Allein in Hansestadt gibt es 2011 750 Millionen Euro weniger Umsatz, weil geeignete Mitarbeiter fehlen. Immer mehr Stellen sind offen.

Hamburg. Andreas Pfannenberg hat gerade erst mit der Einstellung von neuen Mitarbeitern im Vertrieb eine Lücke bei seinem Hamburger Maschinenbauunternehmen Pfannenberg schließen können. Jetzt sucht er unter anderem einen Qualitätsingenieur, einen Gebäudetechniker und einen Fertigungsleiter. "Sie müssen qualifiziert sein", sagt Pfannenberg dem Abendblatt. Doch genau dieses Anforderungsprofil ist derzeit in Hamburg nur schwer zu finden.

Pfannenberg mit seinen weltweit 270 Mitarbeitern ist kein Einzelfall. Laut einer repräsentativen Studie der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Ernst & Young entgehen allein dem Hamburger Mittelstand in diesem Jahr 750 Millionen Euro Umsatz - weil die entsprechenden Fachkräfte fehlen, um Aufträge abzuarbeiten. Bundesweit sind es sogar knapp 30 Milliarden Euro. "Es besteht bereits ein erheblicher Fachkräftemangel. 77 Prozent der von uns befragten Hamburger Mittelständler geben an, dass es ihnen eher schwer- oder sogar sehr schwerfällt, neue, ausreichend qualifizierte Mitarbeiter zu finden", sagt Kristian Ludwig, bei Ernst & Young verantwortlicher Manager für die Region Nord-Ost, im Gespräch mit dem Abendblatt. Befragt wurden 3000 Unternehmen bundesweit, davon 110 in der Hansestadt.

Für die nächsten Jahre rechnen insgesamt 64 Prozent der Befragten sogar mit einer Verschlechterung der Situation. Denn durch den Aufschwung wächst der Bedarf nach neuen Beschäftigten. So will laut Ernst & Young derzeit jeder dritte Mittelständler in der Stadt neue Arbeitsplätze schaffen. Nur noch ein Prozent der befragten Firmen erwartet einen Personalabbau. "Damit liegt Hamburg in Bezug auf die voraussichtliche positive Beschäftigungsentwicklung im Bundesländervergleich in der Spitzengruppe", heißt es in der Studie.

Den Aufschwung im Stellenmarkt spürt auch schon die Hamburger Arbeitsagentur. Mit 14 234 offenen Stellen bei Firmen hat die Agentur derzeit 1465 mehr Vermittlungsaufträge in den Büchern als noch vor Jahresfrist. "Wir haben eine wachsende Konkurrenz beim Werben um Fachkräfte und gleichzeitig zu wenig Spezialisten", so Ludwig. Deshalb plädiert er unter anderem dafür, dass Migranten stärker in den Arbeitsmarkt integriert werden sollen. "Ausländische Berufs- und Studienabschlüsse sollten in Deutschland stärker anerkannt werden", ergänzt er. Zudem könne eine Politik der qualifizierten Zuwanderung helfen. Es gehe nicht darum, alle Schleusen zu öffnen, sondern darum, Experten, die von der Wirtschaft nachgefragt werden, ins Land zu lassen. "Gleichzeitig müssen wir unsere Aus- und Weiterbildungssysteme verbessern. Das muss schon im Kindergarten anfangen."

Doch Ludwig fordert auch von der Wirtschaft, Initiative beim Kampf gegen den Fachkräftemangel zu zeigen. "Der Ruf nach dem Staat reicht heute nicht mehr aus, um das Problem zu lösen. Unternehmen, und dabei auch die Mittelständler, müssen den Mitarbeitern Aus- und Fortbildungsangebote präsentieren." Damit stößt er bei der Agentur für Arbeit auf offene Ohren. "Wir unterstützen die Firmen bei der Fortbildung", sagt Knut Böhrnsen, Sprecher der Hamburger Arbeitsagentur. So trainiere die Behörde zum Beispiel berufsbegleitend. "Damit erreichen wir, dass vor allem ungelernte Arbeitnehmer eine Berufsausbildung erhalten."

Nicht nur Mitarbeiter ohne Ausbildung und Top-Manager sind derzeit in Hamburg Mangelware, sondern in nahezu allen Berufsgruppen werden in der Stadt neue Stellen ausgeschrieben. So will zum Beispiel Airbus in Finkenwerder mehrere Hundert neue Jobs schaffen. Auch dieses Projekt könnte ein Fall für die Arbeitsagentur werden. "Wir haben gemeinsam mit der Wirtschaft in der Vergangenheit bereits Arbeitslose umgeschult für Branchen wie Flugzeugbau, Hafen, Elektroindustrie oder Pflegeberufe", so Böhrnsen. Die Vermittlungsquoten nach der Weiterbildung seien hoch gewesen.

Der Mangel an Mitarbeitern scheint derzeit das größte Problem des Hamburger Mittelstandes zu sein. Ansonsten geben sich die Firmen mehrheitlich optimistisch. 94 Prozent der Befragten (Januar 2010: 85 Prozent) zeigen sich laut Ernst & Young zufrieden mit ihrer aktuellen Geschäftslage. Damit schneidet Hamburg zwei Prozent besser als der Bundesdurchschnitt ab. 61 Prozent der befragten Unternehmer in der Hansestadt erwarten im laufenden Jahr sogar eine weitere Verbesserung der Wirtschaftslage in ganz Deutschland. Und auch bei den Investitionen liegen die Hamburger Betriebe vorne: Drei von zehn Mittelständlern gaben an, dass sie ihre Ausgaben in Maschinen oder Immobilien steigern wollen. Nur ein Prozent will weniger investieren als im Vorjahr.