Hammerbrook, 19.12 Uhr: Klassenkampf kennt auch Humor. Also steht in der rot ausgeleuchteten Hamburger Markthalle nahe dem Hauptbahnhof ein Gewerkschafter auf der Bühne und hält ein Pappschild mit „5,5 Prozent“ in die Luft. Das ist die Lohnforderung, die sie am Vormittag auf ihrer Demonstration durch die Stadt getragen haben. Neben ihm steht der Moderator der Linkspartei an diesem Abend und redet über die guten Umfragewerte für seine Partei: 9,5 Prozent.

„Die hätt ich auch gerne als Lohnsteigerung“, sagt der Gewerkschafter. „Die sind für uns reserviert, sorry“, antwortet der Moderator. Das Publikum im Saal lacht. Und eigentlich warten ja die meisten hier auf den Star der Linken, Gregor Gysi, Fraktionschef und Urgestein. Erst einmal kommt Spitzenkandidatin Dora Heyenn.

Die Linke sieht sich als Korrektiv. Als einzig echte Opposition zu den Etablierten, zu denen sie auch die Grünen längst zählen. Und so beginnt die Erzählung einer Abrechnung. Sie beginnt mit Heyenn, die mit dem SPD-Scholz-Senat abrechnet, mit den Gefahrengebieten und den „rassistischen Polizeikontrollen“. Sie verurteilt Rüstungsexporte aus dem Hafen und den „viel zu niedrigen Mindestlohn“. Während Heyenns Erzählung eher eine kleine Standpauke ist, bricht aus Gregor Gysi das ganz Oppositions-Epos heraus. Eine Stunde lang redet er, fast ohne vom Blatt abzulesen. Er startet: „Ich kenne Berlin, München und Hamburg.“ Alle Städte möge er. Aber Hamburg sei von allen die Stadt mit der größten sozialen Spaltung. Überprüfen lässt sich Gysis Gefühl nicht. Egal. Applaus gibt es trotzdem aus dem Publikum.

Gysi galoppiert dann wie ein Springreiter durch den politischen Parcours und nimmt jede Hürde. Ukraine-Krieg: Auch der Westen hat Fehler gemacht. Griechenland: Alles Geld der EU geht an die Banken, nichts an die Rentner. Kapitalismus: Schafft keine Gerechtigkeit. Vermögenssteuer: Muss kommen. Rüstungsexporte: Schluss damit! Und klar gibt es eine Pointe für Gysi: Sonntag Linke wählen. Nicht die Etablierten.