Investor will bis zu 350 Wohnungen auf Gewerbegrundstück am Billebecken errichten - Wirtschaftsbehörde und Bezirk Mitte sind dagegen.

Hamm. Der regenverhangene Himmel passt zum trostlosen Anblick. Gut 40 gebrauchte Autos stehen dicht gedrängt auf dem Grundstück am Hammer Deich 60. Beulen haben viele. Bei einigen fehlen die Scheinwerfer, bei anderen die Außenspiegel. Der Blick auf das Firmenschild offenbart: "Im- und Export/Shipping". Hier werden Autos für die Lieferung nach Afrika oder in den Nahen Osten aufbereitet. Ein Lkw rumpelt über den Hammer Deich. Bäume fehlen hier. Die Gewerbegrundstücke reichen bis an den schmalen Fußweg. Alles sieht ein wenig heruntergekommen aus. Der arabische Imbiss wirkt provisorisch, das dahinter stehende Fabrikgebäude ist in die Jahre gekommen. Von einer schönen Wasserlage, wie Projektentwickler Ron Riedberg Stahl erzählt, ist nichts zu sehen.

Ein paar Hundert Meter weiter stadtauswärts ändert sich die Situation schlagartig. Über eine Grünfläche öffnet sich der Blick auf das Billebecken. Das Wasser kräuselt sich ein wenig im Frühsommerwind. Ein Airbus ist gerade im Anflug auf Fuhlsbüttel. Dreistöckige Wohnhäuser reichen bis ans Wasser heran. Wer hier auf seinem Balkon sitzt, hat einen wundervollen Blick. Alles wirkt irgendwie friedlich.

Fast 20 Kilometer westlich breitet Ron Riedberg Stahl im Büro der Heitmann-Immobiliengesellschaft in Rissen auf einem Tisch Zeichnungen aus. Die Bilder stellen ein Wohngebiet aus verschiedenen Blickwinkeln dar. Moderne Gebäude, viel Grün und direkt am Wasser gelegen. "Wir würden gern auf dem Gelände am Hammer Deich Wohnungen und Büros errichten", sagt der Projektentwickler. Bis zu 350 Wohnungen wären im besten Fall drin - jede dritte davon eine Sozialwohnung.

Dabei blättert Stahl eine Karte auf. "Hier, zum Wasser hin, würden wir die Wohnungen bauen", sagt er und zeigt auf vier Gebäude, die in ihrer Position an angelandete Schiffe erinnern. Zur Straße hin, sozusagen als "Lärmschutzriegel", wären Bürogebäude denkbar, sagt Stahl.

Angesichts der Pläne des Senats, jedes Jahr 6000 Wohnungen bauen zu lassen, dürfte diesem Projekt von staatlicher Seite doch der rote Teppich ausgerollt werden? Als Antwort auf diese Frage legt Stahl einen dicken Aktenordner auf den Tisch. "Vor gut 20 Jahren hat der Grundstücksbesitzer das Gelände gekauft." Ursprünglich habe er darauf ein Hotel für Fernfahrer bauen wollen. Diese Idee zerschlug sich.

+++ Falle Wohnungsbau +++

Alle späteren Versuche, ein Unternehmen für diese Fläche einer früheren Farbenfabrik zu finden, schlagen fehl. "Wir haben Logistikunternehmen, Pharmaziebetriebe und Baufirmen angesprochen", sagt Stahl. "Die 12 000 Quadratmeter reichen für eine Industrieansiedlung offenbar nicht aus."

Als der Wind sich dreht und die Politik verstärkt nach Flächen für Wohnungsbau sucht, kommen Stahl und seine Projektentwickler auf eine neue Idee. Sie halten die Wasserlage am Billebecken für geeignet, Wohnen und Arbeiten miteinander zu verbinden. "Wir haben Wohnungsgenossenschaften angesprochen, die sind sehr interessiert", sagt Projektentwickler Stahl.

Rund 35 Millionen Euro Entwicklungskosten würden anfallen. Hinzu kämen die 5,8 Millionen Euro, die der Grundstückseigentümer für den Verkauf erhalten würde. In der Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt (BSU) ist man von der Idee, Gewerbeflächen am Billebecken durch eine Mischbebauung aufzuwerten, angetan. "Die Behörde würde es begrüßen, wenn eine gemischt genutzte Entwicklung mit Wohnungen am nördlichen Billebeckenrand entstehen könnte", sagt Sprecherin Kerstin Graupner, fügt aber hinzu: "Zuständig ist das Bezirksamt Mitte."

Dort aber stößt der Plan auf Skepsis. "Gegenüber dem Gelände gibt es Gewerbetreibende, die Bestandsschutz genießen", sagt Amtssprecherin Sorina Weiland. Hintergrund sind Sorgen, dass nach dem Bau von Wohnungen höhere Anforderungen an Lärm- und Umweltschutz gestellt werden könnten. Ähnlich ablehnend argumentiert die Wirtschaftsbehörde. "Eine Wohnnutzung dort würde die Nutzbarkeit benachbarter Gewerbe- und Industrieflächen einschränken", erklärt die Behörde.

Zudem fürchtet man, dass Investoren auch andere Teile des Gewerbegebiets als geeignet für den Wohnungsbau entdecken würden, wenn man nachgibt. Zumal in Hamburgs Wirtschaftskreisen ohnehin die Sorge umgeht, dass die Bezirke verstärkt ein Auge auf Gewerbegebiete werfen, um Flächen für den vom Senat verordneten Wohnungsbau zu finden. Eine Hoffnung besteht aber für Ron Riedberg Stahl noch. Wenn Gewerbeflächen sich als nicht mehr marktfähig erweisen, könnten sie im Einzelfall für den Wohnungsbau freigegeben werden, erklärt die Wirtschaftsbehörde.