Bei der ersten Bürgerwerkstatt zu Hamburgs Bewerbung um die Spiele 2024 entstanden viele Ideen und Anregungen

Hamburg. Die Eddingstifte lagen bereit. Viele. In allen Farben. Auf jedem der zehn großen, runden Tische. Daneben Pappschildchen in Schokoladentafelgröße, vier Farben, ebenfalls viele. Eine große Pinnwand dahinter, Kartenmaterial vom Hafen mit dem geplanten Olympiagelände, bunte Stühle um die Tische. Alles war vorbereitet, es sah ein bisschen aus wie bei der Bastelgruppe im Kindergarten. Die Bürger konnten kommen. Am Mittwochabend fand in der Elbkantine des Unileverhauses die erste „Bürgerwerkstatt“ zur Hamburger Olympiabewerbung statt.

Wo sonst die Mitarbeiter eines der weltgrößten Konsumgüterkonzerne ihren Hunger stillen, konnten nun interessierte Hamburger ihren Hunger nach Informationen stillen. Und Brezeln, Wasser, Apfelsaft gab es auch. Die Lage direkt an der Elbe ermöglichte einen passenden Blick auf das künftige zentrale Olympiagelände auf dem Kleinen Grasbrook – „wenn es nicht schon dunkel und so regnerisch wäre“, wie Sport- und Innensenator Michael Neumann (SPD) in seiner Einführung vollkommen richtig bemerkte.

Also kein Live-Blick auf den Status quo. Stattdessen viele Animationen der erhofften Zukunft, auf den Karten und einem großen Präsentationsbildschirm. „Dies ist ein Plan, wie man es machen kann, ein Zwischenstand von der Stadt entwickelt“, sagte Neumann zu Beginn: „Aber wir wollen den Hamburgern das letzte Wort geben, und der Vorbereitung dieser Diskussion dient der heutige Abend.“

„Fragen Sie mich“, stand im Imperativ auf einem roten Button, den sich die Beamten und Helfer aus den beteiligten Behörden, Ämtern und Fachreferaten angeheftet hatten, neben einem Schildchen mit ihrem Namen über dem „Feuer-und-Flamme“-Logo. Etwas schüchternere Bürger wurden zudem mit einem schwarzen Ansteckschildchen animiert: „Haben Sie eine Frage?“

Ja, hatten sie. Viele. Und Vorschläge. Aber erst hatte noch Jürgen Mantell, der Präsident des Hamburger Sportbundes, das Wort. Er erinnerte an die erste Hamburger Bewerbung vor etwa zehn Jahren für die Spiele 2012, die bereits in der deutschen Vorauswahl an dem international komplett chancenlosen Leipzig gescheitert war. „Das Konzept damals war glänzend, aber in Deutschland glaubte keiner, dass Hamburg eine Sportstadt ist“, sagte Mantell.

Hamburg habe daraus gelernt, habe die allgemein anerkannte Dekadenstrategie des Sports entwickelt, 580.000 Bürger seien in mehr als 800 Sportvereinen organisiert, der Sport sei in der Stadt verwurzelt. „Schon als deutsche Kandidatenstadt ausgewählt zu werden, wäre für uns ein gewaltiger Schub“, erklärte Mantell, was er den meisten Anwesenden wahrscheinlich gar nicht erklären musste.

Ungefähr 120 interessierte und überwiegend bereits informierte Bürger hatten den Weg zu der Veranstaltung gefunden, die unter dem Schwerpunkt „Wettkampf- und Trainingsstätten“ stand. Die Themen „Tourismus und Verkehr“ (19. Februar) und „Entwicklung des Kleinen Grasbrook“ (26. Februar) folgen noch am selben Ort.

Die, die diesmal gekommen waren, waren augenscheinlich keine Olympiagegner. Pöbler gab es gar nicht. Kritiker schon. So erklärte der Veranstaltungsmanager Alex Rostkowski, 36, an Tisch drei dezidiert, warum man auf dem Gelände des Clubs an der Alster kein olympisches Tennisturnier ausrichten kann: „Man muss an den ersten beiden Tagen jeweils 32 Erstrundenpartien austragen. Bei vier Showcourts wären das acht Partien pro Platz, jedes Spiel dauert im Schnitt zwei Stunden. Das funktioniert auch ohne Regenpausen nicht.“ Dem Experten am Tisch fiel dazu keine richtige Antwort ein. „Rothenbaum zu klein“ schrieb eine der Assistentinnen mit dem Edding auf ein orangenes Pappschildchen und heftete es an die Pinnwand unter der Rubrik „Kritik“.

So ging es an fast allen Tischen zu. „Wir hatten zahlreiche sehr fachkundige Leute hier, die sich sehr kreativ und mit vielen Iden eingebracht haben“, sagte Marianne Müller, die beim Sportamt für die Konzeption von Sportveranstaltungen zuständig ist: „Die Bereitschaft mitzumachen war auch groß.“ Unter anderem stellte der ehemalige Sportwart des UHC, Peter Müller, für Hockey die Idee von Clubpatenschaften für die unterschiedlichen Nationalmannschaften vor. „Patenschaften“ schrieb die Assistentin auf ein grünes Kärtchen und pinnte es unter „Ideen“.

„Ich bin besonders beeindruckt, dass auch so viele junge Leute hier waren und mitgemacht haben“, sagte Rentner Erich Stebner, 70, aus Wandsbek. „Olympisches Dorf mit eigenständiger Architektur“, „Stellplätze“. „Konkrete Finanzplanung kostet Geld“. „Mittelstand mit einbeziehen“. „Emission der Kreuzfahrtschiffe“. „Lärmbelastung ums Olympiastadion“. „Hängt Olympia von der Elbvertiefung ab?“ Dutzende Kärtchen, rote, gelbe, grüne. Ideen, Anregungen, Einwände. Immer voller wurden die Pinnwände.

Dazwischen bewegte sich Neumann unter all den Gästen der Veranstaltung wie ein Fisch im Wasser. Der Senator fühlte sich sichtlich wohl, er schüttelte Hände – „Michael Neumann, guten Abend“ – er posierte für Selfies, er hörte sich Geschichten an, beantwortete Fragen und setzte sein Motto um, das er bei der Begrüßung ausgegeben hatte: „Für die, die mich noch nicht kennen: Sie werden mich kennenlernen.“

Nach etwa 90 Minuten Austausch war wahrscheinlich wirklich alles gesagt für den Abend. Die Kärtchen wurden eingesammelt. „Die rege und sachliche Diskussion war sehr angenehm“, sagte Neumann: „Wir werden jetzt alles auswerten, keine Idee geht verloren.“ Staatsrat Christoph Krupp „versprach“ in seinem Schlusswort: „Die bisherigen Pläne werden im Bewerbungsprozess ohnehin noch einige Male überarbeitet werden.“ Hamburgs olympische Bastelarbeiten haben gerade erst begonnen.