Putin droht mit Atomkrieg

Jodtabletten: Wann sie helfen und wann sie gefährlich werden

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Jodtabletten, die bei einer atomaren Bedrohung verabreicht werden, sind um ein Vielfaches höher dosiert als die gängigen Jodtabletten in der Apotheke (Symbolbild).

Jodtabletten, die bei einer atomaren Bedrohung verabreicht werden, sind um ein Vielfaches höher dosiert als die gängigen Jodtabletten in der Apotheke (Symbolbild).

Foto: IMAGO / AFLO

Auch in Hamburg fürchten Menschen eine atomare Bedrohung und fragen nach Jodtabletten. Ein Arzt und ein Apotheker geben Antworten.

  • Fragen nach Jodtabletten häufen sich nun bei Ärzten
  • Vorrat an notwendigen Medikamente sollte für 14 Tage reichen
  • Welche Medikamente in die Hausapotheke gehören

Putins Krieg gegen die Ukraine sorgt auch bei den Hamburgern für Verunsicherung und Angst vor einer atomaren Bedrohung. Das zeigen Fragen von Patienten in der ärztlichen Sprechstunde und von Kunden in Apotheken. So berichtet Prof. Volker Fendrich, Ärztlicher Direktor der Schön Klinik Hamburg Eilbek und Chefarzt der Abteilung Endokrine Chirurgie, dass er in seiner wöchentlichen Sprechstunde von Patienten gefragt wurde, ob sie jetzt Jod einnehmen sollten, um im Falle einer atomaren Bedrohung ihre Schilddrüse vor Krebs zu schützen.

Die Einnahme von Jodtabletten bei einer atomaren Bedrohung soll dafür sorgen, dass die Schilddrüse so gut mit Jod versorgt ist, dass sich dort kein radioaktives Jod mehr einlagern kann.

Ukraine: Gängige Jodtabletten helfen nicht bei Gefahr von Strahlenschäden

Der Schilddrüsenspezialist erklärte seinen Patientinnen, dass es keinen Sinn ergebe, bereits Tage oder Wochen vor einer solchen möglichen Katastrophe Jodtabletten zu nehmen. "Die Einnahme macht nur Sinn innerhalb eines Radius von 100 Kilometern um den Auslöser der Bedrohung", sagt Fendrich. In diesem Radius werden die Tabletten von der Bundesregierung über Notfallpläne verteilt. In einem weiteren Radius haben die Tabletten laut Fendrich keinen Nutzen mehr.

"Dazu muss man allerdings sagen, dass die gängigen Jodtabletten in solchen Fällen nicht helfen. Um eine Wirkung zu erreichen, müsste man mehr als die 1000-fache Dosis einnehmen", sagt der Chef der Hamburger Apothekerkammer, Kai-Peter Siemsen. In seiner Apotheke in Eilbek gibt es täglich etwa vier bis fünf Anfragen von Kunden zu Jodtabletten.

Hochdosierte Jodtabletten nur bis Alter von 45 Jahren empfohlen

Die hochdosierten Jodtabletten werden auch nur für Menschen bis zum Alter von 45 Jahren empfohlen. Das hat zwei Gründe: "Die Schilddrüse ist bei Menschen über 45 weniger sensibel für radioaktive Strahlung", sagt Fendrich. Das habe sich auch nach der Katastrophe von Tschernobyl gezeigt, wo viel mehr Kinder als Erwachsene an einem Schilddrüsenkrebs erkrankt seien. Der zweite Grund: In Deutschland gibt es viele Ältere, deren Schilddrüse an der Grenze zur Überfunktion arbeitet. "Bei ihnen würde das Jod eine schwere Überfunktion auslösen, die lebensbedrohlich werden kann", sagt Fendrich. Dieses Risiko besteht auch bei jüngeren Menschen, die an einer Schilddrüsenüberfunktion leiden.

Beide Experten weisen darauf hin, dass Jodtabletten nur die Schilddrüse vor jodbedingten Strahlenschäden schützen können, wie zum Beispiel einem Schilddrüsenkrebs. Alle anderen Auswirkungen von atomaren Strahlen auf den menschlichen Körper werden dadurch nicht beeinflusst.

Vorrat an Medikamenten sollte für 14 Tage reichen

Dass sich die Menschen in Deutschland angesichts der unsicheren Lage durch den Krieg Vorräte an notwendigen Medikamenten beschaffen, hält Siemsen nicht für notwendig. Denn zusätzliche Lieferengpässe von Medikamenten seien zurzeit nicht zu befürchten, weil die Ukraine nicht zu den großen Medikamentenherstellern zähle. "Es ist aber immer sinnvoll, unabhängig von der aktuellen Lage, notwendige Medikamente für einen Zeitraum von 14 Tagen zu Hause vorrätig zu haben", sagt Siemsen.

Die Hausapotheke sollte außerdem folgende Medikamente enthalten:

  • Schmerzmittel
  • Fiebersenkende Medikamente, für Kinder als Zäpfchen oder Saft
  • Hustensaft
  • Mittel gegen Durchfall
  • Medikamente zur Wunddesinfektion
  • Pflaster und Verbände

"Die Hausapotheke soll kühl und trocken gelagert werden, also nicht im Badezimmer", sagt Siemsen. Auch die Hamburger Apotheken beteiligen sich an Hilfsaktionen für die Ukraine und arbeiten mit großen Hilfsorganisationen wie "Action Medeor" und "Apotheker ohne Grenzen" zusammen.

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