Hamburg. Das historische Kinderkarussell auf dem Weihnachtsmarkt an der Osterstraße ist zum Fall für die Bezirkspolitik in Eimsbüttel geworden. Es geht um ein kleines Feuerwehrauto, ein Kinder-Motorrad und suspekte Kennzeichen auf den Karussell-Fahrzeugen.
Der Reihe nach: Das auf dem Karussell montierte, nostalgische Feuerwehrauto trug offenbar seit Jahren das Kennzeichen "HH 88". Das kleine Motorrad hatte eine "88" auf dem Nummerschild. In Nazi-Kreisen steht das "HH" nicht etwa für Hansestadt Hamburg, sondern für den Hitlergruß. Ebenso die doppelte Acht, der achte Buchstabe des Alphabets – das H. Ein Eimsbütteler Bürger hatte diese Buchstaben-Zahlen-Kombinationen an Miniauto und -motorrad entdeckt, fotografiert – und gemeldet.
Das bestätigt Arlette Andrae vom Verein Osterstraße e.V. als Veranstalter des Weihnachtsmarktes auf dem Fanny-Mendelssohn-Platz. "Wir finden es gut, dass es aufmerksame Menschen gibt, die so etwas entdecken. Wir haben den Karussellbetreiber sofort informiert, und der hat die Kennzeichen umgehend entfernt."
Karussellbetreiber ist sich keiner Schuld bewusst
Damit ist die Sache aber noch nicht erledigt: Der Eimsbütteler Linken-Fraktion reichte es nicht, die Kennzeichen zu entfernen. Sie stellt jetzt eine Anfrage an die Bezirksversammlung und will wissen, ob der Vorgang bekannt sei. Wenn ja, seit wann und welche Konsequenzen daraus gezogen würden. Wenn nein, was für Konsequenzen die Verwaltung für die Zukunft daraus ziehe. Besonders unverschämt sei laut Linken die Tatsache, dass es sich bei Fanny Mendelssohn um eine weltberühmte jüdische Musikerin handelt, heißt es in einer Pressemitteilung der Fraktion.
Karussellbetreiber Hans-Heinrich Dieckmann aus Handorf im Landkreis Lüneburg fiel bei der Information, dass sein Karussell bezirkspolitische Brisanz entwickelt hat, aus allen Wolken. "Zuerst habe ich mich sehr erschrocken", sagt Dieckmann auf Anfrage des Abendblatts. "Dann musste ich fast lachen. Das kann doch alles nicht wahr sein." Es handele sich um ein historisches Karussell Baujahr 1957. "Fast 60 Jahre fuhr das Feuerwehrauto mit dem besagten Kennzeichen unbemerkt auf Jahrmärkten", so Dieckmann. "Ich habe das Nummernschild niemals mit Nazi-Zeichen in Verbindung gebracht. Ich kenne so etwas gar nicht."
Natürlich habe er es sofort entfernt. Bei dem Motorrad mit der Nummer 88 handele es sich um ein neues Modell, das erst kürzlich aus China geliefert worden sei. "Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Chinesen mit Nazi-Symbolen arbeiten." Auch diese Zahl habe er natürlich schnellstens überstrichen.
Linken-Fraktion fordert Entzug der Konzession
Hans-Heinrich Dieckmann hofft, dass die Angelegenheit damit erledigt ist. Für die Linken-Fraktion in Eimsbüttel ist es das nicht: "Die Verwaltung sollte umgehend handeln und den Betreiber des Weihnachtsmarktes energisch auffordern, dem Karussell-Betreiber zu kündigen", so Peter Gutzeit. "Verdeckte Nazisymbolik, ausgerechnet an einem Ort mit jüdischer Bedeutung und zudem an einem Kinderkarussell – das muss mit Entzug der Konzession geahndet werden."
Zuletzt hatte eine Edeka-Weihnachtswerbung bundesweit für Aufregung gesorgt. Sie zeigt ein Auto mit dem Kennzeichen "MU–SS 420". Die Kombination "SS" ist in Deutschland wegen ihrer Bedeutung zur Zeit des Nationalsozialismus verboten. Auch im zweiten Kennzeichen „SO LL 3849“ sehen Experten versteckte Neonazi-Codes – zum einen wegen der Zahlenkombination 84 ("Heil Deutschland") zum anderen stünden die Rahmenzahlen 3 und 9 gemeinsam für die rechtsextreme Bewegung "Christian Identity“.
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