In München sorgte 1972 Dackel Waldi für bajuwarisches Flair. Designer Paravicini plädiert für einen Matrosen, falls Hamburg die Spiele bekommt.

Hamburg. Kein Olympia ohne Maskottchen. Zumindest nicht mehr seit Waldi. Der regenbogenfarbene Dackel, der zu den Spielen 1972 in München gehörte, war das erste offizielle Maskottchen Olympischer Sommerspiele. Und seitdem sind so unterschiedliche wie unterschiedlich erfolgreiche Versuche unternommen worden, für die größten Zusammenkünfte internationaler Athleten die passende Begleitung zu finden. Und zumindest in Designerkreisen hat es gleich der Allererste geschafft, unvergesslich zu werden: „Waldi ist in Designerkreisen absoluter Kult.“

Für Heinrich Paravicini gehört der bunte Dackel immer noch zu den besten olympischen Maskottchen, die je entworfen worden sind. Paravicini sollte es wissen, schließlich ist er nicht nur Kogründer und Mitinhaber der erfolgreichen Hamburger Designagentur Mutabor, sondern auch Fachbereichsvorstand Design und Präsidiumsmitglied des Art Directors Club für Deutschland. Ein Mann vom Fach, mit dem man sich hervorragend über Vorzüge und Nachteile der ganz unterschiedlichen Ideen unterhalten kann, die es im Lauf der Jahrzehnte zum offiziellen Begleiter Olympischer Spiele gebracht haben.

Selbstironie hatte man den Deutschen kaum zugetraut

Nun ist die Frage, wie Hamburg sich, eine gelungene Bewerbung einmal vorausgesetzt, über Spielstätten und Organisation hinaus international präsentieren kann, vielleicht nicht die vordringlichste, aber durchaus eine von Interesse. Denn ein gutes Maskottchen erfüllt gleich mehrere Funktionen: „Es holt die Bevölkerung ab, drückt Begeisterung aus. Es soll aber auch allen Touristen, die ins Land kommen, etwas von der Kultur, den Eigenheiten der Gastgeber vermitteln.“ Und im Idealfall bestehenden Ansichten und Meinungen eine neue Facette hinzufügen. So, wie es Waldi getan hat. „Selbstironie hat man den Deutschen damals kaum zugetraut. Und ein deutscher Adler mit stolzgeschwellter Brust, der wäre knapp 30 Jahre nach dem Dritten Reich wohl kaum gut aufgenommen worden. Also hat man die Flucht nach vorn angetreten und gezeigt, dass man modern und weltoffen ist. Und über sich selbst lachen kann.“

Aus der bunten Reihe der tierischen, menschlichen und abstrakten Charaktere, die die Olympischen Spiele seit 1972 begleiten, gefällt Paravicini nur eines noch besser als der bunte Hund: Cobi, der kubistische Schäferhund der Sommerspiele 1992 in Barcelona. „Mit Cobi ist es Javier Mariscal gelungen, eine Figur zu schaffen, durch die man einen ganz anderen Blick auf Spanien, auf Barcelona bekommen hat. Und die tatsächlich die Spiele überlebt hat, zu denen sie gehört.“ Waldi und Cobi eint zudem, dass sie so zeitlos wie künstlerisch sind, im Gegensatz zu vielen anderen, denen man klar ihre historische Herkunft ansieht: „Wenn ich heute Maskottchen ins MoMA stellen müsste, würde ich Waldi und Cobi nehmen.“

Von London und seinen so erfolgreichen wie nachhaltigen Spielen kann sich Hamburg nach Meinung von Paravicini zwar vieles abschauen, was die Organisation und Umsetzung angeht, doch von Wenlock und Mandeville, den beiden Stahltropfen die durch die englischen Spiele hopsten, sollte man lieber die Finger lassen: „Die wirken so technisch, metallisch-abweisend. Sympathie kommt da keine an. Ich weiß nicht, ob der Designer mal seine Kinder gefragt hat, wie ihnen sein Entwurf gefällt.“ Zudem hätte man „offensichtlich zu viel gewollt. Und wenn man einen Entwurf überfrachtet, kommt einfach keine Botschaft klar durch.“ Das haben die Brasilianer besser hinbekommen, die ihre plüschigen Begleiter für die Spiele 2016 unlängst vorgestellt haben. Vinicius und Tom gehören zwar klar in die Kategorie der klassischen Maskottchen – comicartige, lustige Figuren, die man sich ohne Weiteres als Stofftier im Souvenirladen vorstellen kann – aber „sie vermitteln darüber hinaus eine klare Botschaft“: Sie verkörpern den brasilianischen Regenwald, und „dass sie das Thema Erhaltung des Artenreichtums so offensiv gespielt haben, finde ich bemerkenswert und sehr schön umgesetzt“.

Aber was ist mit Hamburg, wie könnte sich die Stadt international am besten präsentieren? Auch dazu hat sich Paravicini bereits Gedanken gemacht. „Eine fertige Zeichnung habe ich aber noch nicht“, sagt er und lacht. Dafür aber eine Idee: „Ich fände es toll, wenn man die Gastfreundschaft dieser Stadt zum Leitbild erheben würde. Gerade dafür gibt es ein Bild, von Leuten, die ankommen und wieder ablegen: Und das ist der Matrose. Aber nicht als Hans-Albers-Stereotyp, sondern als Leitbild modern umgesetzt. So kann man das Lokale mit dem Internationalen paaren und die Weltoffenheit unserer Stadt darstellen. Eine ganze Familie von Matrosen, für jeden Kontinent einen, das wäre zum Beispiel eine Idee. Die Leute kommen aus aller Herren Länder zu uns, werden hier zu Matrosen und nehmen ein Stück Hamburg wieder mit in die Heimat. Natürlich könnte man auch eine Robbe oder eine Möwe nehmen, das wäre näher dran am klassischen Maskottchen. Aber unsere Gäste zu Matrosen zu machen und so eine internationale Familie zu schaffen finde ich interessanter.“

„Hamburg ist nicht Deutschland“

Von einem Maskottchen, das statt des lokalen einen gesamtdeutschen Bezug hat, rät Paravicini ab: „Hamburg ist nicht Deutschland. Es wäre nicht richtig, ein gesamtdeutsches Image über Hamburg transportieren zu wollen. Wir sind nicht zuletzt dank des Hafens eine internationale Stadt, und obwohl Hamburg relativ klein ist, sind wir weltbekannt. Das sollte man betonen. Und die Weltoffenheit steckt ja in der ganzen Stadtgeschichte, auch wenn das Bild vom Tor zur Welt viel bemüht ist. Aber ein Maskottchen ganz ohne Klischees finde ich auch schwierig.“

Eine Familie von Matrosen als Repräsentanten für maritime, weltoffene Olympische Spiele in Hamburg, das klingt tatsächlich nach einer sehr interessanten Idee, Paravicini räumt zwar ein: „Gestaltung ist natürlich immer auch Geschmackssache.“ Aber, so sagt er lächelnd: „Falls jemand Interesse an der weltoffenen Matrosenfamilie hat, soll er mich anrufen.“