Johannes Züll hat im vergangenen Jahr die Geschäftsführung von Studio Hamburg übernommen

Hamburg. Seit dem Juli vergangenen Jahres ist Johannes Züll Chef von Studio Hamburg. Abgesehen von einem kurzen Auftritt beim Studio Hamburg Nachwuchspreis hat er sich bisher in der Öffentlichkeit ziemlich rar gemacht. Der 49-jährige studierte Wirtschaftswissenschaftler war vorher unter anderem Geschäftsführer bei ntv und bei RTL Interactive. Bevor er nach Hamburg kam, war er Chef bei RTL Televizija in Kroatien.

Hamburger Abendblatt:

Wie haben Sie sich als Süddeutscher im Norden eingelebt?

Ich bin von Hamburg beeindruckt. Wir wollten zuerst in den Speckgürtel ziehen und haben uns dann doch für die Uhlenhorst entschieden. Ich ärgere mich aber darüber, dass mir alle vier Wochen von meinem Fahrrad das Vorder- oder Hinterrad geklaut wird. Aber dann nutze ich eben Carsharing-Dienste oder fahre mit öffentlichen Verkehrsmitteln.

Welchen Eindruck haben Sie vom Medienstandort Hamburg?

Züll:

Hamburg ist ein hervorragender Standort mit großem Potenzial. Er schlägt sich unter Wert. Egal, ob Internet, Gaming, Fernsehen, Agenturen oder Print: Wir müssen weiter den Schulterschluss suchen und stärker gemeinsam nach außen auftreten.

Politikern gewährt man eine Schonfrist von 100 Tagen. Sie sind deutlich länger in der Deckung geblieben. Warum?

Züll:

Ich habe es für wichtiger erachtet, mich erst einmal ums Geschäft zu kümmern. Wir haben Ende des Jahres dem Aufsichtsrat viele Themenvorschläge gemacht, denen dieser zugestimmt hat.

Welche zum Beispiel?

Züll:

Studio Hamburg ist in den Jahren 2012 und 2013 durch keine einfache Zeit gegangen. Zusammen mit meinem Geschäftsführungskollegen Kurt Bellmann habe ich eine Menge angepackt. Wir haben uns 2014 wieder in Richtung der schwarzen Null entwickelt. Für 2015 planen wir fest mit schwarzen Zahlen.

Was wird aus Studio Berlin?

Züll:

Wir haben dem Aufsichtsrat empfohlen, dort und mit unserem Systemdienstleister MCI weiterzumachen. Wir sehen bei beiden Licht am Ende des Tunnels und wollen, dass die Geschäfte uns wieder Freude machen.

Wie wollen Sie das erreichen?

Züll:

Bei der MCI gab es im vergangenen Jahr einen Wechsel in der Geschäftsführung. Für 2015 hat sich der Auftragseingang gegenüber dem Vorjahr um 30 Prozent gesteigert. In Berlin betreiben wir das Geschäft der Studioproduktionen und der Außenübertragung. In beiden Feldern ist es uns gelungen, die Kapazitäten besser auszulasten.

Reicht das, um Verluste auszugleichen?

Züll:

Unsere Verluste waren in den vergangenen Jahren größtenteils bilanzieller Natur. Es ging nicht um Liquidität. Aber wir hatten ein strukturelles Defizit, an dem wir gearbeitet haben. Geholfen hat uns dabei auch der Verkauf unseres Grundstücks am Wöschenhof. Solche außerordentlichen Erlöse brauchen wir 2015 nicht mehr. Wir haben an unserem Portfolio gearbeitet und uns von der Filmtechnik getrennt, die Postproduktion restrukturiert. Wir haben auch verschiedene andere Bereiche überprüft.

Gab es personelle Konsequenzen?

Züll:

Von einzelnen Mitarbeitern haben wir uns sozialverträglich getrennt, aber es gab keine Entlassungen im größeren Rahmen. Wir werden unsere Mitarbeiterzahlen durch den Kauf des operativen Geschäfts der Potsdamer Park Studios sogar erhöhen, die Zustimmung des Kartellamts vorausgesetzt.

Studio Hamburg vereint zahlreiche Marken. Ist das die richtige Strategie?

Züll:

Wir haben viele Einzelgesellschaften und GmbHs, die wir teilweise noch zusammenfassen werden. Generell stehe ich zu Strategie, sie bringt uns große Vorteile. Im Gegensatz zu anderen, die alles zentralisiert haben, haben wir die Realfilm, Nordfilm, Dokfilm, Cinecentrum, Polyphon und Serienwerft. Der Wettbewerb der kreativen Köpfe ist auch untereinander sinnvoll.

Studio Babelsberg setzt stark auf das Kino und internationale Koproduktionen. Wäre das auch für Sie ein Rezept?

Züll:

Wir haben eine andere Strategie und eine andere Geschichte. Sowohl der Hamburger als auch der Berliner Standort haben mehr mit dem Fernsehen zu tun. Wir bleiben bei unseren Leisten. Die deutschen TV-Produktionen werden ohnehin oft unter Wert verkauft. Im Vergleich mit den USA muss man beachten, dass viele der hier hochgelobten US-Serien wie „Breaking Bad“ oder „House of Cards“ eigentlich Nischenprogramme sind. Auf den großen Sendern haben sie nicht funktioniert.

Wie gehen Sie technologischen Neuerungen wie Streaming-Diensten entgegen?

Züll:

Ich glaube, dass es dort, aber auch in anderen Bereichen, Potenzial gibt. Wir arbeiten mit Netflix, Watchever und Amazon Prime zusammen. In der Zukunft kann ich mir das auch bei YouTube-Inhalten vorstellen, und zwar dann, wenn neben der heute hohen Kreativität auch das professionelle Producing dazukommt. Wir kümmern uns daneben um Web-Serien, Gaming ist ein weiterer Bereich, für den wir uns interessieren. Insgesamt bewegen wir uns aber in Märkten, die leider nicht sonderlich wachstumsstark sind und von hohem Wettbewerb und nur geringen Margen gekennzeichnet sind. Wir müssen daher ständig auf unsere Kosten achten. Weitere Prioritäten lauten: Kunden, Kreativität, neue Projekte.