Alter Elbtunnel – wo Hummer und Seehunde zu entdecken sind
Hamburg
Alter Elbtunnel – wo Hummer und Seehunde zu entdecken sind
| Lesedauer: 9 Minuten
Axel Tiedemann
In 24 Meter Tiefe verbindet die 430 Meter lange Weströhre die beiden Elbufer
Foto: Marcelo Hernandez
Serie „Hamburgs Klassiker – neu entdeckt“. Heute: In der Röhre finden sich Kunstwerke, die vor 1911 mit viel Liebe geschaffen wurden.
Hamburg. Die hölzerne Fahrzeugkabine ruckelt etwas, als sie sich nach unten in Bewegung setzt; durch ein Fenster sind etliche Stahlseile zu erkennen, die sich auf dicken Rollen auf und nieder bewegen. Es surrt eine Weile, dann öffnet sich ein Tor und gibt den Blick auf diese schimmernde, schummrige Tunnelröhre frei, deren Ende man mehr ahnen als sehen kann. Im Sommer empfängt einen hier frische Kühle, im Winter hätte man es gern etwas gemütlicher. Selbst die Tunnel-Aufseher mit ihren weißen Mützen haben sich jetzt dicke Jacken über die Uniform gezogen.
Man kennt diese Bilder als Hamburger, oft schon sind hier viele durchspaziert, zuerst vielleicht mit der Schulklasse, später mit auswärtigen Besuchern. Für einige ist es der tägliche Weg zwischen Job und Wohnung, vor allem Radfahrer nutzen den kurzen Weg unter der Elbe, der 1911 noch für viele Zehntausende Hafenarbeiter gebaut worden war und heute ein technisches Baudenkmal mit bundesweiter Bedeutung ist. Und ein Klassiker im Hamburg-Besuchsprogramm.
Keramikspezialist im Tunnel
Doch bevor wir wieder einmal in die Glitzer-Röhre eintauchen, lässt uns Hans Kuretzky kurz noch unten im Schachtgebäude auf der St.-Pauli-Seite innehalten. Er deutet nach oben in Richtung Kuppel: „Da sehen Sie den Tunnelgeist – der war einfach weg, als wir hier angefangen haben.“ Wir blicken hoch und entdecken an der halbrunden Wand riesige Keramik-reliefs oder „Medaillons“, wie Kuretzky sagt. Der 66-Jährige ist Bau-Keramiker und gilt als Experte für alte Fliesen und ihre Glasuren, die wie hier im Elbtunnel so etwas wie die individuelle Visitenkarte eines Bauwerks darstellen. In seiner Werkstatt bei Mölln hat er der hochgewachsene und studierte Keramik-Designer ein eigenes Glasur-Labor, hantiert dort mit vielen Pülverchen aus Nickel, Kobalt, Quarz, Kreide oder Kalkspat, um den originalen historischen Ton zu treffen.
Glücksbringer für den Tunnel
Bei der Restaurierung alter Treppenhäuser oder auch U-Bahnhöfen ist sein Wissen gefragt. Und eben immer wieder beim Elbtunnel, der seit 1994 schon für viele Millionen Euro saniert wird. Zuerst die Schachtgebäude, dann die derzeit gesperrte Oströhre, von 2019 an dann als Letztes die Weströhre. Und beim Schachtgebäude fehlte eben das Medaillon, das einen Tunnelgeist darstellt, also eine Art Glücksbringer für die Tunnelarbeiter.
Gut 2,40 Meter im Durchmesser sind diese symbolhaften Darstellungen groß. Ein Paar ist da beispielsweise zu erkennen, das sich die Hand reicht – Symbol für den Tunneldurchstich. Eine weitere Keramik symbolisiert Vertrag und Geldübergabe für das Bauwerk. Sogar die Summe ist zu erkennen: zehn Millionen Goldmark. In den 1970er-Jahren, in Zeiten allgemeiner Brachialarchitektur, hat man dann den Tunnelgeist einfach herausgehauen, um einen Lüfter einzubauen.