Erstes Vorgespräch zur Senatsbildung zwischen Scholz und Fegebank. Grüne fordern drei Senatorenposten

Hamburg. Ein rot-grüner Anfang ist gemacht: Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) und die Grünen-Landesvorsitzende und Spitzenkandidatin Katharina Fegebank haben sich am gestrigen Montagnachmittag im Rathaus zu einem Kaffee getroffen – im Büro des Bürgermeisters. Der schnelle Termin am Tag nach der Bürgerschaftswahl deutet darauf hin, dass beide Seiten die Vorbereitung konkreter Koalitionsverhandlungen zügig angehen wollen.

Scholz und Fegebank haben sich grundsätzlich über den Rahmen ausgetauscht, in dem die Gespräche stattfinden sollen. Als wahrscheinlich gilt, dass Scholz den Grünen vorschlagen wird, in thematischen Arbeitsgruppen zu verhandeln. Vorbild sind die Koalitionsgespräche mit der Union zur Bildung der Bundesregierung 2013, an denen Scholz maßgeblich beteiligt war. Nach der Sitzung des SPD-Landesvorstands am heutigen Dienstagabend wird es vermutlich auch eine formelle Einladung an die Grünen zu Gesprächen und Vorschläge zum zeitlichen Ablauf geben.

Auch wenn Scholz und Fegebank ihre Karten hinsichtlich der Zusammensetzung eines möglichen rot-grünen Senats noch nicht offengelegt haben dürften: Der Zuschnitt der Ressorts und die Frage, wer Senator wird, durchzieht alle Koalitionsgespräche und ist zumindest innerhalb der beiden Parteien ein zentrales Thema.

Am Anfang steht eine simple Frage: zwei oder drei? Gemeint ist die Zahl der Senatsposten, die die Grünen erhalten könnten. Die Grünen werden mit der Forderung nach drei Senatoren in die Gespräche gehen und haben dafür gute Argumente: Sie haben um einen Prozentpunkt auf 12,2 Prozent zugelegt und hatten sogar mit nur 9,6 Prozent bei Schwarz-Grün drei Senatoren – wie im rot-grünen Kabinett von 1997 bis 2001.

Aber so leicht wird Scholz es den Grünen nicht machen. Am Wahlabend sagte der Bürgermeister fast eher im Nebenbei, er gehe davon aus, dass schon alle die richtigen Schlüsse aus dem Wahlergebnis ziehen würden. Bezogen auf Senatsposten kann das bedeuten, dass den Grünen aus Scholz’ Sicht nur zwei Ressorts zustehen. Begründung: Die SPD ist etwa viermal so stark wie die Grünen, das spräche für zwei grüne und acht rote Senatoren, falls es bei der Gesamtzahl von zehn Senatoren bleibt. Die Grünen könnten erwidern, dass die SPD mit Scholz schließlich auch den Bürgermeister stellt. Letztlich spielt bei dieser Frage der Zuschnitt und damit die jeweilige Bedeutung der Ressorts eine wichtige Rolle.

Wie dem auch sei: Scholz muss sich von seinem Satz „Never change a winning team“ („Wechsle nie ein Siegerteam“) verabschieden und Platz für die Senatoren der Grünen schaffen. Sowohl Katharina Fegebank als auch Spitzenkandidat und Bürgerschafts-Fraktionschef Jens Kerstan haben in ihrer Partei vor Wochen deutlich gemacht, dass sie Interesse daran haben, in den Senat zu wechseln. Wie bereits Anfang des Jahres berichtet, strebt Fegebank in die Wissenschaftsbehörde. Das hätte zur Folge, dass Amtsinhaberin Dorothee Stapelfeldt in ein anderes Ressort wechseln müsste, denn auf Grund ihrer Stellung in der Partei ist ein Ausscheiden Stapelfeldts aus dem Senat nicht vorstellbar. Fegebank würde wohl auch den Posten der Zweiten Bürgermeisterin von Stapelfeldt übernehmen.

Aus Sicht der SPD könnte diese Rochade sogar verlockend sein, weil Stapelfeldt mit ihrer Politik doch erhebliche Teile der Hochschulen gegen sich aufgebracht hat. Nach Lage der Dinge könnte die Kunsthistorikerin Stapelfeldt ins Kulturressort wechseln, was aber das Aus für die parteilose Barbara Kisseler bedeuten würde.

Etwas komplizierter ist die Lage für den Finanz- und Wirtschaftspolitiker Jens Kerstan. Das Finanzressort wird Scholz nicht herausrücken, weil er mit Peter Tschentscher (SPD) einen allseits gelobten Experten und engen Vertrauten am Gänsemarkt sitzen hat. Auch der Weg in die Wirtschaft dürfte Kerstan verbaut sein: Hier setzt Scholz auf einen Politiker wie den parteilosen Frank Horch mit einem klar wirtschaftsnahen Profil. Kerstan wäre als Grüner da eher eine Reizfigur, vor allem für die wichtige Hafenwirtschaft. Es gilt als durchaus denkbar, dass Scholz das Wirtschaftsressort neu besetzt – etwa mit dem Manager Joachim Seeler (SPD), dessen Vater schon Senator war.

So wird es im Fall der Fälle wohl eher auf das Umweltressort hinauslaufen – Kerstans dritter Schwerpunktbereich. Ein schlagkräftiges und wichtiges Ressort könnte entstehen, wenn die Zuständigkeit für Verkehr aus der Wirtschaftsbehörde herausgelöst und mit Umwelt verbunden würde. Eine eigenständige Verkehrsbehörde wäre inhaltlich sinnvoll und entspricht den grünen Ambitionen in Sachen Verkehrswende.

Eine solche Verkehrsbehörde wäre für den Grünen-Verkehrspolitiker Till Steffen maßgeschneidert. Der Rechtsanwalt, der Justizsenator im schwarz-grünen Kabinett war, verfügt als einziger des Führungszirkels über Senatserfahrung und hat daher gute Chancen. Die frühere Stadtentwicklungssenatorin Anja Hajduk will sich auf ihre Arbeit als Bundestagsabgeordnete konzentrieren. Ex-Schulsenatorin Christa Goetsch hat sich aus der Politik zurückgezogen. Steffen könnte auch in die Justizbehörde zurückkehren, was das Aus für Jana Schiedek (SPD) auf dem Posten bedeuten würde.

Auch die Stadtentwicklungsbehörde fällt in die Interessenssphäre der Grünen. Doch derzeit spricht viel dafür, dass Scholz an Jutta Blankau festhalten will, weil sie als Senatorin das für Scholz zentrale Wohnungsbau-Programm erfolgreich gemanagt hat. Den Verlust des eher ungeliebten Bereichs Umwelt würde Blankau wohl verschmerzen.

Neben Tschentscher dürften weitere SPD-Senatoren für Scholz gesetzt und unverzichtbar sein: Sozialsenator Detlef Scheele ist ein enger Vertrauter, der einen schwierigen Politikbereich nach SPD-Überzeugung gut in Schach hält. Auch Schulsenator Ties Rabe und Innensenator Michael Neumann haben ihre Posten sicher. Ein interessanter Punkt ist die Gesundheitsbehörde mit Senatorin Cornelia Prüfer-Storcks. Scholz hat die Behörde geschaffen. Entsprechend schwer wird es ihm fallen, darauf zu verzichten. Doch genau das könnte der Preis für eine eigenständige Verkehrsbehörde sein, weil eine weitere Erhöhung der Senatorenzahl als politisch inopportun gilt. Denkbar wäre - wie früher - eine Wiederangliederung der Gesundheits- an die Sozialbehörde.