Vermögen nur vorgetäuscht: Vorbestrafter Hochstapler kauft Villa, heiratet im Luxushotel und trägt Maßanzüge für 10.000 Euro, ohne zu bezahlen.

Hamburg/Bremervörde. Wer das Profil von Ingo K.-P. auf einem der sozialen Netzwerke im Internet abruft, entdeckt einen „Erben mit Verantwortung“ mit Wohnsitzen in Hamburg, Zürich, Bonn, New York und Sylt. Es präsentiert sich ein gemachter, weil millionenschwerer Lebemann adliger Herkunft mit weltweiten Kontakten. Verantwortung jedoch empfindet der 46-Jährige wohl nur für sich selbst. Die Zahl der von ihm Betrogenen geht in die Hunderte. Ingo K.-P. ist ein notorischer und höchstwahrscheinlich pathologischer Hochstapler, der statt in unermesslichem Luxus zu schwelgen, in einem einfachen Reihenhaus in Bremervörde lebt und Kleinwagen fährt.

Seit der vergangenen Woche sitzt der Schwindler in U-Haft und wartet auf seinen Prozess. Mal wieder. Schon 2006 war er vom Landgericht Hamburg zu dreieinhalb Jahren Haft verurteilt worden, nachdem er als falscher Graf mehrere Immobilienkäufe getätigt hatte – ohne Geld wohlgemerkt, nur mit schauspielerischem Talent und gefälschten Kontoauszügen. Als der Schwindel aufflog, war es meist zu spät. Und auch wenn Ingo K.-P., der sich gern Alexander Graf von Langenwerth-O. nannte, seine Verfehlungen reumütig gestand, gelernt hat er daraus nicht. Aus dem Gefängnis entlassen, spielte er das gleiche Spiel unter neuem Namen weiter. Mit Erfolg. Bis er jetzt erneut festgenommen wurde.

Ingo K.-P. kokettierte mit einem Kontoauszug, der gefälscht war

„Reich ist er offenbar nur an Fantasie“, schrieb ein Journalist des Abendblatts treffend, der seinen Prozess vor knapp neun Jahren begleitete. Gern habe er sich bei den Luftgeschäften als RTL-Unterhaltungschef ausgegeben, bezeichnete sich auch als Patenkind des Papstes, als Freund Inge Meysels und Erbe des Industriellen Freiherrn von Stumm. Die adlige Familienbande inklusive Historie und Stammbaum hatte er so gut drauf, dass er die Mär von der Geburt mit dem goldenen Löffel im Munde gern wiederholte. In Ratekau etwa, einer Gemeinde im Süden Bad Schwartaus, wartet Immobilienmaklerin Eva-Maria Eisermann bis heute auf die Courtage aus einem vermeintlich einträglichen Immobiliengeschäft.

Eine Villa in Travemünde bis zu einer Million Euro soll es sein, so der Wunsch des solvent auftretenden Herrn, der das kleine aber feine Immobilienbüro Anfang 2014 beauftragte. Später auch noch ein Apartment im Maritim-Turm in Timmendorf. „Ich habe schnell Vertrauen zu ihm gefasst“, sagt die Maklerin. Die Verbindung ist freundschaftlich. Er bezirzt mit Geschenken. Bei ihrem ersten Gespräch überreicht er ihr eine Rose mit Blattgoldüberzug, später ein Ölgemälde. „Er hat uns Fotos von seinem Schloss gezeigt“, sagt die 54-Jährige, die er mit spannenden (Lügen-)Geschichten aus der High Society in den Bann zieht.

Einen Wert von mehr als 700.000Euro haben die beiden Objekte, für die Ingo K.-P. schließlich Kaufverträge bei einem Notar in Eutin unterzeichnet. Zweifel hat Eva-Maria Eisermann nicht. Bis das Geld ausbleibt. Mal sind es die Banken in der Schweiz, deren Bürokratie den Geldfluss verzögert, dann neue Zollbestimmungen. Ende Juni platzt ihr der Kragen. Sie stellt ihn vor den Kameras eines Privatsenders zur Rede. Sie erstattet Anzeige, sucht andere Opfer und wird schnell fündig. Menschen die Ingo K.-P. weitaus schlimmer getroffen hat: Vermieter, Handwerker, Internethändler. Mehr als 30 Anzeigen kennt Eisermann. Sie befürchtet, dass weitere hinzukommen.

Der Ratekauer Immobilienbetrug ist nur einer von vielen. Die Spur des Lügners zieht sich über Lübeck bis nach Hamburg. Insgesamt wirft ihm allein die Staatsanwaltschaft in Hamburg mindestens zehn Betrugstaten und drei Urkundenfälschungen mit einem Schaden von fast 800.000 Euro vor. Auch die Staatsanwaltschaft in Stade ermittelt.

Wie grenzenlos die kriminelle Selbstherrlichkeit des 46-Jährigen ist, zeigte sich auch im August 2013. Der Anlass ist ein durchaus freudiger: Zum Eintrag ihrer Lebenspartnerschaft organisieren Ingo K.-P. und sein drei Jahre jüngerer Freund ein rauschendes Fest im vornehmen Hotel Louis C. Jacob an der Elbchaussee samt teurer Blumendekoration und Maßanzügen vom Designer. Bezahlt haben sie nie.

Der Designer heißt Bent Angelo Jensen und ist besser bekannt als Chef des Modelabels Herr von Eden. Er erinnert sich an die Besuche der beiden Herren im Maßatelier, damals noch am Großneumarkt, die, was ihm und seinen Mitarbeitern unangenehm war, mit einem Kontoauszug kokettierten. Eine Million Euro Guthaben wies das Papier aus. Und eine Überweisung für die Maßschneiderei. „Sie waren sehr freundlich“, erinnert sich Jensen, „machten einen solventen Eindruck“ und stellen sogar Hilfe bei der Restrukturierung des damals in Insolvenz befindlichen Modelabels an. Obwohl das Geld, mehr als 10.000 Euro, nie ankommt, gehen die Anzüge raus – das Fest nahte. „Das war teures Lehrgeld“, sagt Jensen.

„Den 3. August 2013 werde ich so schnell nicht vergessen“, sagt Michael Graaf vom alteingesessenen Nienstedter Blumendekorateur-Geschäft „Blumen Graaf". Auf 2117 Euro beläuft sich die Summe, auf die der Blumendekorateur an diesem Tag für das Arrangement im Luxushotel sitzenblieb. Kein unerheblicher Betrag für das Familienunternehmen. „Ich gehe sachlich damit um“, sagt Graaf. „Aber ich bin traurig, dass es solche Menschen gibt, die mit ihrem unglaublich kranken Verhalten andere Menschen schädigen.“ Er fragt, warum Ingo K.-P. nicht früher gestellt wurde, Anzeigen habe es genügend gegeben. Doch erst Ende vergangenen Jahres sei er von der Kripo vorgeladen worden.

Im Internet protzt Ingo K.-P. mit einer von ihm ins Leben gerufenen Stiftung, die sich der Bekämpfung von Altersarmut verschrieben haben soll. Man darf davon ausgehen, dass es die Stiftung nicht gibt. Falls doch, ist es gut für Ingo K.-P., er hätte im Alter dringend Unterstützung nötig. „Er hat nur wenig und nur nach Bedarf gearbeitet“, hat seit Jahren auf Kosten anderer gelebt, fasste der Vorsitzende Richter am Landgericht bereits vor neun Jahren das Leben von Ingo K.-P. zusammen. Daran hat sich nicht viel geändert.