Hamburg. Es sollen weiterhin viele Wohnungen gebaut werden, aber es gibt auch Pläne, die Naturqualität zu erhöhen. Das sind die Vereinbarungen.

Die Regierungsfraktionen von SPD und Grünen in der Hamburgischen Bürgerschaft haben sich mit dem Naturschutzbund Hamburg (Nabu) über den Erhalt der Grünflächen in der Stadt geeinigt. In einem „Vertrag für Hamburgs Stadtgrün“ soll der Prozess verpflichtend festgeschrieben werden. Der Nabu zieht seine Volksinitiative „Hamburgs Grün erhalten“ im Gegenzug zurück.

Die Stadt verpflichtet sich, den Grünanteil von rund 30 Prozent der Gesamtfläche Hamburgs dauerhaft zu erhalten. Gleichzeitig will der rot-grüne Senat an seinem ehrgeizigen Wohnungsbauprogramm mit 10.000 Baugenehmigungen jährlich festhalten.

Das sind die wesentlichen Vereinbarungen:

  • Der Anteil der Naturschutzgebiete soll von derzeit 9,14 Prozent auf mindestens zehn Prozent erhöht werden.
  • Der Anteil der Landschaftsschutzgebiete in Höhe von 18,9 Prozent der Gesamtfläche soll dauerhaft erhalten bleiben.
  • Das Gleiche gilt für den Anteil der Flächen des Biotopverbunds in Höhe von 23,2 Prozent. In den Biotopflächen sind zum Teil auch Landschaftsschutzgebiete enthalten.
  • Falls der Senat Flächen, die innerhalb des zweiten grünen Rings (etwas größer als der Straßenverlauf des Rings zwei) liegen, bebauen will, müssen Ausgleichsflächen in gleicher Größe innerhalb des zweiten grünen Rings ausgewiesen werden.
  • Die Naturqualität der Grünflächen insgesamt soll verbessert werden. Auch dafür werden zehn zusätzliche Ranger für die Naturschutzgebiete und den Biotopverbund eingestellt.
  • Der Senat will insgesamt aufwachsend 4,5 Millionen Euro zusätzlich aufwenden.

Das Selbstlob aller Beteiligten heute Mittag im Rathaus fiel überschwänglich aus. SPD-Fraktionschef Dirk Kienscherf sprach von einem „großen Tag für diese Stadt“. Grünen-Fraktionschef Anjes Tjarks nannte die Vereinbarung einen „Meilenstein in der Entwicklung der Stadt“.

Nabu: "Das ist ein großer Sprung nach vorne"

Nabu-Vorsitzender Alexander Porschke sagte: „Hamburgs Grün bleibt erhalten. Soweit waren wir noch nie..“ Auch der rot-grüne Senat hatte im Hintergrund mitgewirkt und unter anderen Datenmaterial in erheblichem Umfang bereitgestellt. „Das ist eine fundierte Vereinbarung mit einem zukunftsweisenden Konzept, mit dem Hamburg auch in Zukunft eine moderne, klimafreundliche und lebenswerte Metropole bleiben kann“, sagte Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD).

Auch Hamburgs Umweltsenator Jens Kerstan (Grüne) betonte, dass Hamburg trotz des Baubooms eine grüne Stadt bleibe. "Wir werden noch weitere Naturschutzgebiete ausweisen und wir stellen sicher, dass Eingriffe in die Natur hochwertig und vollständig ausgeglichen werden", sagte Kerstan und versprach: "Wir geben eine Qualitätsgarantie ab, dass trotz Bautätigkeit die ökologische Wertigkeit der Natur in Hamburg weiter verbessert wird." Dafür werde die Stellung des Sondervermögens "Naturschutz und Landschaftspflege" bei seiner Behörde entscheidend gestärkt.

CDU: Zunehmender Widerstand aus der Bevölkerung war klar

Kritik kam vonseiten der CDU-Bürgerschaftsfraktion. "Die Volksinitiative ‚Hamburgs Grün erhalten‘ war die Quittung für die Politik des rot-grünen Senats", sagte CDU-Fraktionschef André Trepoll. Dieser habe in den vergangenen Jahren viele schützenswerte Flächen bebaut und Straßenbäume ersatzlos gefällt. "Dass das so nicht weitergehen kann und der Widerstand aus der Bevölkerung zunimmt, war klar", sagte Trepoll.

Seiner Ansicht nach wäre es deshalb umso wichtiger, dieses Thema "nicht im geheimen Hinterzimmer zwischen Grünen vom Nabu und Grünen aus Fraktion und Senat zu verhandeln", sondern mit der ganzen Stadt und im Parlament. Die jetzt erzielte Einigung lasse viele Fragen offen. "Unklar ist weiter, wie soll Hamburg entwickelt werden und welche Flächen sind tabu? Diese Einigung darf aber auch den Freizeitwert unserer Flächen für alle Hamburger nicht einschränken", mahnte der CDU-Politiker. "Grundsätzlich begrüßen wir mehr Naturschutzgebiete, das nützt aber nichts, wenn dafür andere naturnahe Flächen als Bauland herhalten müssen." Einfach mehr Geld für Naturschutz versprechen, reiche da als Antwort nicht aus.

FDP: Kompromiss offenbart Versäumnisse des Senats

Auch die FDP reagierte verhalten auf die Einigung zwischen Rot-Grün und Nabu. „Der von Nabu, SPD und Grünen im Hinterzimmer ausgehandelte Kompromiss offenbart die Versäumnisse des rot-grünen Senats bei der Umsetzung bisheriger Naturschutzmaßnahmen", kritisierte der FDP-Umweltexperte Kurt Duwe. "Ohne diese wäre die Volksinitiative kaum zustande gekommen."

Zwar begrüße seine Fraktion zwar, dass es künftig gemeinsame Anstrengungen für mehr Qualität im Naturschutz geben soll. Aber: "Gleichzeitig haben wir Zweifel, ob die angekündigte Einigung auch tatsächlich ein Herzensanliegen des Senats ist", sagte Duwe. "Bislang befinden sich Hamburgs Naturschutzgebiete in einem schlechten Zustand." Statt schöner Sonntagsreden brauche Hamburg dringend verbindliche Qualitätsstandards für den Zustand des Biotopverbunds.

Linke: Kompromiss wird Betonierung von Grün kein Ende setzen

Die Linken-Bürgerschaftsfraktion wertet es als Erfolg, dass der Anteil von Naturschutzgebieten, Landschaftsschutzgebieten und des Biotopverbundes in Hamburg mindestens auf dem heutigen Niveau erhalten bleiben solle. Das bedeute aber nicht, dass auch der Grünanteil in Hamburg auf dem heutigen Stand bleibe, sagte Stephan Jersch, umweltpolitischer Sprecher der Linksfraktion.

"Der Kompromiss mit der Volksinitiative wird der Betonierung von Grün an vielen Stellen in Hamburg aber kein Ende setzen, wie es zum Beispiel in Wilhelmsburg bei der A 26-Ost erforderlich wäre", so Jersch. "Zivilgesellschaftlicher Widerstand wird weiter nötig sein, solange es an klugen Konzepten des Senats zur Stadtentwicklung fehlt."

Volksinitiative hatte im Sommer 2018 erste Hürde genommen

Die Volksinitiative "Hamburgs Grün erhalten" hatte im Sommer 2018 die erste Hürde genommen – es kamen weit mehr als die erforderlichen 10.000 gültigen Unterschriften zusammen. Anschließend befasste sich die Bürgerschaft mit ihren Forderungen. Die Initiatoren unter anderem vom Naturschutzbund Deutschland (NABU) wollen, dass bei der Stadtplanung mehr Rücksicht auf den Erhalt von Grünflächen genommen wird.