Klimaforschung Hamburg

Jetzt in Betrieb: Neuer Supercomputer berechnet Klimazukunft

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Informatiker Thomas Ludwig leitet das Klimarechenzentrum. Hier steht er vor Schränken mit Festplattenspeichern für den Supercomputer.

Informatiker Thomas Ludwig leitet das Klimarechenzentrum. Hier steht er vor Schränken mit Festplattenspeichern für den Supercomputer.

Foto: Marcelo Hernandez / FUNKE Foto Services

In Rotherbaum geht das 32,5 Millionen Euro teure System „Levante“ in Betrieb. Stromkosten pro Jahr: etwa sechs Millionen Euro.

Hamburg. 
  • Am 1. März hat die Forschungseinrichtung in Rotherbaum den neuen Supercomputer „Levante“ in Betrieb genommen
  • Für die Finanzierung bringen die Stadt Hamburg, die Max-Planck-Gesellschaft und die Helmholtz-Gemeinschaft insgesamt 45 Millionen Euro auf
  • Der neue Supercomputer am Deutschen Klimarechenzentrum soll das Klima von morgen berechnen

Dass von Hamburgs Physiknobelpreisträger Klaus Hasselmann mitgegründete Deutsche Klimarechenzentrum (DKRZ) freut sich über einen Generationenwechsel – technischer Art: Am 1. März hat die Forschungseinrichtung in Rotherbaum den neuen Supercomputer „Levante“ in Betrieb genommen.

Der 32,5 Millionen Euro teure Großrechner ist ihr sechstes Hochleistungssystem. Er soll bis zu 14 Billiarden Rechenoperationen (Petaflops) pro Sekunde schaffen und damit bis zu fünf Mal schneller als sein als der von 2015 an genutzte Vorgänger „Mistral“. Den neuen Rechner bezahlt haben die Helmholtz-Gemeinschaft, die Max-Planck-Gesellschaft und die Stadt Hamburg.

„Mit dem neuen Supercomputer am Deutschen Klimarechenzentrum wird in Hamburg die Klimaforschung der Zukunft betrieben. Das neue System bietet eine einzigartige Forschungsmöglichkeit und leistet damit einen wichtigen Beitrag zur globalen Klimaforschung", sagt Wissenschaftssenatorin Katharina Fegebank (Grüne).

Deutsches Klimarechenzentrum: Levante soll präziser sein

Der Name Levante ist angelehnt an die Bezeichnung eines warmen Windes der Stärke 3 bis 5, der oftmals dem in Südfrankreich auftretenden Wind Mistral folgt. Wärme ist ein wichtiges Stichwort für die Forschungen am DKRZ: Wie es mit dem Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur weitergehen könnte, ist ein zentrales Thema bei den wissenschaftlichen Berechnungen in dem Zentrum an der Bundesstraße 53, das die deutschen Simulationen für die Berichte des Weltklimarats liefert.

Die höhere Rechenleistung soll etwa genauere Simulationen zur regionalen Entwicklung des Klimas möglich machen, sagt DKRZ-Direktor Prof. Thomas Ludwig. Forschende könnten mithilfe von Levante mehr klimarelevante Prozesse in Berechnungen mit einbeziehen, natürliche Schwankungen des Klimas genauer erfassen und damit Unsicherheiten verringern. Fortschritte könnte es dank Levante auch bei Berechnungen geben, wie häufig und stark Niederschläge künftig ausfallen, wie sich Wolken unter dem Einfluss der globalen Erwärmung verändern und wie sie dann das Klima beeinflussen könnten und ob tropische Wirbelstürme in einer wärmeren Welt womöglich häufiger auftreten werden.

Leistung vergleichbar mit bis zu 50.000 Bürocomputern

Bereits im Juni 2021 hatte ein Lkw die ersten zehn tonnenschweren Kisten mit Teilen für Hamburgs neues Superhirn am DRKZ angeliefert. Nach dem Erhalt weiterer Frachten setzten Techniker aus gut 2900 einzelnen Rechnern den Supercomputer zusammen. Jeder einzelne Rechner ist mit zwei Mikroprozessoren (Chips) von AMD bestückt, die denen in Schreibtischrechnern ähneln.

Super wird Levante erst dadurch, dass in dem Großrechner 5800 Chips parallel arbeiten, wobei jeder von ihnen über 64 Prozessorkerne verfügt, sich also insgesamt rund 370.000 Recheneinheiten die Aufgaben teilen. Die gesamte Leistung sei vergleichbar mit der von 30.000 bis 50.000 aktuellen handelsüblichen Bürocomputern, sagt Thomas Ludwig.

Um die Armada aus Prozessorkernen ausreizen zu können, müssen diese mit genügend Daten aus dem Speicher gefüttert werden. Levante verfügt über einen 130 Petabyte großen Plattenspeicher. Zum Vergleich: Das entspricht 130.000 Notebook-Festplatten mit je einem Terabyte oder 130 Millionen Gigabyte, soviel Speicherplatz, wie 28 Millionen einseitig beschreibbare DVDs bieten. Das Vorgängermodell konnte auf „nur“ 54 Petabyte Speicher zugreifen.

Supercomputer Levante ist in Deutschland auf Platz 4

Nimmt man die jüngste „Top-500“-Liste der schnellsten Supercomputer weltweit von November 2021 als Maßstab, so platziert Levante sich in Deutschland auf Platz 4 – hinter „Juwels“ vom Forschungszentrum Jülich mit einer maximalen durchschnittlichen Dauerrechenleistung von 44 Petaflops, „SuperMUC“ vom Leibniz-Rechenzentrum in Garching bei München (19,5 Petaflops) und „Hawk“ (19,3) vom Höchstleistungsrechenzentrum Stuttgart. Das Hamburger Vorgängermodell Mistral landete mit seiner Leistung nur noch auf Platz 17 in Deutschland.

Das weltweit schnellste System ist „Fugaku“ im japanischen Kōbe mit 442 Petaflops. Zur Einordnung: Der von Konrad Zuse 1941 gebaute Z3 hatte zwei Flops geschafft.

Die Grundlage der von Großrechnern wie Levante erstellten Simulationen sind Klimamodelle. Dabei handelt es sich um Computerprogramme, die naturwissenschaftliche Gegebenheiten der Erde beschreiben, insbesondere Abläufe in der Atmosphäre, in den Ozeanen und an Land. Diese Programme berücksichtigen aber auch die Rolle des Meereises. Mit Klimamodellen lässt sich etwa simulieren, was passiert, wenn die Konzentration des Treibhausgases Kohlendioxid (CO₂) in der Atmosphäre zunimmt – durch Emissionen von Fabriken und durch den Verkehr, oder auch weil ein Vulkan ausbricht oder Wälder abbrennen, wie das Deutsche Klimakonsortium online erläutern (www.klimasimulationen.de).

Weil das Klima weltweit variiert und auch der CO₂-Ausstoß je nach Region anders ausfällt, unterteilen Forschende die Atmosphäre und die Ozeane in dreidimensionale Untersuchungsgebiete, sogenannte Gitterboxen. Je kleiner diese Maschen des globalen Netzes sind, desto mehr Details lassen sich untersuchen und desto genauer lässt sich die Entwicklung des regionalen Klimas simulieren. Allerdings: je kleiner die Boxen, desto mehr Rechenleistung ist auch nötig.

Supercomputer: Stromkosten von sechs Millionen Euro pro Jahr

„Mit Levante werden Forschende die Gitterboxen nur noch ein Stück weit kleiner ziehen können“, sagt Thomas Ludwig. Der neue Supercomputer sei ein Beispiel dafür, dass die Weiterentwicklung herkömmlicher Mikroprozessoren auf Siliziumbasis an ihre Grenzen komme. Levantes Vorgänger Mistral war 20-mal schneller als der zuvor eingesetzte Supercomputer „Blizzard“. Dabei verbrauchte Mistral aber nicht mehr Strom.

Levante schafft wie beschrieben bestenfalls „nur“ noch eine fünffache Leistungssteigerung. „Das beschränkt die neuen Ziele, die sich die Wissenschaftler stecken“, sagt Ludwig. „Wir werden in der Forschung keine Quantensprünge sehen.“ Zudem verdoppelt sich mit Levante der Energieverbrauch von 1,5 auf 3 Megawatt; die Ausgaben für Strom werden bei sechs Millionen Euro pro Jahr liegen. Um nicht zum Klimasünder zu werden, wird das Klimarechenzentrum zum Ausgleich CO₂-Zertifikate kaufen.

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