„Fortschritt wird ausgebremst!“ Krankenhäuser befürchten Schließung von Stationen und Wartelisten für Patienten

Hamburg. In einer beispiellosen Aktion protestieren die Hamburger Krankenhäuser gegen die Gesundheitsreform der Bundesregierung und der Länder. Die Vertreter des Albertinen, von Asklepios und des Universitätsklinikums Eppendorf (UKE) sowie die Hamburgische Krankenhausgesellschaft befürchten das Schließen von Stationen, weitere Belastungen für Ärzte und Pfleger, Wartelisten für Patienten und schließlich das Ende der Gesundheitsmetropole Hamburg.

Albertinen-Chef Prof. Fokko ter Haseborg appelliert an den Senat: „Frau Senatorin Prüfer-Storcks, wir möchten auf Ihr Ja zur Gesundheitsmetropole vertrauen dürfen. Regelungen, die Krankenhäuser beschränken und Fortschritt ausbremsen, bedeuten für unsere Gesundheitsmetropole Hamburg Stillstand oder Schaden.“ Prüfer-Storcks war Mitglied der Bund-Länder-AG zur Krankenhausreform. Die Gesundheitssenatorin sagte dem Abendblatt, sie könne die Kritik nicht verstehen: „Die Hamburger Krankenhäuser schreiben schwarze Zahlen. Die Reform bringt eine deutliche Verbesserung der Finanzen.“ Es sei immer eine Gratwanderung zwischen einer vernünftigen Finanzierung und dem, was man den Beitragszahlern zumuten könne.

Die Eckpunkte sehen zum Beispiel vor, dass 200 Millionen Euro pro Jahr zusätzlich für Pfleger ausgegeben werden. Künftig wird auch nach Qualität bezahlt, und die Zahl der Operationen soll begrenzt werden. Nach ersten Berechnungen der Gesundheitsbehörde sollen aus den verschiedenen Töpfen 45 Millionen Euro zusätzlich jedes Jahr nach Hamburg fließen. Die Krankenhausgesellschaft findet diese Interpretation irreführend. Geschäftsführerin Dr. Claudia Brase sagte, aus Landesmitteln seien 2014 nur 108 Millionen Euro für Investitionen gekommen, dabei sei ein Bedarf von 240 Millionen festgestellt worden. Durch die neuen Gelder könnten gerade einmal drei Pflegerinnen pro Klinik eingestellt werden. Und seit Jahren gebe es nur wenig mehr Geld von den Krankenkassen, während die Löhne für Ärzte und Pfleger überproportional gestiegen seien. Dadurch sei eine „Tarifschere“ entstanden, die allein in Hamburg zu einem Minus von vier Milliarden Euro geführt habe.

Auch das UKE ist betroffen. Dr. Mathis Terrahe, UKE-Direktor für Strukturplanung, sagte: „Unsere Ärzte und Pflegekräfte arbeiten nicht im Akkord am Fließband, sondern mit Menschen in Notsituationen. Wenn die Tarifentwicklung sich in den Krankenhauspreisen nicht vollständig wiederfindet, werden die Arbeitsbedingungen weiter verschärft. Das spürt auch der Patient.“

Brase sagte mit Blick auf die alternden Gesellschaft: „Das wirtschaftliche Risiko von Krankheit trägt in Deutschland bislang die Sozialversicherung. Jetzt soll das wirtschaftliche Risiko von zusätzlichen Krankenhausbehandlungen einer alternden Bevölkerung allein auf die Krankenhäuser übertragen werden. Die Patienten werden sich auf Wartelisten einstellen müssen.“ Die gesetzlichen Krankenkassen zahlen in diesem Jahr den Krankenhäusern ein Plus von 2,2 Prozent. „Wir erwarten, dass die Hamburger Kliniken die Erhöhung ihres Budgets dazu nutzen werden, die Qualität und Sicherheit bei der Behandlung von Patienten weiter zu verbessern“, sagte Kathrin Herbst, Landeschefin des Verbands der Ersatzkassen.