Hamburg

2000 Menschen demonstrieren für die Werte der Wissenschaft

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Marc Hasse

Flagge zeigen gegen "alternative Fakten": Forscher und Unterstützer zogen beim "March for Science" vom Rathausmarkt zur Universität.

Hamburg. Die akademische Viertelstunde nehmen sich Forscher offenbar auch bei Demonstrationen. Eigentlich sollte es am Sonnabend um 14 Uhr auf dem Rathausmarkt losgehen mit der ersten Kundgebung für den Hamburger „March for Science“, einem Marsch für die Wissenschaft. Zu dieser Zeit tummelten sich allerdings erst ein paar hundert Teilnehmer vor der Bühne an der Kleinen Alster, um Flagge zu zeigen gegen Wissenschaftsfeindlichkeit und sogenannte alternative Fakten.

Doch ab 14.15 Uhr strömten immer mehr Menschen auf den Platz, der bald zu mehr als einem Drittel gefüllt war – die Polizei geht von rund 2000 Teilnehmern aus. Viele von ihnen hielten Plakate in die Höhe mit Botschaften wie „Wissen schafft Fakten“, „Wer nichts weiß, muss alles glauben“ und „Stand up for Science“.

Fegebank hatte zur Teilnahme ermutigt

„Ich bin sehr zufrieden mit dieser Resonanz“, sagte Hamburgs Zweite Bürgermeisterin und Wissenschaftssenatorin Katharina Fegebank (Grüne), die mit einem Regenschirm ganz vorne an der Bühne stand. Sie hatte im Vorfeld alle Hamburgerinnen und Hamburger ermutigt, die Kundgebung zu unterstützen und für die Werte der Wissenschaft zu demonstrieren.

Der Zuspruch für den Hamburger Science March war zuletzt immer größer geworden: 23 Einrichtungen ließen sich auf die Unterstützerliste setzen (marchforsciencehamburg.de), darunter fünf Hochschulen der Stadt, fünf außeruniversitäre Forschungseinrichtungen, etwa das Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin und das Deutsche Elektronen-Synchrotron (DESY) aber auch die Staats- und Universitätsbibliothek, der Fachbereich Wissenschaft der Gewerkschaft Ver.di und der Verband der Wissenschaftsjournalisten (WPK).

Bewegung entstand als Reaktion auf Trump

Neben Katharina Fegebank stand – ebenfalls wetterfest gekleidet – Dieter Lenzen, Präsident der Universität Hamburg und Sprecher der Landeshochschulkonferenz. Auch er zeigte sich erfreut über die Teilnehmerzahl: „Das zeigt doch, dass sich viele Menschen für die Wissenschaft engagieren und sich Sorgen machen.“

Die Idee für den „March for Science“ war in den USA entstanden, als Reaktion auf die Wissenschaftsfeindlichkeit des US-Präsidenten Donald Trump. Innerhalb weniger Wochen wurde daraus ein globales Bündnis, das weit mehr auf die Beine stellen wollte als Anti-Trump-Demos: So sollten am 22. April Menschen an weltweit mehr als 600 Orten all jene Menschen auf die Straße gehen, „denen die deutliche Unterscheidung von gesichertem Wissen und persönlicher Meinung nicht gleichgültig ist“, wie es die deutschen Veranstalter formulieren. Hierzulande waren 15 Orte dabei, von München bis Helgoland.

Gute Laune trotz Graupelschauers

Auf dem Rathausmark mussten die Teilnehmer zeitweise unter bunten Regenschirmen verschwinden, weil Graupelschauer niedergingen. Bibbernd, aber trotzdem gut gelaunt verfolgten die Menschen die Kundgebung. Einige waren extra aus Bremen und Kiel angereist.

„Auch in Deutschland genießen wissenschaftliche Erkenntnisse oft nicht den angemessenen Stellenwert“, rief Marina Brink, Sprecherin der HafenCity-Universität und Mitglied des Organistionsteams. Sie und ihre Mitstreiterinnen forderten Politiker dazu auf, „häufiger evidenzbasierte Entscheidungen zu treffen“.

Rede von Asta-Vertreterin sorgt für Unruhe

Fiel der Applaus für die Beiträge anfangs noch zaghaft aus, nahm er bald immer mehr zu, zumal etliche Teilnehmer „Lauter, lauter“ brüllten. Unruhe breitete sich allerdings zeitweise aus, als Mena Winkler vom Asta der Universität Hamburg sich in ihrer Rede mit Austeritätspolitik und den G20 auseinandersetzte, was nach Ansicht vieler Teilnehmer nicht unbedingt Sinn der Veranstaltung war.

Das Organisationteam hatte eine Demonstration mit mindestens 1000 Menschen angemeldet. Zwar machten schließlich doppelt so viele mit – manch einer hätte sich aber mehr Unterstützung gewünscht. „Ich hatte gehofft, dass erheblich mehr Menschen auf die Straße gehen“, sagte Uwe Koch-Gromus, Dekan der Medizinischen Fakultät am Uniklinikum Eppendorf (UKE). Er hätte sich vor allem über mehr jüngere Teilnehmer gefreut. „Es ist doch ein Zukunftsanliegen, um das es hier geht“, sagte er. Womöglich liege es daran, dass die heutige Studentengeneration weniger politisch sei.

„Forscher treten nicht angemessen nach außen“

Auch Edwin Kreuzer, Präsident der Akademie der Wissenschaften Hamburg sagte, er sei „ein wenig ernüchtert“. „Dass Wissenschaftler sich exponieren, das hat nach meinem Eindruck abgenommen“, sagte er. „Sie ziehen sich zwar nicht zurück, aber sie treten auch nicht angemessen nach außen – dabei ist das heute nötiger denn je.“

Als auf dem Rathausmarkt gegen 15 Uhr die Schauer nachließen und die Sonne durch die Wolken brach, setzten sich die Teilnehmer in Bewegung und zogen durch die Innenstadt, begleitet von einer Band der Hochschule für Musik und Theater Hamburg. Den Abschluss bildete ein Science Slam an der Universität Hamburg.

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