Ein ehrenamtliches Projekt aus Hamburg zur Förderung Hochbegabter macht bundesweit Schule

Ottensen. Zwar startet der März für Hamburgs Schüler mit den Frühjahrsferien, doch für viele von ihnen geht’s direkt danach entscheidend zur Sache. Nicht nur das Abitur, sondern auch die Ausbildungs- oder Studienwahl stellen die Weichen für das Berufsleben. Wohl dem, der in dieser wichtigen Zeit neben den Eltern gute und erfahrene Berater an seiner Seite hat. Noch besser, wenn diese Hilfestellung aus Idealismus erfolgt.

Schüler wie Sophie Horzela, Esra Schwirz oder Nils Bannert haben den Vorteil, professionell und individuell gecoacht zu werden – über den gymnasialen Alltag hinaus. Verantwortlich sind die Mitstreiter des Vereins „Jugend Aktiv“. Seit 15 Jahren bietet diese ehrenamtliche Initiative hochbegabten Jugendlichen im Abiturjahrgang Rat und Hilfestellung an. Im Mittelpunkt stehen Kenntnisse von Branchen, Berufen und gesellschaftlichen Trends, aber auch persönliche Interessen, Vorlieben und Talente.

Dabei ist das Wort aktiv Programm: Die Schüler werden keinesfalls bemuttert, sondern müssen sich selbst um Unterstützung kümmern. Zu den Angeboten des Vereins gehören Einzelgespräche, Rhetorikschulungen und Seminare. Ein Schwerpunkt ist die Erkenntnis der wirklichen eigenen Stärken und deren Umsetzung.

„Unser Ziel ist es, die Entwicklung der jungen Menschen positiv zu unterstützen“, sagt Lothar Mehl, Initiator von „Jugend Aktiv.“ Sein Verein setze auf „Bewusstsein für eigene Initiative und Verantwortung“. Was Personalberater Mehl 2000 ins Leben rief, hat längst Schule gemacht. Aktuell sind gut 100 Ehrenamtliche an zwölf Standorten in Deutschland im Einsatz, um hochbegabten Schülern Starthilfe zu geben. Das Gros der Berater sind Pensionäre mit viel Berufserfahrung, zumeist Personalprofis, Professoren und Unternehmer. Die Zentrale ist Hamburg. Ein 200 Seiten umfassendes Handbuch, in dritter Auflage verfasst, dient als Leitfaden des ehrenamtlichen Einsatzes.

„Nach unseren Recherchen sprechen mehr als 50 Prozent der Führungskräfte rückblickend von einer falschen Studienwahl“, weiß Lothar Mehl. Durch „Jugend aktiv“ konnte diese Quote bei den betreuten Abiturienten gen Null gesenkt werden. Studienabbrüche- oder Studienwechsel waren die Ausnahmen.

In den vergangenen 15 Jahren wurden bundesweit rund 3000 Schüler gecoacht, 350 davon in Hamburg. Die Frauenquote beträgt 60 Prozent. Meist läuft der Kontakt über die Schulen, die geeignete Kandidaten vorschlagen. Als nächster Schritt folgen ausgefüllte Fragebogen und ein Gutachten. Unter dem Strich werden in der Hansestadt pro Jahrgang 30 bis 40 angehende Abiturienten ausgewählt und betreut. In Hamburg kooperiert „Jugend Aktiv“ mit 25 Gymnasien. Ansprechpartner sind Schulleitungen, einzelne Pädagogen oder die Koordinatoren für Begabtenförderung.

„Für uns bietet der Verein die Möglichkeit, leistungsstarken, sozial engagierten Schülerinnen und Schülern eine außerschulische Förderung bieten zu können und sie in ihrer Entwicklung und beruflichen Entscheidungsfindung zu unterstützen“, sagt Heike Zander-Hagemann, Abteilungsleiterin Berufsorientierung am Friedrich-Ebert-Gymnasium in Harburg. „Für die Schüler sind insbesondere das Rhetorik-Seminar und die individuellen Coachings hervorragende Gelegenheiten, sich in neuen Bereichen zu qualifizieren und ihre Begabungen zu erkennen und weiter zu entwickeln.“ Reizvoll sei zudem das Kennenlernen ebenso engagierter Mitschüler von anderen Schulen.

„Die Förderbausteine von Jugend aktiv sind hochkarätig“, ergänzt Maria Meyer zu Natrup, Koordinatorin für Berufsorientierung an der Sankt-Ansgar-Schule in Borgfelde. „Die Schüler kommen mit namhaften Hamburger Unternehmen in Kontakt und erfahren, wie man seine theoretische und emotionale Intelligenz wie Kreativität, Ideenreichtum oder positive Ausstrahlung besser nutzt.“

Auf Bitte des Abendblatts kamen die drei oben genannten Schüler bei Fassbrause und Mineralwasser an einem runden Tisch im Lokal „Schweinske“ in Ottensen zusammen. Tenor: interessante und gute Erfahrungen mit den Beratern von „Jugend Aktiv“. Sophie Horzela vom Johann-Rist-Gymnasium in Wedel berichtet angetan von einem Wochenendkurs mit Konzentration auf Reden, Präsentation, Körpersprache und Auftreten. Esra Schwirz aus der 12. Klasse des Friedrich-Ebert-Gymnasiums in Heimfeld teilt diese Erlebnisse. In diesem Monat steht ein weiteres Seminar auf dem Programm, bei dem es um starkes Auftreten, Zeitplanung und Persönlichkeitstraining geht.

„Die Betreuung ist persönlich, sinnvoll und qualifiziert“, weiß Nils Bannert aus dem 13. Jahrgang des Städtischen Gymnasiums in Bad Segeberg. Er werde unterstützt, persönliche Stärken zu entdecken. Und was will der ehemalige Schulsprecher später machen? Richter, Soziologe, Mediziner oder Betriebswirt seinen Möglichkeiten entsprechend, aber auch die Schauspielerei ist nicht ausgeschlossen.

Noch bleiben ein paar Monate Zeit bis zur Entscheidung. In einem Punkt herrscht bei dem Trio jetzt schon Klarheit: Dank der ehrenamtlichen Profis habe man fürs Leben gelernt.