Barmbek

Fehlplanung? Die Brücke, die niemand braucht

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Sebastian Becht
In Barmbek soll die Maurienbrücke gebaut werden. Obwohl bereits zwei Brücken in direkter Nachbarschaft bestehen. Petra Ackmann aus dem Vorstand des Steuerzahlerbundes Hamburg und Anwohner Harry Trakowsky regen sich darüber auf.

In Barmbek soll die Maurienbrücke gebaut werden. Obwohl bereits zwei Brücken in direkter Nachbarschaft bestehen. Petra Ackmann aus dem Vorstand des Steuerzahlerbundes Hamburg und Anwohner Harry Trakowsky regen sich darüber auf.

Foto: Sebastian Becht

Der Osterbekkanal soll in Barmbek einen neuen Fußgängerüberweg bekommen – in direkter Nachbarschaft zu zwei vorhandenen.

Hamburg.  Petra Ackmann steht am Ufer des Osterbekkanals und zeigt auf zwei dunkle Flecken im trüben Wasser. „Hier sind die Fundamente der alten Brücke noch zu sehen“, sagt Ackmann, die Vorstandsmitglied im Hamburger Bund der Steuerzahler ist. Das Bauwerk verband früher einmal die durch den Kanal getrennten Abschnitte der Barmbeker Maurienstraße. Bis es im Zweiten Weltkrieg zerstört wurde. Jetzt will das Bezirksamt Hamburg-Nord einen Bebauungsplan aus dem Jahr 1996 umsetzen und die Brücke für rund 1,85 Millionen Euro wieder aufbauen. Im Eilverfahren mit geplanter Fertigstellung bis 2020. Dagegen regt sich Widerstand.

Kein erkennbarer Mehrwert

„Es gibt doch in unmittelbarer Nähe bereits zwei Brücken über den Kanal“, sagt Ackmann. Der neue Fußgängerüberweg habe an dieser Stelle keinen erkennbaren Mehrwert. Etwa 100 Meter östlich des geplanten Neubaus liegt die Bramfelder Brücke, etwa 200 Meter westlich führt die Hufnerstraßenbrücke über den Wasserlauf. Die neue Wegeverbindung ist vorrangig als etwa 4,5 Meter breite Fußgängerbrücke geplant. Radfahrer sollen sie untergeordnet ebenfalls nutzen dürfen. Allerdings ohne eigenen Fahrradstreifen. Die beiden bereits bestehenden Brücken sind dagegen doppelseitig mit großzügigen Fuß-und Radwegen ausgestattet.

Keine gute Anbindung

„Es macht überhaupt keinen Sinn, hier noch eine Brücke zu bauen“, regt sich Ackmann auf. An der Stelle komme sowieso keiner an, der genau dort übers Wasser möchte. Auch Fußgänger und Radfahrer nutzten die Hauptverkehrsadern entlang der Hufnerstraße und der Bramfelder Straße. Die sind gut ausgebaut. Bei der neuen Brücke wird auf der Südseite eine hoch frequentierte Straße ohne Querungsmöglichkeit angrenzen, und auf der Nordseite liegt Kopfsteinpflaster. Auf beiden Seiten fehlt ein Radweg.

Wiederaufbau lange geplant

Geplant ist der Wiederaufbau der Brücke schon lange. Der Bebauungsplan steht bereits seit 1996. Er ist aus einem städtebaulichen Wettbewerb von 1990 hervorgegangen. Anschließend lagen die Pläne aber lange auf Eis. „Sie konnten bisher nicht finanziert werden – jetzt steigen die Steuereinnahmen wieder“, sagt Ackmann und fügt hinzu: „Aber nur weil Geld rumliegt, muss man es nicht raushauen.“ Die Finanzwirtin hat ausgerechnet, dass die elf Mitarbeiter ihres Steuerbüros 30 Jahre Lohnsteuer bezahlen müssten, um die Brücke zu finanzieren.

Plan war nicht abgestimmt

Auch der parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Bezirksfraktion Hamburg-Nord sieht keinen Sinn in einer neuen Brücke. „Auf einmal hat die Stadt zu viel Geld und möchte bauen“, sagt Alexander Kleinow. Besonders ärgert ihn, dass die Behörden das wiederbelebte Bauvorhaben nicht im örtlichen Regionalausschuss vorgestellt haben. „Wir wurden vor vollendete Tatsachen gestellt“, sagt Kleinow. Wenn überhaupt, habe die neue Verbindung nur einen Nutzen für die unmittelbaren Anwohner.

Auch der Politiker zweifelt daran, dass irgendjemand sonst genau an dieser Stelle übers Wasser gehen möchte. Radfahrer und Fußgänger nutzten seit vielen Jahren die vorhandenen Brücken. Selbst wenn sich der Verkehr umleiten ließe, würde ein weiteres Problem entstehen. „Ein paar Meter entfernt liegt die meistgenutzte Feuerwache Hamburgs“, sagt der Politiker. Dort fahren ständig Einsatzkräfte aus, die dadurch behindert würden.

Brücke extra für Fußgänger

Aus dem Bezirksamt heißt es, die Planung befinde sich noch am Anfang, deshalb könne zu solchen Fragen noch keine Aussage getroffen werden. Dass die vorhandenen Brücken nicht ausreichten, sei aber bereits geklärt. „Die Wiedererrichtung der Maurienbrücke dient der Schaffung von kurzen, attraktiven, nicht verlärmten Wegen für Fußgänger“, sagt Behördensprecher Daniel Gritz. Die bereits bestehenden Brücken sind stark befahren und werden von Autos dominiert. Die neue soll ein ergänzendes Angebot darstellen, das sich davon abgrenzt.

Kleinow kann nicht nachvollziehen, warum das nötig sein sollte. „Es ging doch jahrelang auch anders gut“, sagt der Politiker, den noch etwas stört. Am Südufer der geplanten Brücke befindet sich eine Grünfläche, die der Stadt gehört und vergangenes Jahr an Anwohner verpachtet wurde, die sie nach langem Verfall wieder aufgehübscht haben. „Das wird jetzt plattgemacht für eine Brücke, die keiner braucht“, sagt Kleinow. Dabei hätten sich die Anwohner viel Mühe gegeben.

Flächen begrünt

Einer davon ist Harry Trakowsky. Gemeinsam mit seinen Nachbarn pflegte der Pensionär die 415 Quadratmeter große Fläche. „Davor war alles voller Müll, und keiner hat sich darum gekümmert“, sagt er. Die Verwaltung hatte einen Bauzaun aufgestellt, um den Bereich vor Blicken zu schützen. Die Anwohner entfernten den Müll, begrünten die Fläche und stellten gemeinsam mit einem Imker Insektenhotels und einen Bienenstock auf. „Dann kam im Frühjahr auf einmal ein Vermessungstrupp, und es kam raus, dass hier eine Brücke gebaut werden soll“, sagt Trakowsky.

Anwohner wussten von nichts

Davor habe niemand die Anwohner darüber informiert. Die wandten sich daraufhin an verschiedene Behörden. Zunächst fühlte sich keiner verantwortlich. Erst Ende dieses Jahres habe eine Infoveranstaltung stattgefunden, die ihn aber nicht überzeugt habe. Trakowsky: „Uns hat bis heute keiner plausibel erklären können, warum jemand diese Brücke braucht.“

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