Steuergelder

Gutachten, Werbung – gibt Hamburg zu viel aus?

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Jens Meyer-Wellmann
Viel Geld: Die Fachbehörden zahlten fast 36 Millionen Euro für externe Experten.

Viel Geld: Die Fachbehörden zahlten fast 36 Millionen Euro für externe Experten.

Foto: Jens Kalaene / dpa

Reklame für Radverkehr kostet Steuerzahler 4,2 Millionen Euro. CDU kritisiert Kosten und spricht von Schönfärberei.

Hamburg.  Der rot-grüne Senat hat seit seiner Amtsübernahme im Frühjahr 2015 fast 36 Millionen Euro für Gutachten, Werbekampagnen, Prüfberichte oder ähnliche externe Dienstleistungen ausgegeben. Das geht aus der Antwort auf eine Kleine Anfrage des CDU-Fraktionsvorsitzenden André Trepoll hervor, die dem Abendblatt vorliegt.

Demnach zahlten die Hamburger Fachbehörden in dieser Wahlperiode bereits exakt 35.846.232,51 Euro an externe Experten. Einberechnet wurden dabei laut Senat nur Aufträge ab einem Wert von 50.000 Euro, da die Auswertung sonst zu aufwändig gewesen wäre. Größter Auftraggeber ist die Behörde für Wirtschaft, Verkehr und Innovation, die mit 12,8 Millionen Euro mehr als ein Drittel der Kosten erzeugte. Es folgen die Finanzbehörde mit knapp sechs Millionen, die Senatskanzlei mit 3,8 Millionen und die Umweltbehörde mit 3,6 Millionen Euro.

Zweitgrößter Auftrag

Laut der vom Senat beigefügten Lis­te aller Gutachten, Kampagnen und anderer Expertisen wurde auch der größte Einzelauftrag von der Wirtschaftsbehörde vergeben. Für die schon länger angekündigte „360°-Marketingkampagne zur Stärkung des Radverkehrs und der Lebensqualität“, die zwischen 2018 und 2021 für eine Verbesserung des derzeit sehr angespannten Verkehrsklimas in Hamburg sorgen soll, zahlt die Stadt 3,92 Millionen Euro an die Werbeagentur Jung von Matt/Sports GmbH. Für eine Kampagne zur Verbesserung der Sicherheit­ im Fahrradverkehr fließen 300.000 Euro an die Agentur Gürtlerbachmann – macht insgesamt 4,22 Millionen Euro für Radverkehrswerbung.

Den zweitgrößten Auftrag vergab ebenfalls die Wirtschaftsbehörde. Fast 2,3 Millionen Euro zahlt sie für den „Aufbau eines kleinräumigen Verkehrsnachfragemodells für Hamburg und Umland“ an die Ingenieurgruppe IVV. Damit sollen das Verkehrsaufkommen und Auswirkungen etwa von Baustellen, Sperrungen oder anderer Änderungen prognostiziert werden. Die Umweltbehörde gab insgesamt mehr als 1,2 Millionen Euro für Gutachten und Beratungsleistungen im Zusammenhang mit dem Rückkauf des Fernwärmenetzes und der geplanten Abschaltung des alten Kohlekraftwerks Wedel aus. Noch deutlich mehr Geld floss in externe Dienstleistungen zur Digitalisierung der Verwaltung.

Was die CDU dazu sagt

Fast 3,8 Millionen Euro zahlten Senatskanzlei und Finanzbehörde für die Unterstützung des Projektes „Digital First“ durch Externe. Das Vorhaben soll dann irgendwann dazu führen, dass fast alle Verwaltungsangelegenheiten in Hamburg­ auch online erledigt werden können.

CDU-Fraktionschef Trepoll hält die Ausgaben der Stadt für Gutachten, Studien und Kampagnen insgesamt für zu hoch. „Der rot-grüne Senat hat seit Beginn seiner Regierungszeit bereits mehr als 35 Millionen Euro für externe Gutachten und Kampagnen ausgegeben, weil es ihm an einigen Stellen an eigener Expertise und Personal fehlt. Und das bei einem immer weiter steigenden Haushaltsvolumen“, sagte Trepoll. „Da ist die Frage schon erlaubt, was die Fachbehörden mit dem vielen Geld der Hamburger Steuerzahler eigentlich machen?“ Dass die Verkehrs- und die Umweltbehörde besonders gern Externe beauftragten, passe ins Bild, so der CDU-Fraktionschef. „Hier sind die Probleme besonders groß und für jeden Hamburger sichtbar. Statt sich dabei aber um Lösungen zu bemühen, werden dann lieber mehr als 3,9 Millionen Euro in eine Marketingkampagne für den Radverkehr gesteckt, um die wenig beliebte Verkehrspolitik zu verkaufen. Es reicht aber nicht, rot-grüne Politik zu beschönigen, sie muss in der Sache endlich besser werden.“

Das sagt der Senat

Senatssprecher Marcel Schweitzer wies die Kritik zurück. Oft seien Gutachten und Studien etwa auf Grundlage eines Gesetzes erforderlich, so Schweitzer. Das sei etwa bei der Evaluation der Jugendhilfeinspektion so, die weitere tragische Tode von Kindern in schwierigen Familien oder bei Pflegeeltern verhindern soll. „In solchen Fällen haben Behörden keinen Spielraum und müssen Institute mit solchen Studien beauftragen“, sagte Schweitzer.

Um Neutralität zu gewährleisten, müssten solche Überprüfungen der Behördenarbeit stets an Externe vergeben werden. Die Bürgerschaft knüpfe ihre Zustimmung zu Projekten oft daran, dass diese „extern evaluiert werden, wie etwa bei der Jugendberufsagentur, deren Prozesse regelhaft überprüft werden müssen“. Oft würden Studien auch direkt vom Parlament in Auftrag gegeben.

„Im Übrigen gehen auch teure Studien auf die CDU zurück“, so der Senatssprecher. „Die CDU-Fraktion hatte zum Beispiel ein Gutachten zur Rückführung von Pflegekindern in ihre Herkunftsfamilien durchgesetzt, das Anfang des Jahres vorgelegt werden kann. Schon vor diesem Hintergrund erscheint die Kritik von Herrn Trepoll eigenartig.“ Den Vorwurf, die Verwaltung hätte in vielen Bereichen keine Expertise, weise er deshalb zurück, so Schweitzer „Wenn die Bürgerschaft – oder ein Gesetz – eine Evaluation vorschreibt, setzen wir dies so um.“

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