Das Versprechen, in Hamburg 6000 Neubauten im Jahr zu schaffen, ist in Gefahr

Es kommt selten genug vor, dass ein Politiker ein konkretes Versprechen abgibt. Hamburgs Erster Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) hat es trotzdem getan, als er ankündigte, unter seiner Führung würden in der Hansestadt jedes Jahr 6000 Wohnungen gebaut. Das klingt angesichts von rund 890 000 Wohnungen, die es in Hamburg gibt, nicht nach besonders viel. Auch den vielen Wohnungssuchenden - der Mieterbund schätzt, dass bis zu 40 000 Wohnungen in Hamburg fehlen - dürfte das scholzsche Versprechen eher wie ein Tropfen auf dem heißen Stein vorkommen.

Wie ambitioniert aber die Senatsvorgabe tatsächlich ist, zeigt ihr Praxistest. Dem Statistischen Landesamt zufolge wurden im vergangenen Jahr 3729 Wohnungen fertiggestellt. Das sind zwar 5,9 Prozent mehr als 2010, ist aber noch mehr als ein Drittel von der Zielmarke entfernt. Ob es in diesem Jahr klappen wird, steht trotz des im Frühjahr mit Bezirken und Wohnungswirtschaft geschlossenen "Bündnisses für das Wohnen" in den Sternen. Zumal sich bei der Umsetzung mehr und mehr Probleme auftun.

Da wäre der Widerstand von Anwohnern, wenn - wie am Hemmingstedter Weg - in ihrer Nachbarschaft in Klein Flottbek ein Stück Grünfläche mit mehrgeschossigen Wohnhäusern bebaut werden soll. Beobachter mögen über so viel "Eigennutz" nur den Kopf schütteln. Doch es waren gerade Sozialdemokraten, die in der jüngeren Vergangenheit das Hohelied der Bürgerbegehren gesungen haben. Jetzt gilt es, den Worten Taten folgen zu lassen und Bürgerinitiativen ernst zu nehmen. Auch wenn diese eigenen politische Zielen ablehnend gegenüberstehen.

Viel Überzeugungsarbeit muss der SPD-Senat auch bei den Bezirken leisten. Beispielhaft dafür steht der Fall der Familie Blösz. Das Ehepaar, das einen Altenpflegedienst betreibt, will in Schnelsen, einen Steinwurf zur Grenze mit Schleswig-Holstein entfernt, zehn altengerechte Wohnungen bauen. Die Finanzbehörde will das notwendige Grundstück den Blöszens verkaufen. Von der Wohnungsbaukreditanstalt kam grünes Licht für das 1,3-Millionen-Euro-Projekt. Probleme macht ausgerechnet das Bauamt des Bezirks Eimsbüttel. Der Grund: Für die Fläche für Autostellplätze muss ein Kompromiss gefunden werden.

Zu guter Letzt treten Wirtschaftsbehörde und Handelskammer vermehrt auf die Bremse, wenn Bezirke oder Investoren auf der Suche nach geeigneten Flächen für den Bau von Wohnungen auch in Gewerbegebieten fündig werden. Am Hammer Deich wollen Investoren auf einer Gewerbefläche bis zu 350 Wohnungen errichten, weil in den vergangenen Jahren eine Vermietung an qualitativ hochwertige Unternehmen wiederholt scheiterte. Die Wirtschaftsbehörde lehnt aber eine Umwandlung der Fläche in Bauland ab, unter anderem mit der Begründung, bei einer Wohnbebauung würde der "Umwandlungsdruck auf andere Teile des Industriegebietes steigen".

All diese Fälle zeigen, dass es ein weiter und schwerer Weg ist vom Versprechen, 6000 Wohnungen in Hamburg zu bauen, bis zu dessen Umsetzung. Jeder Einwand für sich mag nachvollziehbar und berechtigt sein. Wenn aber Senatschef Olaf Scholz mit seiner These recht hat, dass vom Bau vieler und bezahlbarer Wohnungen die Zukunftsfähigkeit Hamburgs abhängt, dann muss dem Gemeinwohl Vorrang eingeräumt werden. Und Scholz muss für diesen Vorrang sorgen.

Das Gemeinwohl wird sich nicht von allein durchsetzen. Der Bürgermeister ist jetzt ein weiteres Mal gefordert. Damit er sein Versprechen auch hält.