Hermann Schollenberger ist seit über 20 Jahren Aufseher im alten Elbtunnel. Er klärt auch auf, wenn die Unterführung mit einem Parkhaus verwechselt wird.

St. Pauli. Der alte Elbtunnel aus dem Baujahr 1911 ist eine der ältesten Flussunterführungen Europas. In diesem Jahr feierte die Unterführung 100-jähriges Bestehen. Gut ein Fünftel ihrer Zeit hat Hermann Schollenberger direkt miterlebt. Er arbeitet hier als Tunnelaufseher. Seinen Beruf gab es auch vor 100 Jahren schon. Manches hat sich verändert, manches, wie die manuell zu betreibenden Pkw-Aufzüge, ist gleich geblieben. Die wesentliche Aufgabe der Aufseher lautet nach wie vor: Menschen von St. Pauli nach Steinwerder zu bringen und umgekehrt.

1989 begann Schollenberger die Ausbildung. Nach vier Wochen und dem Bestehen einer Abschlussprüfung durfte er sich Tunnelaufseher, kurz "TA", nennen. Seitdem bedient der geborene Hamburger im Alten Elbtunnel die Pkw-Aufzüge, weist Fahrzeuge ein, und achtet darauf, dass alle Passanten und Radfahrer sich an die Regeln halten. Seine Frühschicht beginnt um 5.15 Uhr. Jeden Werktag um 5.30 Uhr müssen die Pkw-Aufzüge für den Durchgangsverkehr bereitstehen. Davor werden die "Körbe", so heißt es hier im Tunneljargon, morgens einmal zur Probe gefahren. "Die sind schließlich schon 100 Jahre alt, da können die auch schon mal eine Macke haben", sagt Schollenberger.

Hinab in 23,5 Meter Tiefe fahren die Aufzüge die Wagen. Hermann Schollenberger steht unten im Tunnel und leitet sie weiter. In über 20 Jahren Berufserfahrung haben sich zahlreiche Anekdoten angesammelt. Einmal zum Beispiel haben Ortsunkundige den Tunnel mit einem Parkhaus verwechselt. "Da kommt ein Fahrzeug runter, fährt aus dem Aufzug raus, stellt sich an die Seite, die Leute steigen aus, schließen die Türen ab und gehen los. Ich dachte, ich guck nicht richtig!"

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Als Schollenberger die Falschparker dann zum Weiterfahren aufforderte, "haben sie erst einmal ganz fröhlich das Ticket hochgehalten und erklärt: ,Wir haben einen Parkschein!'" Und er erzählt weiter: "Ein anderes Mal hat ein Ehepaar oben gestanden und die rein- und rausfahrenden Autos gesehen. Die Frau hat dann zu ihrem Mann gesagt: ,Du, guck mal, hier ist eine Waschanlage!' Das Ehepaar haben wir dann mal im Fahrstuhl mitgenommen, um den Irrtum aufzuklären." Die beiden haben richtig Glück gehabt, denn nicht jeder Fußgänger oder Radfahrer darf eine Fahrt mit den Körben machen. Nur wenn genügend Platz frei ist und die Aufseher gnädig sind, kann man in einen der Pkw-Aufzüge mit einsteigen. Von diesen historischen Aufzügen gibt es vier auf jeder Tunnelseite. Sie werden von Hand bedient und haben noch richtiges Jahrhundertwende-Flair. Die Personenaufzüge hingegen sind schon lange komplett erneuert. Als Schollenberger anfing, gab es noch ein altes Originalmodell. "Der war zwar nicht mehr in Betrieb, aber noch da. Wir haben regelrecht gebettelt, den wieder in Gebrauch zu nehmen. Der kleine Aufzug hatte noch eine Holzsitzbank und alte Butzenscheiben und wurde mit Handschaltung bedient. Leider wurde daraus nichts."

Dabei scheint die alte Technik durchaus stabil. Schollenberger jedenfalls vertraut voll auf den alten Bau. Keiner der Pkw-Körbe sei in seiner gesamten Dienstzeit je mit Fahrgästen stecken geblieben. "Und selbst wenn", sagt der Tunnelaufseher, "wäre das nicht weiter schlimm." Man könne den Fahrstuhl nämlich auf Handbetrieb umstellen. Dafür wird eine Kurbel extra an das Betriebsrad angesetzt. "Das ist keine leichte Arbeit und man muss sich immer mal abwechseln, aber es geht. Wir machen das zur Sicherheit ab und an zur Probe", sagt Schollenberger.

Auch wenn der Alte Elbtunnel hinter den Kulissen modern ist, sollte das altmodische Flair erhalten bleiben, findet der Tunnelaufseher, der in Altona wohnt. "Sonst ist es für mich halt nicht mehr der Alte Elbtunnel." Einen großen Wunsch hat er für das unter Denkmalschutz stehende Bauwerk. In der Zeitung habe er neulich gelesen, dass das Chilehaus und die Speicherstadt vielleicht Weltkulturerbe werden sollen. "Ich finde, da gehört unser St.-Pauli-Elbtunnel doch auch mit dazu, oder? Das wäre für Hamburg doch ein noch größerer Magnet."

Es ist kühl unter der Elbe. Was im Sommer angenehm ist, lässt jetzt im November eher frösteln. "Ach, das ist nicht so schlimm", sagt Schollenberger. An ihren Arbeitsplätzen haben die Aufsehen kleine Heizstrahler. Nur der Mangel an Sonnenlicht störe ihn manchmal. "Aber wir wechseln uns auch ab, mal ist man oben am Eingang und mal unten im Tunnel", erklärt er. Einmal im Jahr im Dezember wechseln die Tunnelaufseher sogar komplett die Seiten. "Hier auf St. Pauli steht man oben immer im Schatten", sagt Schollenberger. "Demnächst wechsle ich aber auf die Sonnenseite am anderen Ende des Tunnels, nach Steinwerder." Da arbeite er am liebsten.

Nicht nur, weil dort die Südseite lockt, sondern auch, weil er nach all den Jahren mal froh sei, wenn er nicht ganz so oft die Fragen "Wie tief ist der Tunnel, wie alt ist er, und wie lang ist er?" beantworten muss. Die meisten Besucher drehen nämlich etwa nach der Hälfte des Tunnels um, so der Tunnelaufseher.