Hamburg. Verleiher Voi und Hochbahn wollen testen, ob so mehr Menschen auf ÖPNV umsteigen. Lime erhöht Preise

Die Zahl der ausleihbaren E-Scooter wächst weiter. Laut Verkehrs­behörde sind mittlerweile schon 2600 dieser Tretroller in Hamburg unterwegs. Gestern kamen weitere 60 dazu – je 30 in Berne und in Poppenbüttel. Der Rollerverleiher Voi will dort gemeinsam mit der Hamburger Hochbahn ausprobieren, ob die Scooter eine sinnvolle Ergänzung zum ÖPNV sind. Fast zur gleichen Zeit läutete eine andere Verleihfirma in Hamburg die nächste Preisrunde ein. Die Minutengebühren wurden kräftig angehoben. Der Verleiher Lime ist damit nun teuerster Anbieter. Er verlangt jetzt 25 Cent statt 20 Cent pro Minute. Das ist ein Aufschlag von 25 Prozent.

Henrik Falk, Vorstandsvorsitzender der Hochbahn, sagte zu dem Pilotprojekt mit Voi: „Um mehr Menschen für Bus und Bahn zu gewinnen, sind smarte Verknüpfungen unterschiedlicher Angebote sinnvoll. Mit den E-Scootern von Voi wollen wir die erste Meile zur Bahn, die manchmal lästig ist und deshalb zur Autofahrt in die Stadt verführen könnte, so einfach und attraktiv wie möglich gestalten.“ Und so funktioniert das Pilotprojekt, das vorerst bis zum Jahresende laufen soll: Die 60 Roller werden morgens in Farmsen-Berne und Poppenbüttel dort stehen, wo am meisten Kundschaft zu erwarten ist. An den Park-and-ride-Anlagen am S-Bahnhof Poppenbüttel und am U-Bahnhof Berne stehen nun Abstellvorrichtungen, in die die Scooter geschoben werden können. Abends, nach der Arbeit, kann der Weg vom Bahnhof zur Haustür dann wieder mit dem Roller zurückgelegt werden – falls einer da ist. Nach Abschluss des Pilotprojekts am Jahresende erfolgt eine Analyse der Scooter-Nutzung. Danach entscheidet Voi, ob das Vorhaben auf andere Stadtteile ausgedehnt wird, auf diese beiden Stadtteile beschränkt bleibt oder ganz eingestellt wird.

Vergünstigter Tarif für Berner und Poppenbütteler

Claus Unterkircher, Deutschland-Chef von Voi, sagte: „Unser Ziel ist es, E-Scooter als sinnvolle Ergänzung im Mobilitätsmix zu etablieren. Darum haben wir in enger Abstimmung mit der Stadt ein Konzept entwickelt, das einen geordneten und nachhaltigen Betrieb fördert und zusätzlich auch die Erprobung neuer Ansätze ermöglicht.“ Das Pilotprojekt sei „in der Form in Deutschland einmalig“. Für Berner und Poppenbütteler gilt auch ein vergünstigter Tarif – quasi ein Lockangebot, um das Pilotprojekt ins Laufen zu bringen. Die pauschale Entsperrgebühr von 1 Euro, die bei jedem Ausliehen bezahlt werden muss, entfällt für sie. Dasselbe gilt auch für HVV-Kunden. Der Minutenpreis bleibt hingegen unverändert. Voi verlangt 15 Cent.

Die skandinavische Firma ist damit in Hamburg der günstigste Anbieter. Alle anderen haben innerhalb der ersten vier Wochen nach dem Start um den 21. Juni herum die Preise kräftig angehoben.

Preis wird angehoben, wenn es die Konkurrenz auch tut

Tier war mit 15 Cent pro Minute gestartet, nimmt seit gut einer Woche aber 19 Cent. Circ hat von 15 auf 20 Cent erhöht. Lime verlangt seit dem vergangenen Wochenende 25 statt 20 Cent. Welche Taktik damit verfolgt wird, ist unklar. Lime reagierte auf Presseanfragen nicht. Bodo von Braunmühl, Sprecher von Tier, sagte zur Anhebung: „Vom Prinzip hat dies sowohl mit der hohen Nachfrage als auch mit den Preisen der Wettbewerber zu tun, die ja mehrheitlich über 19 Cent liegen.“ Die Scooter sind im Vergleich zu anderen Leihangeboten relativ teuer. Ein StadtRad kostet nur 10 Cent pro Minute. Die ersten 30 Minuten sind frei, eine Entsperrgebühr gibt es nicht. Der Kunde muss sich allerdings mit Muskelkraft fortbewegen. Aber selbst die elek­trisch angetriebenen Lastenpedelecs von StadtRad sind zum selben Preis zu bekommen.

­Dennoch: Der Kampf um das nagelneue E-Scooter-Verleihgeschäft ist in vollem Gang – und wird sich noch zuspitzen. Denn einer der wirklichen großen Anbieter, Bird aus den USA, ist noch gar nicht dabei. Das Unternehmen hat bereits mitgeteilt, auch in Hamburg aktiv werden zu wollen, macht aber derzeit ein großes Geheimnis um den Startzeitpunkt. Christian Gessner, Deutschland-Chef von Bird, spricht von einigen Tagen oder Wochen. Den Boom der E-Scooter-Anbieter sieht er kritisch. „Die Konsolidierung wird schneller erfolgen, als viele denken“, sagte er der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. „Die Investments sind sehr hoch, und Ende des Jahres wird die Kriegskasse bei vielen erschöpft sein.“ Für Bird sei das Tretroller-Geschäft aber kein Jahresprojekt, sondern ein Marathon für mehrere Jahre.

Voi nimmt sich nun erst einmal Berne und Poppenbüttel vor. Mit 60 Rollern wird man dort am Anfang keine großen Geschäfte machen können. Insgesamt hat das Unternehmen in Hamburg rund 1000 Scooter am Start – und liegt damit zahlenmäßig dicht hinter Tier, aber vor Lime und Circ.