Hamburg. Das Parkhaus mit seinen 546 Stellplätzen an der Neuen Gröningerstraße nahe der Hauptkirche St. Katharinen fällt sofort ins Auge. An der Fassade des 60er-Jahre-Baus blättert schon der Putz ab. Doch damit soll bald Schluss sein. Auf dem Filetgrundstück in der Hamburger Altstadt soll ein „innovatives und nachhaltiges Bauprojekt mit vielfältigen Nutzungen“ entstehen – mit 70 Mietwohnungen, darunter 60 Prozent Sozialwohnungen, sowie Gewerbeflächen für Einzelhandel, dazu kulturelle Angebote und Gemeinschaftsräume für das Quartier.
Dafür hat die Hansestadt jetzt die nötigen Voraussetzungen geschaffen: Hamburg hat das Grundstück der Genossenschaft Gröninger Hof im Erbbaurecht überlassen. Die Genossenschaft kauft das im Eigentum der Stadt bleibende Grundstück also nicht und zahlt stattdessen regelmäßig einen Betrag, den sogenannten Erbbauzins, um auf dem Grundstück ein Bauwerk zu errichten beziehungsweise zu unterhalten. Zuvor war das Gelände in der Innenstadt im Zuge einer Konzeptvergabe mit den Schwerpunkten Energieeffizienz, Klima und Nachhaltigkeit durch den Landesbetrieb Immobilienmanagement und Grundvermögen ausgeschrieben.
Keimzelle Hamburgs soll lebenswertes Wohnquartier werden
„Es ist uns gelungen, mit den Instrumenten der Konzeptvergabe – die Bedingungen für eine Bebauung vorgibt – und des Erbbaurechts eine nicht gewinnorientierte Nutzung zu ermöglichen“, sagte Andreas Dressel (SPD). Der Finanzsenator und die Senatorin für Stadtentwicklung und Wohnen, Dorothee Stapelfeldt (SPD), stellten am Freitag die Pläne für das Grundstück vor. „Es musste eine Ausschreibung geben“, sagte Dressel. Durch die Bedingungen in der Ausschreibung habe Hamburg aber dafür gesorgt, dass nicht „irgendein Investor“, sondern ein „beteiligungsorientierter, lokaler Ansatz“ den Zuschlag erhielt.
Institutionen aus verschiedenen Bereichen haben die Genossenschaft Gröninger Hof gegründet. Mit dabei sind unter anderem die Patriotische Gesellschaft, die Evangelische Akademie der Nordkirche und die Initiative „Altstadt für Alle!“, aus der die Genossenschaft ursprünglich hervorging. Die Interessenvereinigung möchte die Keimzelle Hamburgs als den Teil der Innenstadt, in dem heute vor allem Bürogebäude und Parkhäuser stehen, langfristig wieder zu einem lebenswerten Wohnquartier entwickeln.
In den unteren Geschossen soll Gewerbe angesiedelt werden
Durch Unterstützung von vielen Seiten habe die im Kern sehr kleine Genossenschaft eine Bewerbung entwickeln können, bei der niemand mit dem Wohnen Geld verdient. „Der Ertrag soll hier das Gemeinwohl sein“, sagt die Aufsichtsratvorsitzende der Genossenschaft Tina Unruh. Die Genossenschaft will nun die Planung für ein „durchmischtes Wohn- und Gewerbeobjekt vorantreiben“. Das achtgeschossige Parkhaus soll idealerweise nicht abgerissen, sondern in Teilen erhalten bleiben und umgebaut werden.
Die öffentlichen Flächen in den unteren Geschossen sollen „mit verschiedenen Akteuren aus dem Quartier und der Stadt weiterentwickelt und bespielt werden“. Dazu gehören unter anderem das Restaurant Hobenköök im Oberhafen, die Evangelische Stiftung Alsterdorf und der Co-Working-Space Betahaus. Im Untergeschoss sind Flächen für Carsharing, eine E-Auto-Ladestation und eine Fahrradgarage vorgesehen.
Umbau soll Ende 2021 beginnen
Ob die Genossenschaft ihre ambitionierten Ziele umsetzen kann, wird sich in den kommenden zwei Jahren zeigen – so lange läuft die Betriebsgarantie des Parkhauses noch. Anschließend wird es einen Architektur-Wettbewerb geben, und Ende 2021 soll dann mit dem Umbau begonnen werden.
Zunächst muss die Genossenschaft aber noch Geld auftreiben. Dafür führt sie bereits erste Gespräche mit der Investitions- und Förderbank. Die Hamburger Volksbank steht als Finanzpartner bereits fest. Da der Genossenschaft Grundstück und Gebäude nicht gehören, hat sie auch keine Sicherheit und ist stattdessen auf einen Eigenanteil durch Spenden angewiesen. „Wir stehen allen Hamburgern offen“, erklärt Unruh.
Genossenschaftsmitglieder können sich um eine Wohnung bewerben
Interessierte können für 1000 Euro einen Anteil an der Genossenschaft erwerben, um das Projekt „zu unterstützen und mitzugestalten“. Privatpersonen erhalten ab einem, Unternehmen ab drei Anteilen ein Stimmrecht – mehr sind nicht möglich, auch wenn zusätzliche Anteile gekauft werden können. Dadurch wird allerdings nicht garantiert, später auch dort wohnen zu können. Genossenschaftsmitglieder werden sich aber um eine Wohnung bewerben können. In einem Auswahlverfahren soll dann geklärt werden, wer einziehen darf. „Wer hier wohnen will, muss auch etwas für Haus und Viertel tun“, so Unruh.
Dass die Mitglieder der eigens für das Grundstück gegründeten Genossenschaft bereits viel für das Gebäude getan haben, würdigte auch die Senatorin. „Dieses Projekt engagierter Bürgerinnen und Bürger ist ein ganz besonderes – gemeinsam mit vielen lokalen Aktiven und Beteiligten wird hier ein Mehrwert für das Quartier geschaffen“, sagte Stapelfeldt.
Wenn das Projekt erfolgreich ist, könnte es ein gutes Beispiel für künftige Vergaben von Grundstücken sein. Eine Blaupause für die anderen City-Parkhäuser sei es allerdings nicht, schließlich müssten noch ein paar Parkmöglichkeiten in der Innenstadt erhalten bleiben.
Opposition kritisiert Wegfall der 546 Parkplätze
Dass 546 Parkplätze wegfallen, stößt bei der Opposition auf Kritik. Die FDP begrüßt zwar die bauliche Aufwertung des Quartiers. Nicht akzeptabel sei allerdings, dass zahlreiche innenstadtnahe Parkmöglichkeiten ersatzlos wegfallen. „Das wird den Parkdruck weiter erhöhen, denn auch wenn es der Senat ignoriert, steigt doch die Zahl der Kfz-Zulassungen stetig“, sagte Ewald Aukes, verkehrspolitischer Sprecher der FDP-Bürgerschaftsfraktion.
Auch die CDU sieht den Verlust der Parkplätze kritisch. „Seit 2011 sind mehr als 2500 öffentliche Parkplätze ersatzlos verschwunden – das kostet wertvolle Lebenszeit, ist schlecht für die Umwelt und die Verkehrssicherheit“, sagte der verkehrspolitische Sprecher der CDU-Bürgerschaftsfraktion, Dennis Thering. Die Initiative Klimaschutz, die sich für eine autofreie Innenstadt einsetzt, begrüßt das Projekt dagegen und betont, dass Wohnungen statt Parkhäuser die logische Konsequenz einer solchen wären.
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