Scheuerl und Heintze (CDU) gescheitert – Schreiber und Ilkhanipour (SPD) wieder da – Güclü bereitet Grünen Sorgen

Hamburg. Eine Wahl bringt auch immer personelle Veränderungen im Parlament mit sich. Das Hamburger Wahlrecht bietet den Wählern darüber hinaus vielfältige Möglichkeiten, für Überraschungen zu sorgen. Ob bewusst oder nicht: Das ist ihnen auch gelungen. Als sich im Laufe des Montags nach und nach herauskristallisierte, welche Kandidaten es überhaupt in die Bürgerschaft geschafft haben, gab es in fast allen Parteien Stirnrunzeln. Denn etliche Politiker, die fest für bestimmte Posten oder Aufgaben eingeplant waren, haben den Einzug verpasst. Im Gegenzug werden einige Gesichter im Rathaus auftauchen, die dort gar nicht erwartet wurden – und einige könnten für Reibereien in den Fraktionen sorgen.

So hat mit Walter Scheuerl hat einer der bekanntesten Abgeordneten den Wiedereinzug in die Bürgerschaft verpasst. Der streitbare Rechtsanwalt hatte 2010 das Elternnetzwerk „Wir wollen lernen“ zum Erfolg im Volksentscheid gegen die von CDU und Grünen geplante Primarschule geführt. Anschließend hatte die CDU ihren Kritiker ins Boot geholt und es ihm ermöglicht, auf CDU-Ticket ins Parlament einzuziehen. Doch diese Beziehung, ohnehin keine Liebesheirat, hielt nicht lange. Nachdem Scheuerl sich mit der CDU-Fraktion zerstritten hatte, versuchte er sein Glück als unabhängiger Einzelkämpfer und trat auch als solcher zur Wahl an – doch ohne Erfolg. Am Ende der Auszählung am Montagabend hatte Scheuerl in seinem Wahlkreis Blankenese nur 6730 Stimmen – das entsprach 2,6 Prozent – auf sich verbucht.

Sein Eindruck war, dass die Wähler mit einem unabhängigen Einzelbewerber nicht viel anfangen konnten. „Die meisten wählen dann doch lieber Parteien“, sagte der 53-Jährige dem Abendblatt. Dennoch sei es für ihn der „richtige Weg“ gewesen. Sein Engagement in der Bürgerschaft ende damit zwar, aber nicht die politische Betätigung: „Mein schulpolitisches Engagement bei ,Wir wollen lernen’ geht weiter.“

Ohnehin war Blankenese einer der schillernsten Wahlkreise: Hier trat auch FDP-Chefin Katja Suding an und holte – wie schon 2011 – für ihre Partei das einzige Direktmandat. Dabei lag sie mit 30.357 Stimmen (11,5 Prozent) nahezu gleichauf mit Frank Schmitt (SPD, 32.265) und Karin Prien (CDU, 30.399).

Das vielschichtige Wahlrecht mit je fünf Stimmen für die Landesliste und für die Wahlkreise hat auch bei der SPD das Personaltableau etwas durcheinandergewirbelt: Dass Isabella Vértes-Schütter als stadtweit bekannte Intendantin des Ernst-Deutsch-Theaters auf der SPD-Landesliste die fünftmeisten Personenstimmen bekommt (9169), war noch zu erwarten. Dass direkt hinter ihr Danial Ilkhanipour mit 5818 Stimmen folgt, war hingegen eine faustdicke Überraschung. „Wie hat der das bloß gemacht?“, fragte sich ein besorgter Sozialdemokrat, der wegen Ilkhanipours Vorgeschichte Unruhe in der Fraktion befürchtet.

Bei dem 33-Jährigen selbst war die Freude hingegen groß als er erfuhr, dass der Einzug in die Bürgerschaft sicher ist. „Das ist ein phänomenales Ergebnis. Dass es so deutlich wird, habe ich nicht gedacht“, sagte der Stellinger. Eine Ursache sei wohl sein Zielgruppen-Wahlkampf gewesen. So hat Ilkhanipour, Sohn einer iranischen Einwandererfamilie, bei Hamburgern mit iranischen und afghanischen Wurzeln, um Stimmen geworben. Zudem habe er die sozialen Medien wie Facebook eingesetzt und sich mit Hausbesuchen bekannt gemacht. Und nicht zuletzt geholfen habe seine Bekanntheit, die aus dem Konflikt mit dem damaligen Bundestagsabgeordneten Niels Annen herrührt. Mit ihm hatte er sich 2009 um dessen erneute Bundestagskandidatur angelegt und durchgesetzt. Dass er es damals nicht in den Bundestag geschafft hat, lag auch daran, dass Eimsbütteler Sozialdemokraten gegen ihn Wahlkampf gemacht haben. „Das fanden viele Leute nicht in Ordnung“, sagt Ilkhanipour. Wohl auch deshalb habe er in diesem Jahr Unterstützung erfahren. Dass es wegen der Vorkommnisse von damals Konflikte in der Fraktion geben werde, könne er sich aber nicht vorstellen. „Das ist jetzt mehr als fünf Jahre her. Die handelnden Personen von damals verstehen sich mittlerweile super.“

Hinter Ilkhanipour hat sich unter anderem Hendrikje Blandow-Schlegel (4175) dank einer großen Anzahl an Persönlichkeitsstimmen einen Platz in der Bürgerschaft gesichert. Die Rechtsanwältin hatte in den vergangenen Monaten von sich Reden gemacht als Vorsitzende der „Flüchtlingshilfe Harvestehude", einem Verein, der den Menschen helfen will, die in dem geplanten Flüchtlingsheim an der Sophienterrasse untergebracht werden sollen. Den Bau hatte das Verwaltungsgericht vorerst gestoppt, was im Rathaus für mächtig Frust gesorgt hatte. Dem Bemühen der SPD, auch im feinen Harvestehude eine Flüchtlingsunterkunft zu errichten, könnte Hendrikje Blandow-Schlegel im Parlament ein Gesicht geben.

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