Hamburg. In geradezu himmlische Höhen ist Michel-Hauptpastor Alexander Röder „befördert“ worden. Denn als „guten Engel“ begrüßte Ohnsorg-Schauspielerin Sandra Keck charmant den Hausherrn. „Was man nicht so alles wird im Laufe der Jahre“, sagte dieser schmunzelnd und fügte an: „Aber heute ist alles möglich. Es ist Zeit für die Märchen im Michel.“ Und schöner als mit dieser traditionellen Benefizveranstaltung zugunsten der Abendblatt-Initiative „Kinder helfen Kindern“ lässt sich der Vorabend des 3. Advents wohl kaum begehen. Wenn im Kirchenraum die Lichter am Tannenbaum erstrahlen und die glockenhellen Stimmen der Lucia-Mädchen aus Lettland erklingen, die engelsgleich in weißen Gewändern in Norddeutschlands bekannteste Barockkirche einziehen, dann ist der Zauber von Weihnachten spürbar.
Prominentester Vorleser ist schon 93 Jahre alt
Rund 4000 Hamburger – 2000 am Abend und knapp 2000 am Nachmittag - waren gekommen, um festliche und fröhliche, berührende und besinnliche Momente zu erleben. Die „Märchen im Michel“, bei denen es nicht nur darum gehe, Schönes zu erleben, sondern auch Gutes zu tun, so Hauptpastor Röder, gibt es seit 27 Jahren. „Und die Frage, die sich nach so vielen Jahren stellt, ist nicht, ob das alles noch zieht, sondern wie man bitte an Karten rankommt.“ Mit dem Erlös werden in diesem Jahr vor allem die Hamburger Märchentage sowie alleinerziehende Mütter unterstützt.
Prominenter Vorleser der ersten Stunde ist Eberhard „Möbi“ Möbius, mittlerweile 93 Jahre alt, der pointiert und passagenweise frei die Geschichte von „Aishe und dem Weihnachtsmann“ vortrug, die aktuelle Fragen von Integration und kultureller Vielfalt adressierte. Auch Isabella Vértes-Schütter, Intendantin des Ernst Deutsch Theaters, Pastor Röder, Schauspielerin Pheline Roggan und Moderatorin Janin Ullmann - zum ersten Mal dabei - hatten heitere und gleichsam tiefsinnige Geschichten ausgewählt. „Es ist ein unglaubliches Gefühl, in diesem festlich geschmückten Michel lesen zu dürfen“, sagte Janin Ullmann, die sich bei ihrer Premiere für Christine Nöstlingers Geschichte vom „Weihnachtskarpfen“ entschieden hatte.
Ein bunter, lebendiger Adventskalender
Ihren bereits zweiten Auftritt an diesem Tag hatte abends Pauline Martin. Die Hamburger Landessiegerin des Vorlesewettbewerbs 2019 hatte schon am Nachmittag die Geschichte „Das siebte Ei“ von Jonas Gimmler vorgelesen, der damit als Fünftklässler im vergangenen Jahr den Schreibwettbewerb der Hamburger Märchentage gewonnen hatte. Sollte die Zwölfjährige, die am Albert-Schweitzer-Gymnasium die siebte Klasse besucht, aufgeregt gewesen sein, man hat es nicht bemerkt, so souverän und gekonnt (Sandra Keck bescheinigte „schauspielerisches Talent“) trug sie das Wintermärchen vor, das in einer Hamburger Bäckerei beginnt und von dort aus in ein königliches Schloss nach Frankreich führt.
Nachmittags sorgten 55 Alsterfrösche (Leitung: Sigrid Hennig), die sich zu einem lebendigen, bunten „Adventskalander“ formatiert hatten, mit Rolf Zuckowskis Weihnachtsklassikern für Stimmung. Bei der „Weihnachtsbäckerei“ klatschten und sangen alle, ob groß oder klein, mit. Neu dabei war in diesem Jahr der Mädchenchor Hamburg. Die 13 bis 24 Jahre alten Sängerinnen begeisterten unter der Leitung von Gesa Werhahn unter anderem mit einem ganz eigenen Arrangement von „O du stille Zeit“.
Das musikalische Programm des festlicheren Abendkonzerts gestaltete zum zweiten Mal der wunderbare Neue Knabenchor der Staatlichen Jugendmusikschule Hamburg (Leitung: Jens Bauditz) mit. Die 55 Sänger zwischen neun und 25 Jahren präsentierten traditionelle Lieder von Bach und Händel bis hin zum populären „Carol of the Bells“.
Am Ende ein gemeinsames „O du fröhliche“
Für Gänsehautmomente sorgten die Lucia-Sängerinnen der A-cappella-Gruppe Latvian Voices. Kaum ein Zuhörer war wohl nicht gerührt, als sie mit ihren feinen Stimmen „Hallelujah“ intonierten. Nach dem Segen endeten beide Konzerte mit einem gemeinsamen „O du fröhliche“ (Orgel: Christoph Schoener). „Dieser Abend geht nicht nur zu Herzen“, so Pastor Röder, „er öffnet auch Herzen.“ Mehr vermögen selbst Engel nicht.
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