Hamburg. Wie jetzt?“, lautet das Gemeinschaftsprojekt von Hamburger Abendblatt und Universität Hamburg, in dem sich Lars Haider und Dieter Lenzen über Fragen unterhalten, die Wissenschaft und Journalismus gleichermaßen bewegen. Diesmal geht es um die Gehälter von Professoren, die in der Vorstellung vieler Menschen deutlich höher sind als in Wirklichkeit.
Lars Haider: In meiner Kindheit habe ich immer gedacht, dass Professoren sehr, sehr reich sein müssen, weil sie von allen Menschen am besten und zuvorkommendsten behandelt wurden. Als Professor, dachte der kleine Lars, muss man es geschafft haben, gesellschaftlich, aber eben auch finanziell.
Dieter Lenzen: Ich will Ihnen dazu eine Anekdote erzählen. Als ich vor knapp 40 Jahren als frischgebackener Professor eine Lampe in einem Lampenladen bestellen wollte und anbot, sie im Voraus zu bezahlen, sagte die Verkäuferin: „Das müssen Sie nicht, Sie sind ja Professor, da haben wir keine Sorge.“ Wenn die gewusst hätte, wie viel Geld ich damals verdient habe… Es ist in der Tat so, dass sich der Irrtum durch die Bevölkerung zieht, Professoren seien sehr wohlhabend beziehungsweise würden deutlich über dem Durchschnittseinkommen liegen. Das gilt nur in ganz, ganz wenigen der mehr als 1000 Universitätsfächern, zum Beispiel in der Medizin oder der Informatik und dort wiederum nur für sehr wenige. Im staatlichen deutschen Universitätssystem haben wir eine festgelegte Besoldungsordnung: Der Juniorprofessor, der am Anfang seiner Laufbahn steht, erhält ein jährliches Grundgehalt von 54.500 Euro. Auf der zweiten Stufe verdienen Professorinnen ein Grundgehalt von 70.000 Euro, auf der höchsten Stufe dann 83.000 Euro.
Zum Vergleich: Notare verdienen in Hamburg im Jahr mehr als 400.000 Euro, Geschäftsführer von Sparkassen gern mal über eine halbe Million im Jahr.
Lenzen: Zu dem Grundgehalt der Professoren können Leistungszulagen kommen, die extra verhandelt werden müssen – aber auch die sind nach oben gedeckelt, da reden wir dann vielleicht über 500 bis 1000 Euro im Monat mehr, in selten Fällen auch 10.000 Euro im Jahr.
Heißt also, um auf unsere Ausgangsfrage zurückzukommen: Reich werden können Sie als Professor oder Professorin nicht.
Lenzen: Nein, nicht in dem Sinne, dass man ein Vermögen anhäufen kann. Man kann gut davon leben und darf nicht unterschätzen, dass der Beamtenstatus sehr viel Sicherheit und ein umfassendes Versorgtsein in allen Fällen des Lebens mit sich bringt.
Aber Wissenschaftler sind doch Freigeister, die streben doch nicht im Ernst nach der Sicherheit eines Beamtenstatus?
Lenzen: Na ja, der Wissenschaftler ist kein Künstler, für den tatsächlich das gilt, was sie gesagt haben. Die preußische Regierung hat Mitte des 19. Jahrhunderts bewusst entschieden, dass man Wissenschaftler so ausstatten will, dass sie sich keine Sorgen machen müssen. Denn Sorgen behindern die Kreativität. Als Gegenleistung für diese Sorgenfreiheit erwartet man von Wissenschaftlern bis heute, dass sie immer im Dienst sind. Es gibt keine Arbeitszeitregelung für Professoren, es wird davon ausgegangen, dass sie immer arbeiten.
Das ist bei Chefredakteuren ähnlich. Die Freiheit, dass man keine freien Tage hat, ist aber auch nicht zu unterschätzen.
Lenzen: Das stimmt, denn man kann seinen Arbeitstag völlig frei gestalten, es ist völlig egal, wann man eine gute Idee hat, ob auf einer Party, beim Fahrradfahren oder im Schlaf: Ein Professor ist, wie gesagt, immer im Dienst. Das war früher tatsächlich ein großes Privileg und die maximale Freiheit. Heute hat sich das verändert, gerade durch die Bologna-Reform, weil Professorinnen und Professoren inzwischen in Lehrpläne eingebunden sind, die dem Unterricht an Schulen immer ähnlicher werden. Was die akademische Lehre betrifft, muss man Professorinnen und Professoren heute mit Studienrätinnen und Studienräten vergleichen. Das war vor 20, 30 Jahren völlig anders.
Im Ausland und in der Wirtschaft wird ja deutlich mehr bezahlt als die Summen, die Sie genannt haben. Droht dann eine Universität wie die Hamburger nicht, die richtig guten Professorinnen und Professoren zu verlieren, schlicht, weil sie woanders so viel mehr Geld verdienen können?
Lenzen: Dieses Problem ist massiv, man nennt es Brain-Drain. Viele, viele deutsche Spitzenwissenschaftlerinnen und Spitzenwissenschaftler sind in den vergangenen Jahrzehnten in die USA gegangen, weil wir ihnen hier kein Gegenangebot machen konnten. Das hat sich etwas verbessert, weil genau das inzwischen möglich ist und man mit einzelnen Professorinnen Bleibeverhandlungen führen kann – wobei es dabei oft eher um die Ausstattung einer Professur, also etwa um die Zahl der Mitarbeiter geht, als um das eigene Gehalt.
Und was machen Sie, wenn Sie einen Wissenschaftler aus einem anderen Land, etwa den USA, nach Hamburg holen wollen? Sie können wahrscheinlich nicht ansatzweise die Gehälter zahlen, die dort gezahlt werden…
Lenzen: Mit den kleinen Universitäten können wir mithalten, mit den größeren natürlich nicht. In den Spitzenfächern ist es möglich, dass ein Professor in den USA mehr als eine Million Euro verdient. Allerdings sind die Kollegen dort keine Beamten, können also jeden Tag entlassen werden, da reicht manchmal eine falsche Bemerkung. Wenn wir mal den Vergleich mit einer Universität bemühen, die der Hamburger ähnlich ist: Wer bei uns vielleicht mit Zulagen auf 90.000 Euro im Jahr kommt, kann in den USA irgendetwas zwischen 200.000 und 500.000 Euro erhalten.
Das heißt, den Spitzenforscher bekommen Sie gar nicht – oder können Sie dem das gleiche Angebot machen, wenn Sie ihn unbedingt haben wollen?
Lenzen: Theoretisch schon. Aber weil wir einen gedeckelten Etat haben, müsste ich vier oder fünf andere Professuren nicht besetzen, wenn ein Professor eine halbe Million Euro verdienen soll. Das geht nicht, da sind natürliche Grenzen gesetzt. Man kann allerdings, wenn man eine bestimmte, exzellente Person aus dem Ausland unbedingt nach Deutschland holen will, über eine Alexander-von-Humboldt-Professur bis zu 3,5 Millionen Euro bekommen. Das Problem: Wenn das Geld ausgegeben ist, muss die Universität das Gehalt wieder selbst bezahlen oder das Gehalt muss abgesenkt werden.
Wie schwer oder leicht ist es, bei alldem, was wir bisher besprochen haben, mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern über Gehälter zu verhandeln?
Lenzen: Es ist sehr personenabhängig. Es gibt viele, denen geht es vor allem darum, in Hamburg und in einer Exzellenz-Universität zu arbeiten, ich nenne sie die primär Motivierten. Es gibt aber auch andere, bei denen sich im Lauf eines Gesprächs herausstellt, dass sie Gehaltsvorstellungen haben, die mit dem, was bei uns möglich ist, bei weitem nicht in Übereinstimmung zu bringen sind. Wenn einer bisher 80.000 verdient hat und auf einmal 130.000 Euro will, dann kommen wir nicht zusammen.
Egal, wie gut der ist?
Lenzen: Um es auf eine Formel zu bringen: Einen Nobelpreisträger könnten wir nicht bezahlen, das ist ausgeschlossen.
Und wenn es dann einen bei Ihnen gebe, der so viel verdienen würde wie fünf andere Professoren zusammen, hätten Sie vermutlich ein anderes Problem, Stichwort soziales Gefälle.
Lenzen: Das stimmt. Zumal die Gehälter nicht mehr vertraulich sind. Deshalb müssen wir sehr darauf achten, dass das System der Bezahlung in sich noch stimmig bleibt, auch wenn das gerade kein Treiber für Exzellenz ist. Was mir wirklich Sorgen macht, ist übrigens die Bezahlung von jungen Leuten, die noch keine Professoren sind, sich aber auf den Weg dorthin machen, der ja sehr lang ist. Bis sie Juniorprofessor werden, haben sie 15 Jahre Studium und Vorbeschäftigung hinter sich zu bringen, und diese Vorbeschäftigung wird ziemlich schlecht bezahlt. Die Bezahlung von wissenschaftlichen Mitarbeitern auf vollen Stellen schwankt je nach Fach zwischen 2500 und 5000 Euro brutto, wobei die meisten eben keine vollen Stellen bekommen, sondern in Teilzeit arbeiten. Das heißt: Wer eine Halbtagsstelle ergattert, muss vielleicht mit 1500 Euro brutto im Monat klarkommen und kann sich in Hamburg davon kaum eine Wohnung mieten. Wer promovieren oder habilitieren will, wird das kaum in einer WG schaffen, dafür sind die Arbeitsbedingungen dort zu schlecht.
Wir sprechen im Vergleich immer nur über die USA: Wie ist die Bezahlung von Professoren in anderen, uns ähnlichen Ländern?
Lenzen: In Japan ist sie auch nicht besonders gut. Dort gehen die Professoren aber mit 60 Jahren in den Ruhestand und können dann sehr gut dotierte Verträge bei privaten Universitäten annehmen. Insofern warten viele japanische Professoren vor allem darauf, dass Sie 60 werden, damit sie endlich Geld verdienen können.
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