Bürgerschaft soll nach der Wahl eine Expertenkommission einsetzen, um gemeinsam Lösungen zu erarbeiten – auch im Streit über Stadt- oder U-Bahn

Hamburg. Busbeschleunigung, Dauerstaus, Stadtbahn-Debatte: Über kaum ein Thema wurde zuletzt so viel und bisweilen so ideologisch gestritten wie über die Verkehrsprobleme. Beim Disput über die Frage, ob Hamburg eine Stadtbahn oder eine neue U-Bahn braucht, hat die Handelskammer kürzlich einen „Bahnfrieden“ angeregt – also die Suche nach einem Kompromiss zwischen allen Varianten. Die CDU geht nun noch einen Schritt weiter und plädiert für einen „Verkehrsfrieden“ – und die Einsetzung einer parteiübergreifenden Enquetekommission in der kommenden Wahlperiode. In dieser sollten alle Bürgerschafts-Parteien sich gemeinsam Gedanken darüber machen, wie und wo der öffentliche Personennahverkehr in Zukunft ausgebaut werden muss, so der federführend von Verkehrspolitiker Klaus-Peter Hesse ausgearbeitete Vorschlag der CDU.

„Die Menschen erwarten, dass wir langfristig tragfähige Lösungen für die Verkehrsprobleme unserer Stadt entwickeln“, sagte auch CDU-Bürgermeisterkandidat Dietrich Wersich. „Wir sind bereit zu einem parteiübergreifenden Konsens, wenn er die modernsten Erkenntnisse der Mobilität berücksichtigt. Deshalb machen wir einen Vorschlag, wie das funktionieren kann.“

Die aktuelle Bürgerschaft soll nach dem Willen der CDU dazu in ihrer letzten Sitzung am 4.Februar die Empfehlung beschließen, nach der Wahl „eine Enquetekommission einzusetzen, die neben dem Mobilitätsbeirat der Fachbehörde eine Einschätzung zu kurz-, mittel- und langfristige Bedarfe sowie entsprechende Strategien im ÖPNV ermittelt“. Dabei solle sie auch eine „ergebnisoffene Gegenüberstellung von U-Bahn-, S-Bahn- und Stadtbahn-Planungen“ vornehmen.

„Der Bedarf am Ausbau des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) wird in den nächsten Jahren in einer weiterwachsenden Stadt kontinuierlich steigen“, heißt es in dem Antrag. „Die Gesellschaft wird zukünftig anders leben und auch über Mobilität im öffentlichen Raum anders denken.“ Schon jetzt lebten zwei Drittel der Hamburger außerhalb des Ring 2. Diese Bereiche gelte es daher noch besser mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu erschließen und anzubinden.

„Diese Wahlperiode war geprägt von einer kontroversen Diskussion über das Busbeschleunigungsprogramm des Senates sowie den Konzepten aus der Opposition zur Wiedereinführung einer Stadtbahn. Vertreter der Verkehrsunternehmen beklagen zu Recht, dass die jeweiligen politischen Mehrheitsverhältnisse zu immer neuen Ideen führen und wichtige langfristige Strategien und Entscheidungen für die Zukunft des Hamburger Verkehrs auf der Strecke bleiben“, schreibt Hesse. „Der immer wieder geforderte Verkehrsfrieden bzw. Bahnfrieden muss daher in der nächsten Wahlperiode ein wichtiges Ziel sein, denn es bestehen grundsätzlich große Übereinstimmungen hinsichtlich der Herausforderungen.“ U-Bahn-, S-Bahn- und Stadtbahn-Planungen sollten ohne Vorbehalte gegenübergestellt und unter Einbeziehung von Experten die bestmögliche Lösung gefunden werden.

So sendet CDU-Mann Hesse, der der Bürgerschaft seit 1998 angehörte und nun aus beruflichen Gründen ausscheidet, vor der Wahl noch ein verkehrspolitisches Friedenssignal an die Konkurrenz – zugleich soll aber wohl auch ein Durchmarsch der SPD mit ihrer Idee verhindert werden, eine U5 zu bauen und auf eine Stadtbahn in jedem Fall zu verzichten. „Die Bürger haben einen Anspruch darauf, dass sich das Parlament intensiv mit der Zukunft unserer öffentlichen Infrastruktur beschäftigt und erst dann weitreichende Entscheidungen trifft“, sagt Hesse.

Bei der SPD stößt die CDU mit ihrem Vorschlag auf ein verhaltenes Echo. Seine Partei sei auch daran interessiert, einen „möglichst breiten Konsens“ über den künftigen Ausbau des Schienennetzes zu erreichen, sagte SPD-Fraktionschef Andreas Dressel. Allerdings zweifle er an der Ernsthaftigkeit des Vorschlags, zumal die CDU keinen Kontakt gesucht habe, um über eine Enquetekommission zu sprechen. Zudem sei es nicht sinnvoll, dass die scheidende Bürgerschaft der nächsten Empfehlungen gebe. Grundsätzlich sei aber klar: „Jedes System, das wir auf die Schiene setzen, muss den Experten-TÜV bestehen.“ Grünen-Verkehrspolitiker Till Steffen begrüßte den von der Handelskammer ausgegangenen Vorschlag einer Kompromisssuche. Über den Umgang mit dem CDU-Antrag hätten die Grünen noch nicht entschieden.