Glinde/Norderstedt/Hamburg. Telefone besetzt, Internetseiten überlastet: Viele Ältere haben massive Schwierigkeiten, einen Impftermin zu buchen.

Es ist Dienstagmorgen, kurz vor 8 Uhr. Karl Dötze sitzt am Schreibtisch im Arbeitszimmer seiner Wohnung im zweiten Stock eines Mehrfamilienhauses in Glinde. Die Internetseite impfen-sh.de hat er bereits eingegeben. Pünktlich um 8 Uhr klickt der 81-Jährige auf die Bestätigungstaste, doch nichts tut sich. „Der Computer hat geladen und geladen, bis nach einiger Zeit eine Fehlermeldung erschien“, sagt der Glinder.

Erst nach mehreren weiteren vergeblichen Anläufen kommt er bis zum Kalender. „Es war nur möglich, einen Termin für eine Person zu buchen.“ Die Option, sich und seine gleichaltrige Frau gemeinsam anzumelden, habe es nicht gegeben. „Ich hätte dann alles noch einmal machen und hoffen müssen, dass ich wieder durchkomme“, sagt Dötze. „Und selbst für den unwahrscheinlichen Fall, dass jeder einen Termin bekommen hätte, wären die wohl kaum zur gleichen Zeit gewesen.“ Die Eheleute hätten sich zweimal auf den rund 25 Kilometer langen Weg nach Bad Oldesloe machen müssen.

Corona-Hotline 116 117 und Impfseite überlastet

Für Dötze keine Option. „Viele ältere Ehepaare sind auch nicht mehr gut zu Fuß, da ist es eine erhebliche Belastung, wenn man zweimal anreisen muss“, sagt der Glinder. Schließlich stieg er auf die Telefon-Hotline 116 117 um. „Kein Durchkommen“, sagt Dötze. „Erst kam minutenlang überhaupt kein Signal, dann war dauerhaft besetzt.“ Als er wieder am Computer saß, waren alle Termine vergeben.

„Schon beim ersten Termin am 27. Dezember war ich zu spät dran“, sagt Dötze. „Das Anmeldeverfahren ist dysfunktional und unübersichtlich“, sagt er. „Die Netze waren offenbar vollkommen überlastet.“ Dabei sei der Andrang erwartbar gewesen. „Offenbar wurde es versäumt, die nötige Bandbreite zur Verfügung zu stellen“, bemängelt der pensionierte Diplom-Mathematiker.

Frustration beim Anmeldeverfahren

Nachbarn und Bekannte hätten dieselben Erfahrungen gemacht. „Die meisten wollen sich impfen lassen, aber das Anmeldeverfahren frustriert sie, sie geben verärgert auf“, so Dötze. Es gleiche einem Jagdhunderennen. „Nur die Schnellsten bekommen einen Termin ab“, sagt der 81-Jährige. Auch die Netzqualität könne entscheidend sein. „Wer eine langsame Internetverbindung oder wenig Empfang hat, hat das Nachsehen“, so der Glinder. Hinzu komme, dass viele in seiner Altersgruppe keinen Computer hätten und auf das Telefon angewiesen seien.

In den ersten beiden Wochen standen Schleswig-Holstein 7500 Dosen zur Verfügung. Stormarn bekam bislang etwa 120 pro Tag. Im Kreis ist einzig das Impfzentrum in Bad Oldesloe in Betrieb. Ein Starttermin für die anderen Standorte in Großhansdorf und Reinbek steht nicht fest.

Postalische Einladungen gefordert

Karl Dötze fordert, dass alle Berechtigten per Post eine Einladung zur Impfung erhalten. In Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern ist das bereits Praxis. Dötze hat sich deshalb bereits mit einem Brief an die SPD-Landtagsabgeordnete Birte Pauls gewandt, die das Anmeldekonzept der schwarz-gelb-grünen Landesregierung scharf kritisiert hat.

Der Oldesloer Klemens Henkes (83) hat in seiner Not Bürgermeister Jörg Lembke um Unterstützung der Senioren gebeten. „Ich ersuche Sie dringend, mit Ihrer Behörde sofort alle impfwilligen Oldesloer über 80 zu ermitteln und ihnen bei der nächsten landesweiten Aktion einen Termin im Impfzentrum zu organisieren“, schrieb Henkes an den Verwaltungschef. Der antwortete, dass für die Organisation andere zuständig seien.

Neue Hotline für Schleswig-Holstein eingerichtet

Im Kreis Segeberg steht bisher nur das Impfzentrum in Kaltenkirchen zur Verfügung. In Norderstedt wird voraussichtlich erst ab 1. Februar geimpft. Fünf Mitarbeiter der Stadt greifen ab Montag, 11. Januar, mit Kollegen der Kreisverwaltung zum Hörer, um Bürgern Fragen an der Corona-Hotline 04551/951 98 33 zu beantworten. Sie ist montags bis donnerstags von 9 bis 16 Uhr sowie freitags von 9 bis 12 Uhr zu erreichen. Seit Kurzem bietet der Kreis auch eine Online-Kontaktaufnahme unter www.segeberg.de/Corona-Formulare.

Um die bundesweit stark frequentierte Nummer 116 117 beim Kassenärztlichen Notdienst zu entlasten, schaltet das Kieler Gesundheitsministerium eine zusätzliche Anmeldemöglichkeit. Die landeseigene Hotline 0800/455 65 50 vergibt ab Dienstag, 12. Januar, um 8 Uhr ebenfalls Termine.

Terminvergabe in Niedersachen erst Ende Januar

Der Glinder Karl Dötze lässt sich trotz aller Schwierigkeiten nicht entmutigen. Er wird am morgigen Dienstag erneut versuchen, Termine für seine Frau und sich zu bekommen. „Ich habe ja keine Wahl“, sagt er.

Karl Dötze (81) aus Glinde kritisiert das Anmeldeverfahren für die Corona-Schutzimpfung. Es sei
Karl Dötze (81) aus Glinde kritisiert das Anmeldeverfahren für die Corona-Schutzimpfung. Es sei "unübersichtlich und nicht gerecht". © Filip Schwen | Filip Schwen

In Niedersachsen beginnt das Impfen voraussichtlich sogar erst Ende Januar/Anfang Februar. „Angesichts der unsicheren Versorgungslage mit Impfstoff und der guten täglichen Impfquoten der mobilen Teams in den Alten- und Pflegeheimen haben wir entschieden, den Start der Terminvergabe auf das Ende des Monats zu verschieben“, sagt Anne Hage, Sprecherin des Sozialministeriums in Hannover.

Fahrdienste zum Impfstandort in Lüneburg

Alle Niedersachsen, die älter als 80 Jahre sind, sollen rechtzeitig einen Brief erhalten. Es liefen Gespräche mit einem externen Dienstleister, der auch den Versand übernehmen solle, so Hage.

Der Landkreis Lüneburg hat angekündigt, sich ebenfalls einzuschalten. So will die Kreisverwaltung gemeinsam mit den Kommunen alle Bürger ab 80 Jahren anschreiben, sobald Termine im Corona-Impfzentrum vereinbart werden können.

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Das hat Landrat Jens Böther mit den Bürgermeistern verabredet. In dem Aufruf wird die Nummer der landesweiten Hotline 0800/99 88 665 stehen. Außerdem gibt es einen Hinweis auf Angebote der Gemeinden, etwa Fahrdienste oder Hilfen für die Terminvereinbarung. Die soll voraussichtlich von Februar an auch online möglich sein.

Landeseinheitliche Lösung für Harburg

Der Landkreis Harburg setzt sich dagegen für „eine landeseinheitliche Lösung“ ein. „Wir wollen die Thematik über den Niedersächsischen Landkreistag angehen. Es wird eine kurzfristige Lösung geben“, sagt Kreissprecher Bernhard Frosdrofer.

Das Sozialministerium geht in seiner aktuellen Planung davon aus, dass alle Alten- und Pflegeheime bis Ende Januar weitestgehend durchgeimpft sind. Sollte dies eher erledigt sein, könnten vor Ort noch Mitarbeiter in den Krankenhäusern sowie von ambulanten Pflegediensten geimpft werden. Weil die wöchentliche Lieferung von mehr als 63.000 Dosen am 4. Januar entfiel, wurde der nächste Termin vom 11. auf den 8. Januar vorgezogen.