Hamburg. Die Tische sind komplett besetzt. Der Lautstärkepegel ist entsprechend hoch. Das Personal wirbelt durch den ehemaligen Pferdestall, schenkt Wein nach oder präsentiert Gänse, die gleich auf den Tellern der Gäste landen werden. Gerade hat Nils Jacobsen Holz für den Kamin nachgelegt, der in der Mitte des Raums prasselt. Nun steht der Gastronom in einer ruhigeren Ecke und beobachtet aufmerksam das Treiben in seiner Brasserie & Bar Hygge im Landhaus Flottbek. Er trägt Schwarz. Das Hemd hängt locker über der Jeans. Krawatten und Anzüge sind nach vielen Jahren in der internationalen Hotellerie nicht mehr so seins.
Das Hygge – das ist dänisch und steht für Lebensfreude und Gemütlichkeit – hat Jacobsen, der dänische Vorfahren hat, erst im April 2017 eröffnet. Das Konzept setzte sich durch. „Wir sind der Treffpunkt in den Elbvororten geworden. Aber die Gäste kommen nicht nur aus der näheren Umgebung, sondern aus der ganzen Stadt und einige sogar aus Dänemark“, sagt Jacobsen.
Das Restaurant erhielt den Carlsberg-Preis
Ende September (wir berichteten) wurde das Hygge mit dem Carlsberg-Preis in der Kategorie „bestes Gastronomiekonzept“ in Norddeutschland ausgezeichnet: „Das war eine große Ehre für mein tolles Team und mich. Ich kann mich auf meine Leute in hohem Maße verlassen. Ich sehe mich nicht als Chef, sondern eher als ihr Coach und Berater.“ Er sei mehr ein Mann der stillen Töne. Schreien sei nicht seine Art, um Mitarbeiter zu motivieren. Viel mehr müssten die Stärken von jedem Einzelnen gefördert werden.
Bevor das Hygge „geboren“ wurde, war es ein „gutbürgerliches Restaurant mit weißer Tischwäsche und großen runden Banketttischen“, sagt Jacobsen. Bereits seit 23 Jahren betreibt der gebürtige Kieler das Landhaus Flottbek mit 25 Zimmern, Restaurant und Konferenzräumen.
Jacobsen wollte einen Ort schaffen, der Magie ausstrahlt
Im Jahre 2015 wurde aus dem Pächter Jacobsen der Eigentümer. Und er hatte ein Ziel vor Augen. Er wollte einen Ort schaffen, „der eine gewisse Magie ausstrahlt. Und der auf allen Ebenen der Wein-, Bar-, Essens- und Designkultur in der Champions League spielt“, sagt er selbst. Das Risiko scheut er nicht: „Ich habe alles auf eine Karte gesetzt, es hätte mit dem Hygge ja auch schiefgehen können.“ Der 55-Jährige steckt voller Energie, die er auch beim Rennradfahren oder Joggen an der Elbe herauslässt. Doch diese Hobbys seien in den letzten Jahren ein bisschen vernachlässigt worden, sagt er. Seit Kurzem probiert er Yoga aus, es soll der Entspannung dienen.
Der Unternehmer arbeitet viel für seinen Erfolg. Privates und Berufliches müssen unter einen Hut gebracht werden. Denn da ist die Familie. Das sind seine Frau Larissa, der vierjährige Sohn und die sechsjährige Tochter: „Ich versuche mir Freiräume zu schaffen, damit wir möglichst viel Zeit miteinander verbringen können“, sagt Jacobsen. Die vier leben in Blankenese: Er schätzt den „dörflichen Charme, die Lage am Wasser und dass die Menschen sich hier noch untereinander kennen“.
Aber Jacobsen reist auch gerne. Im neuen Jahr geht es mit der Familie vier Wochen nach Südafrika. Er liebt das Land und die Menschen. Einfach mal abschalten, keine E-Mails beantworten: „Wenn es ganz dringend ist, wird man mich schon anrufen“, sagt er lächelnd.
Jacobsen wollte eigentlich Betriebswirtschaft studieren
In Südafrika hat Jacobsen bereits Ende der 80er-Jahre in verschiedenen Häusern im Management gearbeitet. Zuvor hatte er eine Ausbildung zum Hotelkaufmann im Grand Hotel Seeschlösschen in Timmendorfer Strand absolviert. Eigentlich wollte er Betriebswirtschaftslehre (BWL) studieren, doch auf einen Studienplatz hätte Jacobsen damals warten müssen. Eine Station war auch das kalifornische Santa Barbara in den USA: „Diese Zeit im Ausland hat wirklich meinen Horizont erweitert. Auch die Leichtigkeit, mit der dort agiert wurde, hat mich beeindruckt.“
Zurück in Deutschland war Jacobsen unter anderem als stellvertretender Direktor für die Eröffnung des Hamburger Steigenberger Hotels Treudelberg verantwortlich. Danach leitete er das Intercity Hotel in Weimar, und 1995 folgte die Übernahme des Landhauses Flottbek: „Das war mein Sprung in die Selbstständigkeit, und das habe ich nie bereut. Obwohl es immer Höhen und Tiefen gab.“ Doch das „eine Haus“ reichte Jacobsen nicht aus: „Ich habe ein Faible für individuelle Konzepte.“
Im Jahr 2000 eröffnete Jacobsen das Yoho – the young Hotel in einem futuristischen Altbau in Eimsbüttel. Ein Jahr später folgte das Stay Boardinghaus Flottbek und 2012 die Übernahme des Landhauses Jenischpark: „Ich liebe es, neue Projekte umzusetzen“, sagt Jacobsen.
Mit dem Haus in Wandsbek war eine neue Marke geboren
Vor vier Jahren übernahm der Unternehmer gemeinsam mit einer Geschäftspartnerin das Kröger in Wandsbek: „Das Hotel war in die Jahre gekommen, es musste aus dem Dornröschenschlaf geweckt werden. Wir haben alles rausgerissen und es im lässigen Loft- und Industriedesign gestaltet“, sagt Jacobsen. Mit dem Haus war auch eine neue Marke geboren: „Underdoghotels. Das steht für Häuser, die auf den ersten Blick keine Bombe sind, aber nach einer gekonnten, liebevollen Renovierung erst ihr ganzes Potenzial entwickeln“, so Jacobsen.
Der Hotelier ist auf der Suche nach weiteren Standorten für diese Marke. Ob in Hamburg oder in anderen Städten ist ihm egal. Bloß kein Stillstand.
Mehr Artikel aus dieser Rubrik gibt's hier: Hamburg