Hamburg. Die Wahrscheinlichkeit, in Hamburg einen Schornsteinfeger auf der Straße oder gar auf dem Dach zu sehen, hat in den vergangenen Jahren abgenommen. Rund 200 von ihnen gebe es noch in der Hansestadt, sagt Landesinnungsmeister Rainer Hoppe, vor 25 Jahren seien es mindestens 70 mehr gewesen als heute.
Noch sehr viel seltener aber kommt es vor, dass eine Frau den traditionellen schwarzen Kehranzug mit Zylinder trägt. Gerade einmal sechs Schornsteinfegerinnen gibt es in Hamburg. Seit sie Ende Februar die Ausbildung abgeschlossen hat, ist Christin Schröder eine von ihnen. Bei ihr liegt das allerdings auch in der Familie: Ihre Mutter ist ebenfalls Schornsteinfegerin, ein Großvater war es und auch Christin Schröders Zwillingsschwester hat sich für diesen Beruf entschieden.
Lackierte Nägel fehl am Platz
Zwar verbinden viele Menschen das alte Handwerk noch immer mit harter Arbeit und Rußflecken im Gesicht. „Aber ich denke schon, dass sich das Image allmählich gewandelt hat“, sagt Schröder. „Mit dem Rückgang der Kohleöfen ist ein großer Teil der körperlich anstrengenden Arbeit weggefallen.“ Zwar müsse man noch immer auch anpacken können und manchmal sei eine schwere Dachluke hochzudrücken: „Dabei sind lackierte Fingernägel fehl am Platz.“ Aber der Beruf werde immer techniklastiger und damit geeigneter für Frauen, findet Schröder.
Wenn es nach Innungsmeister Hoppe ginge, würden noch viele junge Frauen dem Beispiel von Christin Schröder und ihrer Schwester folgen. Die Steigerung des Anteils der weiblichen Schornsteinfeger ist eines der Themen beim Bundesverbandstag, der noch bis Donnerstag in der Handelskammer Hamburg stattfindet. Deutschlandweit liegt die Frauenquote nach Angaben des Verbands bei rund zehn Prozent.
„Da ist noch viel Luft nach oben“, sagt Hoppe. „Wir wollen auf 20 bis 25 Prozent kommen.“ Schließlich habe man hervorragende Erfahrungen mit weiblichen Auszubildenden gemacht, sagt Oswald Wilhelm, Präsident des Bundesverbands. Im vorigen Jahr legte nach seinen Angaben eine junge Frau die beste Gesellenprüfung des Schornsteinfegerhandwerks ab. Künftig wolle man verstärkt in Schulen auch um weibliche Interessenten für diesen Beruf werben.
Berufsbild stark gewandelt
Im Gegensatz zu vielen anderen Gewerken haben Schornsteinfegerbetriebe generell aber keine gravierenden Nachwuchssorgen, erklärt Hoppe: „In Hamburg haben wir einen Bedarf von vier Auszubildenden pro Jahr. Die finden wir auch ohne große Probleme.“ Die Ausbildungsvergütung dürfte es nicht sein, die das Interesse junger Menschen weckt: Mit 480 Euro im ersten Lehrjahr und rund 640 Euro im dritten rangiert die Vergütung im Vergleich zu anderen Berufen eher am unteren Rand.
Fünf Jahre nach der Gesellenprüfung verdienen Schornsteinfeger nach Statistiken der Hamburger Arbeitsagentur zwischen 2500 und 2800 Euro brutto, später als Meister mit eigenem Bezirk – in der Hansestadt gibt es 102 davon – sind mehr als 3500 Euro drin.
Allerdings hat sich das Berufsbild in den vergangenen Jahren stark gewandelt: Seit Anfang 2013 stehen Deutschlands Schornsteinfeger im freien Wettbewerb. Einfache Arbeiten wie das Kehren von Öfen und Schornsteinen dürfen seitdem auch von anderen Handwerkern wie etwa Heizungsbauern ausgeführt werden. „Diese klassischen Tätigkeiten machen aber heute ohnehin nur noch 20 Prozent unserer Arbeit aus“, sagt Hoppe. Geblieben sind hoheitliche Aufgaben wie die Kontrolle der Betriebssicherheit von Feuerstätten. Den Großteil der Arbeitszeit sind Schornsteinfeger mit der Messung der Abgaswerte von Heizungen beschäftigt – wobei das bei neueren Anlagen nur noch alle drei Jahre erfolgen muss.
Sie sind auch Energieratgeber
Insgesamt habe man im vergangenen Jahr bundesweit mehr als 1,4 Millionen Mängel an Heizungsanlagen oder Kaminöfen festgestellt und Nachbesserungen verlangt, heißt es vom Verband. In einer Großstadt wie Hamburg ist noch eine andere Aufgabe relevant: Die regelmäßige Sicherheitskontrolle von gewerblich genutzten Dunstabzugshauben, zum Beispiel in Restaurants.
Mit der Liberalisierung ist jedoch auch das Verbot von Nebentätigkeiten, wie zum Beispiel der Installation von Rauchwarnmeldern, weggefallen. Zudem sind sehr viele Bezirksmeister heute gleichzeitig als Gebäudeenergieberater tätig. „Wir sind neutral, denn wir warten die Heizung ja nicht“, argumentiert Hoppe. Auf die Berater wartet nach Einschätzung des Schornsteinfegerverbands viel Arbeit, schon weil bis zu 70 Prozent der Heizungsanlagen in Deutschland veraltet seien und mit ihren Verbrauchswerten häufig „im roten Bereich“ lägen. Seit Dezember 2017 gibt es sogar staatliche Zuschüsse zu den Kosten solcher Beratungen.
Mit Blick auf den Technologiewandel in diesem Sektor absolviert Christin Schröder denn auch an der Berufsakademie Hamburg ein duales Studium im Fach „Management Erneuerbarer Gebäudeenergietechnik“. Bevor sie Schornsteinfegerin wurde, hat die 27-Jährige allerdings wegen der Unsicherheit über die Auswirkungen der Liberalisierung zunächst eine Ausbildung als Chemielaborantin abgeschlossen.
Doch nach Darstellung des Bundesverbands muss man sich um die Zukunft des Schornsteinfegerhandwerks keine Sorgen machen. Hoppe sieht das genau so: „Auch Feuerstellen können hochmodern sein, etwa als Mini-Blockheizkraftwerke für Einfamilienhäuser.“ Die sogenannte „schwarze Zunft“ biete sichere Arbeitsplätze, sagt Wilhelm. Die Menschen brächten den Berufskollegen
zudem von jeher Vertrauen entgegen. Nicht zufällig, sondern weil sie für Sicherheit sorgten, gälten Schornsteinfeger seit Jahrhunderten als Glücksbringer: „Dieses Image ist unbezahlbar.“
Mehr Artikel aus dieser Rubrik gibt's hier: Hamburg