Hamburg. Frisch geputzt und glänzend steht die große weiße Boeing 747 im Hangar von Lufthansa Technik in Hamburg. Vier Monate lang wurde das besondere Flugzeug im Norden fit für seine nächsten Abenteuer gemacht. Dabei wurde sowohl "Sofia" selbst als auch ihre 17 Tonnen schwere und wichtigste Dauerfracht - ein 2,7-Meter-Teleskop - Zentimeter für Zentimeter von Experten auf Herz und Nieren geprüft. „Es hat alles geklappt. Alles funktioniert bestens“, sagt Teleskop-Ingenieurin Nadine Fischer vom Deutschen Sofia-Institut (DSI) der Universität Stuttgart.
Die 40 Jahre alte Software- und Maschinenbau-Expertin hat mit ihren DSI-Kollegen und -Kolleginnen jede noch so kleine Leitung, Verkleidung, Mechanik, Technik und sehr viel Software kontrolliert, erneuert, ausgebessert und auf den neuesten Stand gebracht. Damit kann „Sofia“ nun wieder zu neuen Erkundungsflügen in den Sternenhimmel starten.
"Sofia" ist die einzige fliegende Sternwarte der Welt
„Sofia“ ist nach Angaben der Uni Stuttgart die weltweit einzige fliegende Sternwarte. Der Name ist eine Abkürzung und steht für Stratosphären-Oberservatorium für Infrarot-Astronomie. Mit dem Projekt der National Aeronautics and Space Administration (NASA) und des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) können internationale Wissenschaftler die Geschichte der Sterne in unserer und den Nachbargalaxien erforschen.
Erst 2020 haben „Sofia“-Daten dazu geführt, dass Wissenschaftler weitere Hinweise auf Wasser auf der sonnenzugewandten Seite des Mondes entdecken konnten. Auch die erste Molekülart, die nach dem Urknall entstanden ist, hat „Sofia“ bereits entdeckt. Auf deutscher Seite ist die Universität Stuttgart mit dem DSI verantwortlich für den „Sofia“-Betrieb.
Die fliegende Sternwarte fliegt in 14 Kilometern Höhe
Für seine Beobachtungen fliegt das Flugzeug in 13 bis 14 Kilometern Höhe, öffnet bei 900 Stundenkilometern Fluggeschwindigkeit die Bordwand des Flugzeuges und lässt das Teleskop auf einen festgelegten Spot im Universum gucken. Dabei kann das gewaltige Fernrohr dank eines hydrostatischen Öllagers und höchst ausgeklügelter Technik auch heftige Turbulenzen ausgleichen und trotzdem für genaue Messungen in- und außerhalb unserer Galaxie sorgen.
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„Sofias“ Infrarot-Teleskop misst im Flug. Nötig ist das, weil Infrarotstrahlung vom Wasserdampf der Erdatmosphäre absorbiert wird. In großer Höhe dagegen kann „Sofia“ fast störungsfrei messen. Zehn Stunden sind die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen dafür mit dem Flugzeug in der Nacht - Vielecke fliegend - unterwegs. Denn „Sofia“ kann nur links aus dem Flugzeug schauen.
"Das Teleskop beobachtet verschiedene astronomische Objekte"
Dabei kann das Teleskop in einem Winkel von 20 bis 65 Grad zum Horizont beobachten. „Das Teleskop beobachtet verschiedene astronomische Objekte von Interesse - zum Beispiel das Zentrum unserer Milchstraße mit dem massiven Schwarzen Loch oder auch die Nachbargalaxie mit der großen und kleinen Magellanschen Wolken“, weiß Teleskopmanager Michael Hütwohl. Der 58-Jährige ist Leiter des 25-köpfigen DSI-Teams in Palmdale/Texas/Kalifornien.
„Sofia“ ist dabei nicht in erster Linie für die hochaufgelösten Bilder von Sternen und Galaxien zuständig. Das Hauptaugenmerk liegt im Bereich der Spektroskopie. Es soll also zeigen, welche Atome und Moleküle sich in bestimmten Regionen des Universums befinden und wofür sie ein Indikator sein könnten. Rund 85 Millionen Dollar (70 Millionen Euro) gibt die NASA für das Prestigeprojekt jährlich aus. Die DLR beteiligt sich mit etwa neun Millionen Euro, „um deutschen Wissenschaftlern weiterhin den Zugang zu Infrarot-Astronomie zu ermöglichen“, wie DLR-„Sofia“-Projektleiter Heinz Hammes sagt.
1,5 Milliarden Euro haben USA und Deutschland in "Sofia" investiert
1,5 Milliarden Euro haben die USA und Deutschland bisher in die Großforschungseinrichtung gesteckt. Rund 40 bis 50 wissenschaftliche Arbeiten wurden zuletzt auf Basis der „Sofia“-Daten jährlich veröffentlicht. Langfristig sollen etwa 100 Studien pro Jahr veröffentlicht werden. Um zu kontrollieren, ob das gelingen kann, stand das teure Projekt - eine Beobachtungsstunde in der Luft kostet etwa 70 000 Dollar (58 000 Euro) - zuletzt auch auf dem Prüfstand. „Sofia“ gilt zusammen dem Hubble-Weltraumteleskop als eine der teuersten Astrophysik-Mission der NASA.
Eine Alternative zu „Sofia“ gibt es derzeit nicht, so Teleskopmanager Hütwohl. „Es gibt im Moment nichts anderes, was in diesem Wellenbereich beobachten kann.“ Zwar können Satelliten auch Infrarot-Beobachtungen machen, doch sie sind weit weniger flexibel und können - einmal im All - nicht mehr erweitert oder angepasst werden. Auch auf der Erde stehende Riesen-Teleskope könnten „bei Weitem nicht die Sichtbarkeit erreichen, die Satelliten vom All oder „Sofia“ von der Stratosphäre aus schaffen“.
Von Hamburg aus reist "Sofia" nach Köln
Seit 1968 wird die professionelle flugzeuggestützte Astronomie betrieben, zum Beispiel mit dem Lear-Jet-Observatorium mit einem 30-Zentimeter-Teleskop. Dank deutscher Ingenieurskunst - vom Hauptspiegel bis hin zum Kugellager - seit 2010 an Bord von „Sofia“. Bis mindestens 2024 sind ihre Erkundungsflüge finanziell mittlerweile abgesichert.
In diesen Tagen reist das Teleskop zunächst nach Köln. Von dort aus geht es für die fliegende Sternwarte allerdings nicht gleich zurück in die USA, sondern etwa fünf Wochen lang von Deutschland aus zu den etwa zehnstündigen Erkundungsflügen in den Nachthimmel. „Solche Standortwechsel sind nur mit einem beweglichen Observatorium wie „Sofia“ möglich“, so Hütwohl
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