Hamburg. An überzeugenden Sprüchen hat es nicht gefehlt. Mit Slogans wie „Gegessen wird immer“ oder „Wir ackern fürs Leben“ versuchte die Hamburger KTG Agrar SE für ihr Geschäftsmodell und das Geld der Anleger zu werben. Die Idee klingt gut: Der Hamburger Konzern wollte nicht nur 46.000 Hektar Felder bewirtschaften, sondern die Produkte auch teilweise selbst verarbeiten und dann unter der Marke „Die Landwirte“ in den Supermärkten anbieten, um die Gewinnspanne zu steigern. Für 2018 stellte Unternehmenschef Siegfried Hofreiter sogar den Börsengang einer neuen Food-Sparte in Aussicht. Große Pläne, um Anleger zu begeistern. Doch am Ende reichte es nicht einmal, um rund 18 Millionen Euro Zinsen an die Besitzer einer KTG-Anleihe zu zahlen. Wie berichtet, hat das Unternehmen einen Insolvenzantrag gestellt.
Jetzt bangen nicht nur rund 800 Beschäftigte um ihren Arbeitsplatz, sondern rund 20.000 Anleger fürchten um ihr Kapital. Sie hatten sich von zwei Anleihen mit rund sieben Prozent Zinsen locken lassen. Nun sind nicht nur die Zinsen verloren, sondern wahrscheinlich auch große Teile des Kapitals. „Das Unternehmen hat einen viel zu hohen Verschuldungsgrad“, sagt Klaus Nieding, Vorstand der Nieding + Barth Rechtsanwaltsaktiengesellschaft. Wenn bei einem Umsatz von mehr als 300 Millionen Euro schon Zinszahlungen von rund 18 Millionen Euro zum Problem werden, zeige das, wie prekär die Lage sei. Insgesamt belaufen sich die Verbindlichkeiten des Unternehmens auf 605 Millionen Euro. Davon werden allein Anlegern 340 Millionen Euro geschuldet.
Zusätzlich verunsichern viele Ungereimtheiten. Angekündigt wurde der Einstieg eines chinesischen Investors. Doch dass es nicht dazu kam, erfuhren die Anleger erst viel später. Der einst für die Verarbeitung der Agrarprodukte erworbene Tiefkühlkosthersteller Frenzel wurde wieder veräußert, obwohl er fester Bestandteil der Verarbeitungsstrategie des Unternehmens war. Über den Käufer wollte das Unternehmen nichts sagen, ebenso wenig auch zu den weiteren Transaktionen. Nebenbei stockte Hofreiter eine Anleihe um weitere 50 Millionen Euro bei Großinvestoren auf. „Es gibt keine Pflicht, solche Dinge öffentlich zu machen, obwohl es natürlich das Gewicht der bisherigen Gläubiger verschiebt“, sagt Nieding. Das Problem bei solchen Firmen sei generell die fehlende Transparenz.
Zahlreiche Anleihen geraten in Schieflage
Ein Sprecher von KTG Agrar verwies darauf, dass jetzt unter Eigenverwaltung eine Restrukturierung des Unternehmens versucht werde. Dazu wird als externer Berater Jan Ockelmann in den Vorstand einziehen. Die Ernte werde eingebracht, und die Bezahlung der Mitarbeiter sei gesichert, so der Sprecher. „Teile des Unternehmens sind im Kern gesund“, sagt Insolvenzverwalter Stefan Denkhaus.
Dennoch müssen sich die Anleihegläubiger auf Kapitalschnitte einstellen, erwartet Sascha Borowski von der Kanzlei Mattil. „Wichtig ist, dass die Anleger ihre Interessen bündeln und sich auf einen gemeinsamen Vertreter einigen, unabhängig von welcher Kanzlei sie sich beraten lassen. Was früher am Neuen Markt mit Aktien getrieben wurde, das spielt sich jetzt bei den Mittelstandsanleihen ab“, sagt Nieding. Immer mehr dieser Papiere geraten in Schieflage. „Die Anleger lassen sich von bekannten Namen wie Steilmann oder MS ,Deutschland‘ blenden“, sagt Nieding. Beide Anleihen sind schon ausgefallen. Im Februar ging der Brennstoffhersteller German Pellets pleite. Auch er hatte von Kleinanlegern rund 270 Millionen Euro eingesammelt und rund sieben Prozent Zinsen versprochen.
Von den bisher seit 2010 ausgegebenen 140 Mittelstandsanleihen sind bisher 37 ausgefallen. Jeder vierte Euro der bei Anlegern eingesammelten rund sechs Milliarden ist damit weitgehend verloren. Denn die Abwicklung der Unternehmen zieht sich über Jahre hin.
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