Hamburg

So kommt das Sofa am selben Tag nach Hause

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Hanna-Lotte Mikuteit
Philip John Mordecai und Konstantin Singer von Movemates UG

Philip John Mordecai und Konstantin Singer von Movemates UG

Foto: HA / Mark Sandten

Über die Hamburger Online-Plattform Movemates lassen sich sperrige Gegenstände per Mausklick transportieren – zum Festpreis.

Hamburg.  Klar, man kann sich ein Bett aus alten Holzpaletten bauen. Muss man natürlich nicht. Aber Philip John Mordecai hatte sich das nun mal in den Kopf gesetzt. Die Paletten hatte er ziemlich schnell gefunden, auch zu einem akzeptablen Preis. „Aber dann stand ich mit den schweren Dingern auf einem Gewerbehof in Harburg und wusste nicht, wie ich damit schnell und ohne großen Aufwand nach Hause kommen sollte“, sagt der Hamburger. In sein Auto passten sie jedenfalls nicht. Es sei hier verraten, dass er einen – nicht ganz legalen – Weg fand. „Ich dachte, das muss doch auch anders gehen.“ Im Bekanntenkreis hörte er von ganz ähnlichen Problemen. Ein Freund hatte versucht, ein Bücherregal im strömenden Regen vom Flohmarkt per U-Bahn in seine Wohnung zu schaffen. Keine wirklich gute Idee. Ein anderer wollte eine Waschmaschine abholen lassen. Klappte nur mit Wartezeit.

Transporte innerhalb von drei Stunden möglich

Das war die Initialzündung für die Logistikplattform Movemates, über die sich per Mausklick sperrige Gegenstände am selben Tag transportieren lassen. Dahinter steht ein vierköpfiges Gründerteam, neben Mordecai sind es Konstantin Singer (der mit dem Bücherregal) sowie die IT-Experten Silvan Dähn und Paul Heidicker. Nach einem Jahr Entwicklungszeit ist das Start-up seit Mitte Januar online. Kern ist eine Software, über die Kunden bei der Buchung einen garantierten Festpreis für ihre Bestellung bekommen. Movemates, der Firmenname ist eine Wortschöpfung aus den englischen Worten move (bewegen) und mate (Kumpel), arbeitet mit einem wachsenden Netz selbstständiger Fahrer zusammen. „Im Augenblick können wir Transporte innerhalb von drei Stunden anbieten“, sagt Mordecai. Künftig soll es noch schneller gehen.

Partner gesucht

Natürlich gibt es einige Transportunternehmen in Hamburg, von Kurierdiensten über Möbel-Taxis bis zu großen Speditionen. Das Gründer-Quartett nimmt selbstbewusst für sich in Anspruch, die Lücke einer schnellen, digitalen Lösung zu füllen. „In Städten wie San Francisco oder Paris gibt es solche Angebote per App schon“, sagt Konstantin Singer. Und besonders in China seien ähnliche Innenstadt-Logistikmodelle bereits sehr erfolgreich. In Hamburg hatten die Jungunternehmer Anfang 2017 mit einem Prototyp einen ersten Testlauf gestartet. „Für uns ist wichtig, dass die Preiskalkulation transparent und fair ist“, sagt Philip John Mordecai. Die ersten Aufträge ließen nicht lange auf sich warten. Trotzdem verordneten sich die Gründer noch mal eine kleine Pause, um an dem Geschäftsmodell zu feilen, die Algorithmen mit Parametern wie Verkehrsbericht oder Wetterbericht zu verfeinern und Logistikpartner zu finden – alles neben dem Job.

Per Live-Tracking verfolgbar

Jetzt sitzen Singer und Mordecai, beide 28 Jahre alt, in ihrem Büro im Gründerzentrum Beta-Haus, einen Steinwurf vom quirligen Schulterblatt entfernt. Hier stauen sich jeden Morgen die Lieferwagen, die Geschäfte und Restaurants beliefern – Anschauungsprogramm für die Probleme urbaner Logistikerfordernisse. Mordecai, eigentlich studierter Geograf, hatte erste Erfahrungen in dem Bereich bei einem Essenslieferdienst gesammelt. Singer, ebenfalls mit Erfahrungen in der Start-up-Szene, hat Medienmanagement studiert und als Student eine Agentur gegründet. Auf einem Tablet demonstriert er, wie die Kunden mit wenigen Klicks zu ihrem Liefertermin kommen. Wenn der Fahrer startet, können sie ihren Transport per Live-Tracking verfolgen.

Fast noch ein bisschen erstaunt gucken sie auf die Buchungen. „Wir transportieren die unterschiedlichsten Sachen“, sagt Singer. Sperrmüll, kleine Umzüge, Ikea-Einkäufe oder Ebay-Schnäppchen. Auch Ungewöhnliches ist darunter: ein Gemälde zum Beispiel oder Kulissen für Fotoshootings. Bei einem Büroauszug mussten 100 Stühle durch die Stadt gefahren werden. Im Moment gibt es nur Einzelfahrten, das soll sich aber mit optimierter Routenplanung ändern. „Im ersten Monat sind schon so viele Aufträge reingekommen, dass einige Fahrer davon leben können“, sagt Unternehmer Mordecai.

Fahrer bekommen das Geld aufs Konto

Einer der ersten Partner war Okba Abdullah. Der 27-Jährige Syrer, der 2015 vor dem Bürgerkrieg in seiner Heimat nach Hamburg geflohen war, hat sich vor sechs Monaten mit seinem grünen Transporter ein Gewerbe als Fahrer angemeldet. „Ich fahre im Moment nur für Movemates“, sagt er, und es klingt nicht unzufrieden. Wie alle anderen Fahrer, trägt er die Güter auch bis in die Wohnung, bei Bedarf kann auch ein weiterer Träger bestellt werden. Das kostet dann mehr. Im Moment liegt der Mindestpreis bei 44,90 Euro. Tendenz sinkend. Zwischen zehn und zwanzig Prozent gehen an das Vermittlungsportal, der Rest direkt auf das Konto des Fahrers.

Branchenexperten beurteilen das Konzept positiv. „Es ist eine gute Idee und längst überfällig“, sagt Horst Manner-Romberg von der Hamburger Unternehmensberatung MRU, die sich auf Logistikdienste spezialisiert hat. Er sieht im Logistik-Start-up auch einen „Angriff auf die Kurierdienste“. Die Move­mates-Gründer schmieden schon Expansionspläne. Bereits seit vergangenem Jahr sind sie Teilnehmer des Start-up-Förderprogramms Next Commerce Accelerator, hinter dem unter anderem die Haspa steht. Die Kapitalspritze beträgt 50.000 Euro, dafür gab Movemates zehn Prozent der Firmenanteile ab. Für den nächsten Entwicklungsschritt suchen die Gründer eine Anschlussfinanzierung. Das Ziel ist klar: „Wir wollen unsere Angebote für Businesskunden ausbauen und deutschlandweit verfügbar sein.“ Next Stop: Berlin.

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