Auf Finkenwerder demonstrieren Auszubildende des Flugzeugbauers ihr Können: Das 3,20 Meter lange und mit Kerosin betankte Modell eines A350 kann richtig abheben

Finkenwerder. An die verblüfften Blicke hat sich Christoph Paff längst gewöhnt. Wenn er per Fernbedienung die Triebwerke seines Airbus 350 anwirft, folgt eben jenes satte Röhren, das man vom Airport kennt. Am Bug und an den Tragflächen des Flugzeugs blinken Lichter; Kerosingeruch erfüllt die Luft. Und das Beste daran: Dieses Modell kann tatsächlich abheben. Nach gut 200 Metern auf der Startbahn gewinnt es geschwind an Höhe.

Ebenso überragend wie diese weltweit einmalige Konstruktion ist die Entwicklungsgeschichte. Mit Paff als Initiator und Motor schafften Auszubildende des Unternehmens Airbus in Finkenwerder in Eigenregie ein Meisterstück. Von der Idee bis zur Fertigstellung vergingen drei spannende Jahre, in denen alle Beteiligten eine Menge lernten – abseits des normalen Lehralltags. Von ihren Vorgesetzten wohlwollend begleitet, wurde mit dem weltweit ersten flugfähigen A350 ein handwerkliches Wunder vollbracht.

Die Eckdaten dokumentieren eine erstaunliche Leistung. Neben Christoph Paff und Henrik Groth sowie vier weiteren „Azubis“ im Kernteam waren 30 weitere junge Kollegen als Zuarbeiter beteiligt: Fertiger, Elektroniker, Verfahrensmechaniker und duale Studenten. Verwendete Materialien des täuschend echten Modells, das 20mal in den original Airbus 350 passen würde: Balsaholz, Styropor, Glasfaser, Harz, Lack – und natürlich die Strahltriebwerke und eine Fernbedienung. Insgesamt wurden weit mehr als 3000 Stunden investiert. Spannweite und Länge betragen je 3,20 Meter. Der 23 Kilogramm schwere Airbus wird mit drei Litern Kerosin betankt. Damit kann er in maximal 200 Metern Höhe bis zu sechs Minuten fliegen.

Die Gesamtkosten von gut 10.000 Euro wurden von der Abteilung übernommen. Da der komplette Projektplan digital gesichert ist, können auch künftige Ausbildungsjahrgänge vom Meisterwerk profitieren. In der Zentrale von Airbus in Finkenwerder arbeiten etwa 12.700 Beschäftigte – unter anderem auch an der Montage und Ausrüstung der vorderen und hinteren Rumpfsegmente für die Familie des A350. Die 580 Auszubildenden haben erstklassige Chancen, übernommen zu werden.

Entsprechend stolz quittiert Ausbildungsleiter Jan Balcke die Leistung seines Teams: „Dieser A350-Flieger ist weltweit einmalig und made in Hamburg.“ Das außerordentliche Engagement schaffe zudem Orientierung für das spätere Berufsleben. „Ohne eine starke Grundhaltung, enormen Einsatz und Biss wäre das Projekt am Boden geblieben“, sagt der Volkswirt.

Auch Christoph Paff berichtet von Zweiflern vor und während der Entstehungsphase. Doch außer dem Modell ging letztlich niemand wirklich in die Luft. Die Stunde der Wahrheit schlug nach dreijährigen Mühen, zwischenzeitlichen Rückschlägen, aber auch erhebenden Erfolgserlebnissen. Mit dem Eigenbau auf dem Anhänger fuhr die Kerncrew plus Jan Balcke auf einen Flugplatz nach Stade. Als der Mini-Airbus dort startete und in fast 200 Metern plangemäß umher düste, gab es am Boden erleichtert Beifall. Jeweils zwölf Kilo Schub sind eine Menge. Theoretisch könnte das gute Stück viel länger als sechs Minuten fliegen, doch würde ein größerer Tank auch mehr Gewicht bedeuten. Und ab 25 Kilogramm müsste eine Zulassung beim Luftfahrt-Bundesamt beantragt werden.

Vor allem die entscheidenden Macher, Christoph Paff und Henrik Groth, ließen sich nie beirren. Sie setzten konsequent um, was in ihren Köpfen schon Ende 2011 Form angenommen hatte. Im Juli vergangenen Jahres beendete Paff seine Ausbildung zum Fluggerät-Mechaniker. Aktuell absolviert der 22-Jährige in Lübeck sein Studium zum Wirtschaftsingenieur. Nach sieben Semestern, so sein Vorhaben, kehrt er zu Airbus nach Finkenwerder zurück. Das ist garantiert.

Wohl einem Betrieb, der solche freiwilligen Aktivitäten fördert und mit Organisation und Material zur Umsetzung beiträgt. Natürlich warfen auch ältere Profis immer wieder neugierige Blicke auf die jungen, anpackenden Könner. Und als die zwei Macher ihr Werk für den Abendblatt-Fotografen in Halle neun bugsierten, machten viele Kollegen große Augen. In der Tat bot der richtig große A321 im Hintergrund einen wunderbaren Kontrast zum Miniatur-Modell. „Ich habe für dieses Projekt gelebt“, sagt Christoph Paff bescheiden. Auch spät abends und am Wochenende.

Der offizielle Erstflug soll im Februar steigen – je nach Witterung und selbstverständlich in Finkenwerder. Nicht nur ein Fernsehteam des ZDF, sondern auch Führungspersonal aus allen möglichen Airbus-Abteilungen wollen dabei sein. Und was wird aus dem technischen Meisterstück hinterher? Vielleicht geht es auf Reise durch Schulen und auf Messen. Als faszinierende Demonstration, was Lehrlinge so alles schaffen. Wenn man sie lässt.