Wissenschaft

Weltweiter Protest gegen Donald Trump erreicht Hamburg

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Marc Hasse
Sie wollen Fakten statt Fabeln: ein Teil des Hamburger Organisationsteams (v. l.) – Marina Brink, Ellen Jonatha, Candice Newton, Imke Fiedler, Julia Offe und Annika vom Scheidt – mit einem Banner

Sie wollen Fakten statt Fabeln: ein Teil des Hamburger Organisationsteams (v. l.) – Marina Brink, Ellen Jonatha, Candice Newton, Imke Fiedler, Julia Offe und Annika vom Scheidt – mit einem Banner

Foto: Roland Magunia / HA

Forscher wollen am Sonnabend mit einem „Marsch für die Wissenschaft“ in der Hansestadt demonstrieren.

Hamburg.  Zunächst brodelte es nur in Washington, riefen amerikanische Forscher zum Widerstand auf. Doch inzwischen ist aus diesem Protest gegen die Wissenschaftsfeindlichkeit des US-Präsidenten Donald Trump ein globales Bündnis geworden, das weit mehr auf die Beine stellen will als Anti-Trump-Demos: An weltweit mehr als 500 Orten sollen am 22. April bei einem „Marsch für die Wissenschaft“ all jene Menschen auf die Straße gehen, „denen die deutliche Unterscheidung von gesichertem Wissen und persönlicher Meinung nicht gleichgültig ist“, wie es die deutschen Veranstalter formulieren.

Auch Hamburg ist dabei: So haben die Organisatoren für Sonnabend um 14 Uhr eine Demonstration mit 1000 Teilnehmern auf dem Rathausmarkt angemeldet. Ginge es nach Hamburgs Zweiter Bürgermeisterin und Wissenschaftssenatorin Katharina Fegebank (Grüne), sollen allerdings erheblich mehr Unterstützer kommen: „Ich möchte alle Hamburgerinnen und Hamburger ermutigen, gemeinsam für die Arbeit und Werte der Wissenschaft Flagge zu zeigen, und hoffe, dass am Sonnabend viele Menschen dem Aufruf folgen werden“, sagt sie. Fegebank wird mitmarschieren.

Forschung unterhaltsam erklärt

Das Gleiche hat Dieter Lenzen vor, Präsident der Universität Hamburg und Sprecher der Landeshochschulkonferenz. „In Zeiten, in denen empirische Gewissheiten und konsensuelle Wahrheiten von Fake News und sogenannten alternativen Fakten bedroht werden, ist es unsere Aufgabe als der Aufklärung verpflichtete Bildungsinstitutionen, einer wissenschaftsfeindlichen Tendenz entschieden entgegenzutreten“, sagt er.

Geplant ist, dass die Teilnehmer nach einer Kundgebung auf dem Rathausmarkt durch die Innenstadt ziehen. Gegen 16 Uhr soll eine Schlusskundgebung am Hauptgebäude der Uni Hamburg (Edmund-Siemers-Allee 1) stattfinden. Bei den Kundgebungen sprechen unter anderem Imke Fiedler und Annika vom Scheidt, Doktorandinnen am Uniklinikum Eppendorf (UKE) und Teil des Science-March-Organisationsteams, Christoph Koch, Ressortleiter Wissenschaft beim Hamburger Magazin „Stern“, und Alexander Waschkau, Psychologe und Podcaster.

23 Einrichtungen stehen auf Unterstützerliste

Der Zuspruch für den Hamburger Science March ist zuletzt immer größer geworden: 23 Einrichtungen stehen nun schon auf der Unterstützerliste (http://marchforsciencehamburg.de), daruntersind fünf Hochschulen der Stadt, fünf außeruniversitäre Forschungseinrichtungen, etwa das Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin, dessen Vorstandschef Rolf Horstmann am Sonnabend ebenfalls mitgehen will, aber auch die Staats- und Universitätsbibliothek, der Fachbereich Wissenschaft der Gewerkschaft Ver.di und der Verband der Wissenschaftsjournalisten (WPK).

Für diese Unterstützung gekämpft, Hunderte Flyer verteilt und den Marsch geplant hat eine Gruppe junger Leute: Marina Brink, Sprecherin der HafenCity-Universität, die sich hier privat engagiert, Julia Offe, die Science Slams organisiert, Bühnen-Kostümdesignerin Candice Newton, Sprachwissenschaftlerin Ellen Jonatha, der Webentwickler Tim Spitzer und wie schon erwähnt Imke Fiedler und Annika vom Scheidt vom UKE.

Wenig Solidarität mit Forschern?

Sie betonen zwar, wie wichtig es sei, Solidarität mit Forschern zu bekunden, in deren Ländern die Freiheit der Wissenschaft gefährdet ist, was in Europa für die Türkei und Ungarn gilt. Allerdings: „Auch in Deutschland genießen wissenschaftliche Erkenntnisse oft nicht den angemessenen Stellenwert“, schreibt das Team. Und fordert Politiker dazu auf, häufiger „evidenzbasierte Entscheidungen zu treffen“. „Beispielsweise werden wirkungslose homöopathische Mittel in Apotheken verkauft, weil die Hersteller im Gegensatz zu den Herstellern richtiger Medikamente vorab keinen Wirksamkeitsnachweis erbringen müssen“, sagt Julia Offe.

Sie und die anderen Teammitglieder richten allerdings auch einen Appell an die Wissenschaft: „Raus aus dem Elfenbeinturm! Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler tragen nicht nur die Verantwortung, Wissen zu schaffen, sondern ihre Erkenntnisse auch in die Gesellschaft hineinzutragen und sich an gesellschaftlichen Diskursen zu beteiligen.“ Möglich sei das bei Vorträgen, Science Slams, in Blogs, Büchern und in den sozialen Medien. „Da sehen wir in den letzten Jahren eine positive Entwicklung, die wir noch weiter fortführen müssen“, sagt Offe.

„Informierte Menschen wählen nicht Trump“

Deutlich kritischer sieht Helmut Dosch, Chef des Hamburger Forschungszen­trums Desy, die Lage. Die Erfolge der Populisten sollten Forschern zu denken geben, sagt er. Mit Blick auf die Wahl von Trump und die Entscheidung für den Brexit könne man „davon ausgehen, dass die Bevölkerungsschichten, die hier wahlentscheidend waren, nicht mutige Menschen sind, sondern von Ängsten getrieben, von Ängsten vor Unbekanntem und vor der Zukunft“, schrieb Dosch vor Kurzem in einem Gastbeitrag im Abendblatt. „Frustrierenderweise ist beides, der Vorstoß ins Unbekannte und die Gestaltung der Zukunft, das Kerngeschäft der Wissenschaft.“

Die Wissenschaft habe es also „versäumt, das Potenzial des Unentdeckten und die vielen Möglichkeiten, die in der Zukunft liegen, einem großen Teil der Bevölkerung zu vermitteln“, so Dosch weiter. Ein gut informierter Mensch wähle in der Regel nicht Trump. „Wir Wissenschaftler müssen uns vorwerfen lassen, dass auch wir in den vergangenen Jahrzehnten nicht genug für eine kritische, informierte Gesellschaft beigetragen haben“, so Dosch. „Es gibt in den nächsten Jahren viel zu tun.“

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