Hamburg. Immer mehr junge Menschen stecken sich mit Corona an. Die plötzliche Überreaktion des Immunsystems trifft nicht nur Vorerkrankte.

Welche Folgen kann eine Infektion mit Sars-CoV-2 für Kinder und Jugendliche haben? Den jüngsten Stand der Forschung dazu erläuterte am Montagabend Privatdozent Dr. Robin Kobbe vom Universitätsklinikum Eppendorf an der UKE-Gesundheitsakademie. Der Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin besitzt ein Diplom für pädiatrische Infektiologie der Universität Oxford. Das Abendblatt fasst die wichtigsten Fragen und Antworten zusammen.

In welchem Maße betrifft Corona Kinder und Jugendliche, und wie äußert sich eine Infektion bei ihnen?

Die allermeisten mit Sars-CoV-2 infizierten Kindern und Jugendlichen bekommen von dem Virus gar nichts mit oder haben nur leichte Symptome eines Atemwegsinfektes wie Schnupfen und Husten oder auch mal etwas Fieber. Es kann auch bei älteren Kindern und Jugendlichen zu Geschmacks- und Geruchsverlusten kommen.

Nur sehr wenige Kinder – nach Schätzungen betrifft dies deutlich unter fünf Prozent der Infizierten – erkranken schwerer und müssen stationär behandelt werden. Die Deutsche Gesellschaft für Pädiatrische Infektiologie (DGPI) hat in einem Register aktuell etwas mehr als 1300 Kinder mit Corona bundesweit erfasst, die seit dem Beginn der Pandemie stationär aufgenommen wurden.

Fast die Hälfte von ihnen hat Vorerkrankungen, fünf Prozent von ihnen benötigten eine intensivmedizinische Behandlung. Allerdings: Wenn sich viele Kinder infizierten, steige die Wahrscheinlichkeit, dass auch mehr Fälle mit schweren Verläufen auftreten, sagt Kobbe. In Städten und Regionen, in denen ein stärkeres Infektionsgeschehen zu verzeichnen ist, etwa im Ruhrgebiet, komme es daher zu mehr stationären Aufnahmen von Kindern.

Wie wirkt sich die britische Mutante B.1.1.7. aus, die auch in Hamburg das Infektionsgeschehen dominiert?

Es gibt keine Hinweise darauf, dass diese Virusvariante zu schweren Verläufen bei Kindern und Jugendlichen führt. Aber bekanntlich ist B.1.1.7. ansteckender als der Wildtyp – und das ist wahrscheinlich ein Grund, warum zuletzt ein stärkeres Infektionsgeschehen auch bei Kindern und Jugendlichen zu verzeichnen war.

Was hat es mit dem sogenannten PIMS-Syndrom auf sich?

PIMS steht für Pediatric Inflammatory Multisystem Syndrome. Dabei handelt es sich um eine systemische Entzündungserkrankung bei Kindern, die erstmals im April 2020 in Großbritannien beobachtet und anschließend weltweit beschrieben wurde. Die Beschwerden treten zwei bis sechs Wochen nach einer Sars-CoV-2-Infektion auf, wenn meist keine Coronaviren mehr nachweisbar sind.

Die wichtigsten Corona-Themen im Überblick

Bei den betroffenen Kindern kommt es zu einer Überreaktion des Immunsystems, die mehrere Organe betreffen kann – häufig sind Herz, Haut, Lunge und Magen-Darm-Trakt beteiligt. Etwa die Hälfte der betroffenen Kinder muss in der Folge auf einer Intensivstation behandelt werden. Bisher ist dieses Syndrom sehr selten aufgetreten: Die DGPI hat bisher in ihrem Register 281 Fälle in Deutschland erfasst. Auch in Hamburg seien bereits einige Kinder mit PIMS bekannt geworden, sagt Robin Kobbe. Forschende rechneten damit, dass bei einem von 5000 bis 1000 infizierten Kindern PIMS auftreten könne.

Wie wird PIMS behandelt?

Mit Infusionen von Immunglobulinen und der Gabe von hoch dosiertem Kortison lasse sich PIMS in den allermeisten Fällen gut in den Griff bekommen, sagt Kobbe. Wichtig sei, das Syndrom möglichst früh zu erkennen und entsprechend zu behandeln. Wenn ein Kind auch ohne eine bestätigte Corona-Infektion zugleich hohes Fieber habe, einen Ausschlag zeige, unter einem Schwächegefühl und Bauchschmerzen leide, sollten Eltern und Kinderärzte auch an PIMS als mögliche Ursache denken.

Was ist zu Corona-Spätfolgen (Long-Covid) bei Kindern bekannt?

Es mehren sich die Hinweise, dass insbesondere bei Jugendlichen Corona-Spätfolgen auftreten können – wie häufig, ist noch unklar. Ein Zusammenschluss aus Universitätskliniken, zu dem auch das UKE zählt, plant eine Studie, um das Ausmaß von Corona-Spätfolgen bei Kindern und Jugendlichen zu untersuchen. Mögliche Long Covid-Symptome bei Kindern können Müdigkeit, Konzentrationsschwäche, Kopf-, Glieder- und Gelenkschmerzen und Schlafstörungen sein. Erste Ansprechpartner für solche Fälle sind die Kinderärzte, die bei Bedarf eine Behandlung bei Fachärzten veranlassen können.

Wie ist der Stand bei Corona-Impfungen für Kinder und Jugendliche?

Die Impfstoffhersteller Pfizer/Biontech und Moderna führen derzeit Impfstudien bei Kinder und Jugendlichen durch. Pfizer/Biontech gab vor Kurzem bekannt, ihre Vakzine habe in einer Untersuchung mit 2260 Jugendlichen zwischen 12 und 15 Jahren eine 100-prozentige Effektivität gezeigt und sei gut verträglich gewesen. Biontech hat deshalb eine Notfallzulassung für diese Altersgruppe bei der Europäischen Arzneimittelbehörde beantragt.

Astrazeneca und Johnson & Johnson haben auch mit Impfstoffstudien bei Kindern begonnen. Obwohl keine bedenklichen Nebenwirkungen in den Studien aufgetreten sind, pausierten diese Studien derzeit allerdings wegen der beobachteten Thrombosen bei Erwachsenen, sagt Kobbe.

Die aktuellen Corona-Fallzahlen aus ganz Norddeutschland:

  • Hamburg: 2311 neue Corona-Fälle (gesamt seit Pandemie-Beginn: 430.228), 465 Covid-19-Patienten in Krankenhäusern (davon auf Intensivstationen: 44), 2373 Todesfälle (+2). Sieben-Tage-Wert: 1435,3 (Stand: Sonntag).
  • Schleswig-Holstein: 1362 Corona-Fälle (477.682), 623 Covid-19-Patienten in Krankenhäusern (Intensiv: 39). 2263 Todesfälle (+5). Sieben-Tage-Wert: 1453,0; Hospitalisierungsinzidenz: 7,32 (Stand: Sonntag).
  • Niedersachsen: 12.208 neue Corona-Fälle (1.594.135), 168 Covid-19-Patienten auf Intensivstationen, 7952 Todesfälle (+2). Sieben-Tage-Wert: 1977,6; Hospitalisierungsinzidenz: 16,3 (Stand: Sonntag).
  • Mecklenburg-Vorpommern: 700 neue Corona-Fälle (381.843), 768 Covid-19-Patienten in Krankenhäusern (Intensiv: 76), 1957 Todesfälle (+2), Sieben-Tage-Wert: 2366,5; Hospitalisierungsinzidenz: 11,9 (Stand: Sonntag).
  • Bremen: 1107 neue Corona-Fälle (145.481), 172 Covid-19-Patienten in Krankenhäusern (Intensiv: 14), 704 Todesfälle (+0). Sieben-Tage-Wert Stadt Bremen: 1422,6; Bremerhaven: 2146,1; Hospitalisierungsinzidenz (wegen Corona) Bremen: 3,88; Bremerhaven: 7,04 (Stand: Sonntag; Bremen gibt die Inzidenzen getrennt nach beiden Städten an).