St. Pauli

Neubau am Stintfang steht wieder auf der Kippe

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Friederike Ulrich
So wie in dieser Simulation sollte der Blick vom Stintfang über das neue Wohnhaus nach dem ursprünglichen Plan von 2014 aussehen

So wie in dieser Simulation sollte der Blick vom Stintfang über das neue Wohnhaus nach dem ursprünglichen Plan von 2014 aussehen

Foto: DFZ Architekten/Euroland

Politiker misstrauen Investor. Gutachter soll prüfen, ob die umstrittenen 52 Mietwohnungen überhaupt noch errichtet werden dürfen.

Neustadt.  Jetzt wird es selbst den einstigen Befürwortern zu bunt. Nach Informationen des Abendblatts stellt der Bauausschuss des Bezirks Hamburg-Mitte das umstrittene sechsstöckige Neubauvorhaben am Stintfang noch einmal auf den Prüfstand. Die Abgeordneten, die den Gebäudekomplex mit 52 Wohnungen bislang unterstützt haben, fordern nun neue Visualisierungen. Diese sollen anschließend durch einen unabhängigen Gutachter geprüft werden.

Seit 2011 sind die Pläne für das Projekt bekannt; der Protest war seitdem groß. Dennoch ist es das erste Mal, dass sich die Stadt nun eine fremde Expertise einholt. Bislang hatten sich die unterschiedlichen Ausschüsse lediglich an den Visualisierungen orientiert, die ein Hamburger Architekturbüro im Auftrag des Investors erstellt hatte. Für die Beurteilung sei genug eigener Sachverstand vorhanden, hieß es stets vonseiten des Hamburger Senats.

Kein Durchblick mehr

Dass die Entscheidungsträger nun Zweifel bekommen haben, liegt unter anderem an den vielen Änderungen, die im Laufe des langwierigen Bebauungsplan-Verfahrens beantragt wurden. „Der Bauausschuss fühlt sich verschaukelt. Wir können nicht mehr durch­blicken, was eigentlich konkret geplant ist“, sagt ein Parlamentarier der Bezirksversammlung Hamburg-Mitte, der anonym bleiben möchte. „Man fragt sich, ob der Investor beabsichtigt, die Zuständigen so lange zu zermürben, bis sie ,Ja‘ sagen.“

Auch ein weiterer Politiker vermutet, dass eine „Hinhaltetaktik“ hinter dem langen Verfahren steckt. Anders könne er sich nicht erklären, dass dem Investor erst nach dem Einreichen des Bauantrags im Dezember 2015 aufgefallen ist, dass das Überbauen des S-Bahn-Ausgangs teurer wird als angenommen. Außerdem wolle der Investor einen bislang aus Rücksicht auf die Sichtachsen verdreht geplanten Gebäudeaufbau plötzlich begradigen.

Der Bezirk kann das Projekt kippen

„Wir wissen gar nicht mehr, um was für ein Gebäude es eigentlich geht“, so das Bauausschuss-Mitglied. Obwohl er das Projekt ursprünglich begrüßt habe, halte er es mittlerweile für „besser, gar nicht mehr zu bauen“. Wie das Abendblatt erfuhr, könnte die Stadt das Bebauungsplanverfahren wegen der vielen Verzögerungen tatsächlich noch kippen. Auch Heike Sudmann, stadtentwicklungspolitische Sprecherin der Linksfraktion in der Bürgerschaft, würde das begrüßen. „Was am Stintfang abläuft, ist eine investorengelenkte Planung“, sagt sie. „Das hat mit Stadtplanung nichts zu tun.“

Der Protest richtet sich nicht nur gegen die Massivität des Gebäudes. Anwohner, Denkmalschützer und Historiker kritisieren auch, dass ein so kulturhistorischer Ort – der Stintfang ist ein Teil der alten Wallanlagen zwischen Alster und Elbe – überhaupt bebaut wird. Tatsächlich wird ein Stück des Gebäudes in den Hang hineinragen. Außerdem, so die Kritiker, sei die berühmte Aussicht vom Stintfang in Gefahr. „Für die Sanierung vom Alten Elbpark und dem Bismarck-Denkmal werden Millionen fließen, hier aber wird ein einmaliger Panoramablick zerstört“, sagt Historikerin Birgit Kiupel. Auch die Sicht auf die Elbphilharmonie sei beeinträchtigt.

Genauere Zeichnungen notwendig

Die 2014 gefertigten Visualisierungen der Architekten zeigen aber nur eine geringfügige Beeinträchtigung. Der Bausachverständige Gerhard Bolten kommt in einem kürzlich verfassten Gutachten zu dem Schluss, dass diese Bilder mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit die zu erwartende Wirkung nicht richtig darstellen. „Die Lage des Neubaus dürfte falsch und verfälschend montiert sein“, sagt er. Ein Investor, der an einem so delikaten Ort Veränderungen plane, müsse genauere Zeichnungen vorlegen.

Allerdings wichen auch die Fotomontagen des Geologischen Landesamts von den tatsächlichen, vor Ort überprüfbaren Blickbeziehungen ab. Es sei daher notwendig, dass genaue 3-D-Animationen gefertigt würden, um die Wirkung des Gebäudes vom Stintfang in Richtung Elbe sowie vom Johannisbollwerk oder auch von der Elbphilharmonie aus beurteilen zu können.

Neue Visualisierungen am 8. Februar

Den Plan, den Stintfang zu bebauen, gibt es bereits seit 2003. Damals hatte die Stadt das Grundstück an die Körber-Stiftung verkauft. Deren Plan, dort ein neunstöckiges Hochhaus zu errichten, scheiterte jedoch am Protest der Anwohner. Nach der Rückabwicklung erwarb der Investor Euroland das Grundstück und plante zunächst ein siebengeschossiges und 75 Meter langes Gebäude mit Luxuswohnungen. Im Jahr 2012, nach Intervention von Nachbarn und Bezirksabgeordneten, wurden Höhe und Länge auf sechs Stockwerke und 60 Meter reduziert. Statt Luxuswohnungen sagte Euroland den Bau von Mietwohnungen zu, darunter mehr als die Hälfe öffentlich gefördert.

Der Geschäftsführer von Euroland, Karsten Horx, wollte sich trotz wiederholter Anfragen des Abendblatts nicht zum Stand der Dinge äußern. Die neuen Visualisierungen sollen in der Bauausschuss-Sitzung am 8. Februar vorliegen.

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