Nach Terroranschlag

Polizei kontrolliert Zufahrten in die Hamburger Innenstadt

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Daniel Herder und André Zand-Vakili

Dschihadisten, die in Hamburg leben, sollen verstärkt überwacht werden. Deutlich mehr Beamte sichern Zugänge zu Weihnachtsmärkten.

Hamburg.  Nach dem Terroranschlag in Berlin rüstet Hamburg auf: Polizisten mit Schutzwesten und Maschinenpistolen haben auch am Mittwoch die 33 großen Hamburger Weihnachtsmärkte bewacht. Sie sicherten unter anderem die Zugänge der weiterhin stark frequentierten Märkte. An Kontrollstationen, etwa am Großen Burstah nahe dem Rathaus, wurden Transporter gestoppt und überprüft, die großen Laster gleich umgeleitet.

Leitartikel: Neben der Spur

Bereits am Dienstag hat die Polizei zudem entlang der Weihnachtsmärkte an der Reeperbahn, am Jungfernstieg und am Gänsemarkt Betonquader aufgestellt. Die Barrieren, die an riesige Lego-Steine erinnern, sollen im Ernstfall Terroristen stoppen, die wie in Berlin mit einem schweren Fahrzeug auf einen Weihnachtsmarkt rasen wollen. Rund 200 dieser Quader, die die Polizei von einer norddeutschen Firma gemietet hat, sind an vielen bekannten und stark frequentierten Orten aufgestellt worden.

Weihnachtsmarktbesucher offenbar gelassen

250 Polizisten aus den Alarm-Hundertschaften der Wachen und der Bereitschaftspolizei sind für die neuen Schutzmaßnahmen abgestellt worden. Dadurch erhöht sich die Dienstzeit vielerorts auf zwölf Stunden pro Schicht – üblich sind acht Stunden. Die massive Polizeipräsenz trägt offenbar dazu bei, dass sich die Hamburger sicherer fühlen.

„Ich habe den Eindruck, dass die Weihnachtsmarktbesucher trotz des schrecklichen Anschlags in Berlin sehr gelassen mit der Situation umgehen“, sagt ein junger Beamter, der mit Maschinenpistole den Weihnachtsmarkt am Rathaus sichert. Die erhöhte Sicherheitsstufe soll vorerst bis Weihnachten in Kraft bleiben. Allerdings prüft die Polizei nach dem Terrorangriff auch, ob der Verkehr in der Silvesternacht an neuralgischen Punkten wie der Reeperbahn durch Sperrungen oder Umleitungen eingeschränkt wird.

Überwachung der islamistischen Szene

Zu den Maßnahmen unter dem Eindruck des Anschlags gehört auch eine verstärkte Überwachung der islamistischen Szene mit rund 320 Dschihadisten in Hamburg, wie Innensenator Andy Grote (SPD) am Dienstag ankündigte. Die Polizei rechnet der Szene aktuell 22 Gefährder zu, wie aus der Senatsantwort auf eine Kleine Anfrage des Hamburger CDU-Innenexperten und Bürgerschaftsabgeordneten Dennis Gladiator hervorgeht (Stand: August 2016). Bundesweit geht das Bundeskriminalamt von 540 Gefährdern aus. Sie werden regelmäßig überprüft.

Als Gefährder gelten Personen, denen eine politisch motivierte Straftat von erheblicher Bedeutung zugetraut wird. Als islamistischen Gefährder hatten die Behörden auch den 24 Jahre alten Tunesier eingestuft, der nun als Drahtzieher des Terroranschlags in Berlin verdächtigt wird. In dem Laster, der in die Menschenmenge raste, wurde unter einem Sitz seine Duldungs­bescheinigung entdeckt. Wie viele der Hamburger Gefährder einen unsicheren Aufenthaltsstatus besitzen, also nur geduldet sind, ist unklar. Grundsätzlich gäben die Behörden zu diesem speziellen Personenkreis keine Einzelheiten heraus, hieß es dazu auf Anfrage.

Abschieben ist nicht einfach

Gefährder einfach abschieben? So einfach ist das nicht – schon gar nicht bei Flüchtlingen, die einen besonderen Ausweisungsschutz genießen. „Für eine Ausweisung müsste einem Flüchtling schon konkret nachgewiesen werden, dass er beispielsweise einen Anschlag plant“, sagt der Asylrechtsexperte Klaus Dienelt. Wenn ein Islamist nur dazu aufrufe, einen Gottesstaat zu errichten, sei eine derartige Äußerung vom Grundgesetz gedeckt. Anders verhält es sich, wenn er konkret zur Gewalt gegen Christen aufhetzt. Diese Schwelle überschritten aber nur die wenigsten.

Aber selbst wenn eine Abschiebung rechtlich möglich wäre, werde sie häufig durch ein „Vollzugsdefizit“ verhindert: Ausgerechnet in jene Staaten, aus denen besonders viele der Gefährder kommen, dürfe häufig nicht abgeschoben werden. Allerdings haben die Behörden bei lediglich geduldeten Asylbewerbern, die als Gefährder gelten, noch Spielraum. So sei es möglich, ihnen einen Bereich vorzuschreiben, den sie nicht verlassen dürfen, und ihnen Meldeauflagen zu erteilen.

Allerdings plant Bundesinnenminister Thomas de Mazière (CDU) eine Gesetzesänderung: Ausländer, von denen eine „Gefährdung der öffentlichen Sicherheit“ ausgeht, sollen künftig leichter in Abschiebehaft genommen und abgeschoben werden können. „Wir müssen alles dafür tun, um die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass islamistische Gefährder schnellstmöglich abgeschoben werden“, sagte CDU-Innenxperte Dennis Gladiator dem Abendblatt.

Bahn passt Sicherheitskonzepte an

Unterdessen sind auch am Flughafen und am Hauptbahnhof die Sicherheitsvorkehrungen weiter verschärft worden. Dort sind Bundespolizisten seit den Anschlägen von Paris und Brüssel ohnehin mit Maschinenpistolen und Schutzwesten im Einsatz. Zu Einzelheiten will sich die Bundespolizei aus „einsatztaktischen Gründen“ jedoch nicht äußern.

Angesprochen auf konkrete Maßnahmen, hält sich auch die Deutsche Bahn bedeckt. Sie verfügt über eigenes Sicherheitspersonal an den Bahngleisen und in den Zügen. „Wir stehen im engen Austausch mit den Sicherheitsbehörden und passen unsere Sicherheitskonzepte kontinuierlich entsprechend den Empfehlungen der Behörden an“, sagte der Hamburger Bahnsprecher Egbert Meyer-Lovis.

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