebeschütz-Plaut arbeitete unentgeltlich weiter

Sie arbeitete zunächst unentgeltlich weiter am Physiologischen Institut. Nachdem ihr 1933 nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten die Lehrerlaubnis dann ganz entzogen worden war, gab Liebeschütz-Plaut einige Zeit Unterricht in Physiologie und Pathologie an einer jüdischen Hauswirtschaftsschule sowie am Israelitischen Krankenhaus. Sie musste sich während dieser Zeit „Heilerin“ nennen und emigrierte schließlich 1938 mit ihrer Familie nach England. Anrührend: In Liverpool lebte die Familie in einem Haus, welches das Ehepaar Liebeschütz nach seiner verlorenen Hamburger Heimat „Dockenhuden“ benannte.

Im Alter von 85 Jahren schrieb Rahel Liebeschütz-Plaut für Kinder und Enkelkinder ihre Erinnerungen an die Jahre 1932 bis 1938 auf. Diese sind heute Teil der sehr lesenswerten, von der Medizinerin Doris Fischer-Radizi verfassten Biografie­ „Vertrieben aus Hamburg. Die Ärztin Rahel Liebeschütz-Plaut“. Darin schildert die Autorin anschaulich auch den Alltag der Familie Plaut, die in Harvestehude und dem damaligen Dockenhuden lebte.

UKE: Liebeschütz-Plaut war Ehrengast bei Feier

Im Gegensatz zu vielen anderen Verfolgten hat Rahel Liebeschütz-Plaut ihre Rehabilitierung noch miterlebt: Im Jahr 1989 war sie im Alter von 95 Jahren Ehrengast bei der Feier zum 100-jährigen Bestehen des UKE. Der Hörsaal, in dem sie einst ihre Antrittsvorlesung hielt, war 1923 – der Not der Zeit geschuldet – eine Bauruine, die wegen ihrer kahlen Fensterhöhlen „Kolosseum“ genannt wurde. Die Zuhörer saßen im ungeheizten Raum auf Gartenbänken.

Erst 1926 wurde das Gebäude offiziell eingeweiht – heute beherbergt es Biochemie, Pharmakologie und das Medizinhistorische Museum Hamburg. Im Hörsaal erinnert eine kleine Namensplakette an einem Sitzplatz in der zweiten Reihe an Liebeschütz-Plaut. Als der Raum renoviert wurde, hatten sich Mitglieder ihre Familie mit einer aus Großbritannien übersandten Spende als Stuhlpaten beteiligt. Außerdem trägt das Rahel-Liebeschütz-Plaut-Mentoringprogramm des UKE den Namen der Wissenschaftlerin.

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