Die Gesundheitswirtschaft wächst stark. 700 offene Stellen gibt es in Hamburg - und 150 Auszubildende fehlen. Die Nachfrage steigt stetig.

Hamburg. Die Chancen könnten kaum besser sein. Krankenschwestern und Pflegekräfte müssen derzeit nicht lange nach einem Job suchen. Denn viele Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen suchen händeringend Personal. Allein die Hamburger Asklepios-Kliniken - mit 11 600 Mitarbeitern die größte Gesundheitsinstitution in der Hansestadt - haben 70 Stellen ausgeschrieben, davon die Hälfte im Pflegebereich. Im Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) sind Jobs in fast allen Bereichen vakant, und auch Zeitarbeitsfirmen werben ständig um Fachkräfte - doch diese sind knapp.

Aktuell sind in der Hansestadt 700 freie Stellen in der Gesundheitswirtschaft zu besetzen, berichtet die Hamburger Agentur für Arbeit. Darüber hinaus würden 150 Auszubildende gesucht. "Die Gesundheitswirtschaft in Hamburg ist ein großer Wachstumsmarkt, wichtiger Wirtschaftsfaktor und einer der größten Arbeitgeber in der Stadt", sagt Dirck Süß, Abteilungsleiter für Dienstleistungen der Handelskammer.

31 Krankenhäuser mit 11 400 Betten, rund 300 Pflegedienste und 370 Altenhilfen bieten ihren Service an. Die Wertschöpfung sei in dem Sektor in den vergangenen 15 Jahren um 40 Prozent auf sieben Milliarden Euro angestiegen. Derzeit arbeiten 83 600 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte im Hamburger Gesundheitswesen, 3300 mehr als im Vorjahr - Tendenz steigend. Bundesweit sind es mehr als 4,5 Millionen.

Und ein Ende des Wachstums ist nicht in Sicht. "Immer mehr Menschen werden älter. Das lässt die Nachfrage nach Gesundheitsdienstleistungen stetig steigen", erläutert Süß von der Handelskammer. Zugleich erhöhe sich das Gesundheitsbewusstsein und die Bereitschaft, auch Geld dafür auszugeben. Zudem ermögliche der medizinische Fortschritt immer mehr Behandlungsmöglichkeiten.

Allerdings droht der Fachkräftemangel zur Expansionsbremse zu werden. Nach einer Studie der Beratungsgesellschaft PricewaterhouseCoopers (PwC) fehlen 2020 in Deutschland bereits fast 56 000 Ärzte sowie 140 000 Pflegekräfte und nicht ärztliche Fachkräfte. Bis 2030 droht diese Personallücke in der Gesundheitsversorgung auf über 950 000 Fachkräfte anzuwachsen. Auch in Norddeutschland sind Fachkräfte im Gesundheitswesen knapp, mahnt der Sprecher des Deutschen Berufsverbands für Pflegeberufe Nordwest, Burkardt Zieger: "Wir haben eigentlich schon einen Pflegenotstand. Viele Stellen können nicht besetzt werden." Dies erhöhe oftmals die Arbeitsbelastung der Mitarbeiter, denen die Arbeit für nicht besetzte Stellen aufgebürdet werde. Werden Aufgabenbereiche nicht ausreichend besetzt, könnte dies auch zur Gesundheitsgefahr für Patienten werden, da Behandlungen verschoben werden müssten.

Ein Grund für den Pflegekräftemangel sei der fehlende Nachwuchs. "Das Interesse junger Leute an Pflegeberufen ist gering. Zudem ist es schwer, geeignete Azubis zu finden", erläutert Zieger. Manche Interessenten hätten für die anspruchsvolle Ausbildung zu schlechte Schulabschlüsse oder ihnen fehle die notwendige soziale Kompetenz. Darüber hinaus rieten viele Eltern und Lehrer den Schülern vom Pflegeberuf ab, da er körperlich und psychisch eine große Herausforderung darstelle. Die Bezahlung von 1600 bis 1900 Euro brutto im Monat sei für viele zudem nicht Anreiz genug.

Zieger rührt umso mehr die Werbetrommel. Der Pflegeberuf habe nicht nur hervorragende Zukunftsaussichten, sondern sei auch sehr abwechslungsreich: "Er bietet durch Fortbildung und Spezialisierung zum Beispiel auf den OP-Bereich viele Varianten."

In den Spezialbereichen besteht aktuell auch die größte Nachfrage. "Wir suchen vor allem examinierte Krankenschwestern, gerne mit OP-, Anästhesie- und Intensivmedizinerfahrung", berichtet Frank Westermann von der gleichnamigen Hamburger Personalagentur, die sich auf die Vermittlung von Arbeitskräften im Gesundheitsbereich spezialisiert hat. Der geradezu leer gefegte Arbeitsmarkt habe sich positiv auf die Einkommen seiner rund 100 Mitarbeiter ausgewirkt, die er vornehmlich an Krankenhäuser ausleiht: "Die Stundenlöhne liegen bei uns zwischen 18 und 20 Euro und damit deutlich über dem festgelegten Zeitarbeitstariflohn."

Auch die Asklepios-Kliniken suchen derzeit vor allem Fachkräfte für die Intensivmedizin und Anästhesie. Und das sei noch nicht alles, wie Krankenhaussprecher Mathias Eberenz sagt: "Bis Ende 2011 planen wir, rund 400 zusätzliche Mitarbeiter einzustellen, weil wir unser Leistungsangebot kontinuierlich erweitern."