Hamburg. Die Stadt will künftig konsequenter gegen unberechtigte Nutzer des Winternotprogramms vorgehen. Zwar gelten seit jeher klare Regeln für den Zugang zu der Notversorgung in der kalten Jahreszeit. Nur wurde deren Einhaltung bislang nicht regelhaft überprüft. Nach Abendblatt-Informationen will man nun restriktiver vorgehen. „Damit diejenigen, die auf das Winternotprogramm wirklich angewiesen sind, dieses auch nutzen können“, heißt es aus Sozialbehörden-Kreisen.
Im Fokus des Vorhabens stehen Bettler, die vorwiegend aus Rumänien nach Hamburg reisen. Man habe festgestellt, dass viele dieser Migranten einen festen Wohnsitz in Rumänien hätten, heißt es aus der Sozialbehörde. Das Winternotprogramm aber ist ausschließlich für Obdachlose vorgesehen. Wer demnach keinen Anspruch auf eine öffentliche Unterbringung hat, erhält eine Frist, innerhalb derer er in sein Herkunftsland zurückkehren soll. Die Kosten dafür übernimmt im Zweifel die Stadt.
Gerade in der Adventszeit werde festgestellt, dass die Zahl der Bettler aus Osteuropa stark zunehme. Und „nach Abschluss der Geschäfte“ gehe es dann zurück nach Rumänien. Als Indiz dafür sieht man unter anderem die steigende Auslastung des Winternotprogramms, das Anfang des Monats gestartet ist. Zu Beginn lag die Auslastung der Einrichtungen mit zusammen 890 Plätzen bei gut 60 Prozent. Seit Mitte November sind die Schlafplätze nahezu komplett belegt. Die Kosten allein in diesem Winter werden mit 2,5 Millionen Euro angegeben.
Belegungszahlen in Unterkünften steigen
Während die Belegungszahlen in den Unterkünften steigen, entsteht gleichzeitig in der Öffentlichkeit der Eindruck, dass die Zahl der Obdachlosen zunehme. Mit dem härteren Kurs will man diesem Eindruck entgegenwirken und die Situation der wirklichen Obdachlosen verbessern. Zum einen werde es für die Stadt zunehmend schwieriger, geeignete Plätze für das Winternotprogramm zu bekommen. Und zum anderen habe es bereits Fälle gegeben, in denen Menschen ihren Anspruch einen Platz im Winternotprogramm nicht wahrgenommen haben, weil die Situation derart angespannt ist.
Das Phänomen, dass Osteuropäer im Winternotprogramm auftauchen, hängt mit dem Freizügigkeitsgesetz zusammen. Danach können EU-Bürger innerhalb der Mitgliedstaaten ohne Beschränkungen reisen und sich dort aufhalten, wenn sie einen Arbeitsplatz haben. Allerdings können nur die wenigsten Menschen, die im Zusammenhang mit der EU-Freizügigkeit nach Hamburg kommen, einen Job nachweisen. Als Faustregel gilt: Ein Drittel wird erfolgreich in den Arbeitsmarkt integriert. Ein weiteres Drittel versucht es und scheitert. Und ein Drittel reist ein, um etwa durch Betteln an Geld zu kommen. Mehr als 70 Prozent aller Menschen, die im Winternotprogramm auftauchen, sind Osteuropäer.
Sozialminister beraten über Arbeitsmigration
In sogenannten Perspektivgesprächen in Beratungsstellen soll geklärt werden, ob und welche Möglichkeiten es für die Betroffenen gibt, in Hamburg zu bleiben. Zwar gibt es immer wieder Fälle, in denen Rumänen oder Bulgaren von rücksichtslosen Arbeitgebern ausgebeutet wurden. Immer wieder etwa kommt es vor, dass sie kurz vor Ende der Probezeit ausgetauscht oder zu Hungerlöhnen beschäftigt werden.
In der Regel stellt sich in diesen Gesprächen aber heraus, dass es keine Perspektive in Hamburg gibt. Einfach, weil die nötigen Qualifikationen fehlen. In diesen Fällen organisiert die Stadt die Rückreise in die Herkunftsländer, weil deren Sozialhilfesysteme zuständig sind. Das soll künftig in Hamburg noch konsequenter durchgesetzt werden.
Die Sicht der Sozialbehörde wird nicht überall gleichermaßen geteilt. So beklagte Birgit Müller, Chefredakteurin des Straßenmagazins „Hinz & Kunzt“, kürzlich im Abendblatt, dass bei Helfern der Eindruck entstehe, die Stadt weigere sich, genügend Schlafplätze zu schaffen, um nicht weitere Obdachlose anzuziehen. Dagegen führt die Sozialbehörde ins Feld, dass sie erst am 18. November 50 zusätzliche Schlafplätze im Winternotprogramm geschaffen habe.
Mit der Arbeitsmigration aus Osteuropa beschäftigt sich auch die am Donnerstag und Freitag tagende Sozialministerkonferenz in Lübeck. Dort werden die Ressortchefs über einen Antrag abstimmen, der den Aufbau von Beratungsstellen in jedem Bundesland vorsieht. Die Kosten dafür soll der Bund übernehmen.
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