Jahresbilanz

Mehr Gewalt an Hamburgs Schulen

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Die Opposition wirft Senator Ties Rabe vor, die Melderichtlinie "verwässert" zu haben

Die Opposition wirft Senator Ties Rabe vor, die Melderichtlinie "verwässert" zu haben

Foto: Andreas Laible / HA

Zahl der Gewaltfälle steigt um gut zehn Prozent, die Zahl der Schüler stieg im gleichen Zeitraum nur um etwa ein Prozent.

Hamburg. Die Fälle schwerer Gewalt auf dem Schulhof und im Klassenzimmer haben im vergangenen Schuljahr um gut zehn Prozent zugenommen. Dem gegenüber stieg die Zahl der Schüler lediglich um rund ein Prozent. Die Schulen meldeten 202 Taten – 19 mehr als im Schuljahr 2014/15. Außergewöhnlich hoch ist der Anstieg gefährlicher Körperverletzungen: von 89 auf 167 Fälle – ein Plus von 88 Prozent.

Die schwerwiegendste Tat ereignete sich an der Berufsschule für Wirtschaft und IT in der City Nord. Anfang Januar war dort ein 18-Jähriger im Schulgebäude durch Messerstiche eines 20 Jahre alten Mitschülers lebensgefährlich verletzt worden. In der Senatsantwort auf eine Kleine Anfrage der CDU-Bürgerschaftsabgeordneten Karin Prien wird der Vorfall als einzige Straftat gegen das Leben im vergangenen Schuljahr geführt.

Acht Sexualdelikte an Grundschulen

Anders als bei den gefährlichen Körperverletzungen, die das Gros der registrierten Gewaltvorfälle an Schulen ausmachen, sank die Zahl der Sexualdelikte um 28 Prozent, die der Raube und Erpressungen sogar um 83 Prozent. Allerdings wurden allein acht Sexualdelikte an Grundschulen gemeldet. Behördensprecher Peter Albrecht wies darauf hin, dass die Bandbreite sexueller Übergriffe von sexuellen Beleidigungen über Berührungen bis hin zu Nötigungen mit sexuellem Hintergrund reicht.

Sehr unterschiedlich ist die Entwicklung in den Bezirken: Während die gemeldete Gewalt von Schülern in Altona, Bergedorf, Harburg und Eimsbüttel zum Teil deutlich zurückging (in Eimsbüttel sogar um 71 Prozent), nahmen die gemeldeten Fälle in den Bezirken Mitte (plus 19 Prozent) und Nord (plus 59 Prozent) sowie Wandsbek (plus 89 Prozent) zu. In absoluten Zahlen gesehen, leben Schüler und Lehrer in Eimsbüttel am sichersten: Hier kommt ein schwerer Gewaltvorfall auf 4490 Schüler, gefolgt von Harburg mit 1420. Dagegen ist die Belastung im Bezirk Altona mit einer Tat pro 892 Schüler und Wandsbek (eine Tat pro 978 Schüler) derzeit am höchsten.

CDU-Politikerin wirft Ties Rabe "Tricksereien" vor

„Die eklatante Zunahme der Gewaltdelikte im Bereich der gefährlichen Körperverletzung zeigt erneut, dass körperliche Gewalt an unseren Schulen ein gravierendes Problem für Schüler und Lehrer darstellt“, sagte Karin Prien. Die CDU-Politikerin warf Schulsenator Ties Rabe (SPD) Tricksereien im Umgang mit der Statistik vor. Rabe hatte im Sommer 2015 die Melderichtlinie für Schulen bei Gewaltvorfällen verändert. Auf Empfehlung einer Expertenkommission werden seitdem nur noch die Fälle schwerer Gewalt wie gefährliche Körperverletzung erfasst. Dagegen werden als leichter eingestufte Taten wie einfache Körperverletzungen – 2014/15 noch 1572 Fälle – nicht mehr erfasst.

„Mit der skandalösen Verwässerung der Melderichtlinie glaubt der Senator, die Öffentlichkeit über die wahre Situation an den Schulen täuschen zu können. Mit Zahlentricksereien löst man die Probleme an den Schulen jedoch nicht“, sagte Prien.

Rabe wies die Vorwürfe zurück. Ein Grund für die Änderung sei die sehr unterschiedliche Meldepraxis der Schulen gewesen, aber auch die Tatsache, dass viele Vorgänge in polizeilichen Ermittlungen nicht bestätigt werden konnten. So gesehen, sei die Zahl der gemeldeten Fälle zu hoch gewesen. „Jeder Fall von Gewalt an Schulen ist ein Fall zu viel“, sagte Rabe. Lehrer und Behördenexperten würden mit ihrer guten Arbeit zur Verhinderung von Gewalt nicht nachlassen. Es gebe Strafen, Beratungsgespräche und Vereinbarungen zur Wiedergutmachung. Angesichts von fast 250.000 Schülern gebe es aber grundsätzlich keinen Ort, der so sicher sei wie Hamburgs Schulen. pum

( dpa )

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