Hamburg

Datenschutz: Polizei muss Mehrheit der alten Akten löschen

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Christoph Heinemann
Der CDU-Abgeordnete Dennis Gladiator warnt, dass der Datenschutz die Ermittler nicht an Fahndungserfolgen hindern dürfe.

Der CDU-Abgeordnete Dennis Gladiator warnt, dass der Datenschutz die Ermittler nicht an Fahndungserfolgen hindern dürfe.

Foto: Klaus Bodig / HA

Beamte müssen mehr als eine Million Datensätze überprüfen. Eine erste Zwischenbilanz gibt der CDU Grund zur Sorge.

Hamburg.  Es ist ein Mammutprojekt hinter den Kulissen der Polizei: Wegen der geltenden Datenschutzbestimmungen muss ein gewaltiger Bestand von einer Million alter Akten überprüft und ein Teil der Daten gelöscht werden (das Abendblatt berichtete exklusiv). Gewerkschafter warnen davor, dass ein „Gedächtnisverlust“ drohe und Täter wegen der gelöschten Daten künftig nicht mehr zu ermitteln seien. Nun liegt eine erste Zwischenbilanz der Prüfung im Polizeipräsidium vor: Mehr als die Hälfte der bereits durchgearbeiteten Akten sind demnach vernichtet worden.

Bis zum 30. April dieses Jahres seien „5667 Kriminalakten abschließend überprüft“ worden, heißt es in der Senatsantwort auf eine Kleine Anfrage des CDU-Abgeordneten Dennis Gladiator. Davon seien 3412 Akten aus der polizeiinternen Datenbank POLAS gelöscht oder die entsprechenden Papierdokumente vernichtet worden. Eine Arbeitsgruppe ist den Angaben zufolge seit dem 1. August 2018 aktiv. Sechs Beamte aus der Abteilung 27 des Landeskriminalamtes sind im Einsatz.

Erfahrene Kriminalbeamte sichten die Akten

„Für die Überprüfung der Kriminalakten werden erfahrene Kriminalbeamtinnen und Kriminalbeamte eingesetzt“, schreibt der Senat weiter. Zuvor hatte auch Polizeisprecher Timo Zill betont, dass „mit Augenmaß“ vorgegangen werde. Rechtlich gibt es in vielen Fällen jedoch keine Handhabe, die Akten weiter aufzubewahren.

Sowohl die Prüfaktion als auch der Datenschutz allgemein sorgen für große Aufregung unter den Polizeibeamten. „Die Kollegen dürfen in der täglichen Ermittlungsarbeit nicht einmal Exceltabellen mit bestimmten Wiederholungs­tätern erstellen, weil das gleich als Datenbank gilt“, sagt der Landesvorsitzende des Bundes Deutscher Kriminalbeamter (BDK), Jan Reinecke. „Natürlich sind persönliche Daten ein hohes Gut, das gilt auch für Straftäter. Aber die inzwischen geltenden Regelungen behindern unsere Arbeit.“ Der CDU-Abgeordnete Dennis Gladiator sagte angesichts der neuen Zahlen, dass der Datenschutz nicht zum Täterschutz werden dürfe. „Es ist nicht hinzunehmen, wenn der Datenschutz die gute Ermittlungsarbeit der Beamten unmöglich macht.“

Auch der Polizeisprecher Timo Zill betonte, dass sich der Datenschutz in den vergangenen Jahren fundamental verändert habe. „Die Herausforderung besteht aktuell darin, eine gute Balance zwischen Datenschutz und effektiver Strafverfolgung zu erzielen“, sagte Zill.

Datenschützer warf der Polizei jahrelange Versäumnisse vor

Der Hamburgische Datenschutz­beauftragte Johannes Caspar verwies dagegen darauf, dass die groß angelegte Prüfung der Aktenbestände nicht durch neue Datenschutzregeln nötig geworden sei – sondern durch Versäumnisse der Polizei dabei, alte Regelungen aus dem Jahr 1991 umzusetzen. „Dass die Polizei diesen Datenbestand bereinigt, ist daher nicht zu beklagen, sondern gehört nicht seit heute zu den Pflichten einer verantwortlichen Stelle.“

Auch einer Kritik der Gewerkschaften daran, dass die Akten zu abgeschlossenen Fällen zu schnell vernichtet werden müssten, trat der Datenschützer entgegen. Caspar wies darauf hin, dass Akten nicht nach fünf Jahren automatisch gelöscht werden, sondern ihre weitere Verwahrung überprüft werde. Diese Regelung sei von der Polizei selbst bei Inkrafttreten der Gesetze gewählt worden. „Als maximale Höchstfrist für die Prüfung hat der Gesetzgeber bereits 1991 bei Erwachsenen zehn Jahre festgelegt“, sagte Johannes Caspar. Er sei offen für eine weitere Diskussion – dazu müssten aber „Gründe dargelegt werden, die die derzeitige Praxis infrage stellen“.

Bislang gibt es keinen konkreten Zeitplan dafür, wann die etwa 900.000 Datensätze in POLAS und etwa 130.000 weitere Handakten durchgearbeitet sein sollen. In Polizeikreisen wird davon ausgegangen, dass die Beamten für ihre Aufgabe mindestens vier Jahre benötigen werden.

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