Sarrazin bleibt in der Partei. Das schadet ihr mehr, als es ihr hilft

Nanu, war da was, liebe Genossen? I wo! Die ganze Aufregung um das abgeschaffte Deutschland und die angeblich vererbte Dummheit von Migranten, halb so schlimm. Außerdem hat sich Thilo Sarrazin nun artig zu den Grundwerten der Sozialdemokratie bekannt. Und verletzten wollte er sowieso niemanden. Also bitte, bleibt er halt in der SPD.

Die Sozialdemokratische Partei behält ihr populäres und populistisches Mitglied, doch bleibt der üble Nachgeschmack einer SPD, die eingeknickt ist. Vor Sarrazin. Aber auch vor ihrer eigenen Haltung. Blickt man auf Verlauf und Ergebnis des gerade einmal fünf Stunden andauernden Ausschlussverfahrens, bleibt auch eine beschädigte Partei zurück.

Wer die Irritation über diesen schnellen Freispruch Sarrazins durch die parteiinterne Schiedskommission besser verstehen will, muss in die Wochen zurückschauen, in denen der ehemalige Berliner Finanzsenator und Bundesbanker sein umstrittenes Buch "Deutschland schafft sich ab" vorstellte. Der Vorsitzende Sigmar Gabriel hatte ihn als "Hobby-Darwin" und Wegbereiter für "die Hassprediger im eigenen Volk" bezichtigt. Viele SPD-Politiker sahen die Grenze des Tragbaren nach Sarrazins Äußerungen über ein "jüdisches Gen" weit überschritten. Fast einstimmig hatte der SPD-Vostand im Herbst den Antrag zum Ausschluss angenommen.

Sicher: Es gibt gute Gründe für die SPD, Sarrazin nicht auszuschließen. Eine Volkspartei in einer Demokratie muss auch krude Thesen aushalten. Sie darf Provokationen nicht mit Verbannung bestrafen, sondern muss sie mit guten Argumenten entlarven. Denn die Menschen wollen sich mit ihren Sorgen über Fehler in der deutschen Integrationspolitik ernst genommen fühlen. Und auch machtstrategisch handelt die SPD konsequent. Die Berliner Genossen ziehen gerade in einen Wahlkampf, den sie gegen die beflügelten Grünen zu verlieren drohen. Mit einem Ausschluss Sarrazins hätte sich die Partei bei vielen Bürgern nicht beliebter gemacht.

Doch kostet die SPD der Verzicht auf den Ausschluss mehr, als einige Wählerstimmen in Berlin Gewinn sein können. Die Partei - allen voran ihr Chef Sigmar Gabriel - verliert an Glaubwürdigkeit. Sarrazin überschritt eine Grenze - und die Sozialdemokraten ließen ihn gewähren. Das kollidiert mit ihrer toleranten Grundhaltung, die so weit entfernt ist von Sarrazins Thesen wie der Christdemokrat Martin Hohmann von den Werten der CDU. Als dieser 2003 antisemitische Sprüche klopfte, drängte ihn die Vorsitzende Angela Merkel aus der Partei. Es war der einzig richtige Schritt. Gabriels SPD hat ihn im Fall Sarrazin verpasst.